Holden Caulfield redet mit seiner Schwester Phoebe. Diese Szene ist aufgrund der Diskussion mit Bezug auf den Titel sehr wichtig. Es handelt sich um einen Bezug auf das Gedicht Comin Thro‘ the Rye des schottischen Schriftstellers Robert Burns (1759–1796): „When/If a body meet a body coming through the rye“ („Trifft ein Jemand einen Jemand, der durch den Roggen gelaufen kommt“). Im Gespräch mit seiner Schwester interpretiert Holden das Gedicht falsch. Holden verbindet diese falsche Interpretation mit der Vorstellung, Kinder in einem Roggenfeld zu schĂĽtzen, indem er sie vor dem Sturz von einer Klippe bewahrt und somit vor dem Verlust ihrer Unschuld. Das Gedicht wird im Roman als Symbol fĂĽr Holdens Bestreben, die Unschuld der Jugend zu bewahren und sich gegen die als verlogen empfundene Erwachsenenwelt zu wehren, verwendet.
Comin‘ Thro‘ the Rye wurde erstmals 1782 veröffentlicht und ist eines seiner bekanntesten Werke. Das Gedicht handelt von einem zufälligen Treffen zwischen zwei Menschen im Roggenfeld („rye“), und es erkundet Themen wie Liebe, Sehnsucht und die Unausweichlichkeit der Veränderung.
Im Kontext von Burns‘ Gedicht könnte die im Roman relevante Zeile auf ein romantisches Treffen in einem Feld anspielen. Der Roggen stellt dabei metaphorisch das Leben und seine Herausforderungen dar. Das Gedicht reflektiert die Vergänglichkeit der Zeit und die FlĂĽchtigkeit menschlicher Begegnungen.
„Du kennst doch das Lied ›Wenn einer einen fängt, der durch den Roggen kommt‹. Ich wĂĽrde gern …“
„Das heißt ›Wenn einer einen trifft, der durch den Roggen kommt‹“, sagte die gute Phoebe. „Das ist ein Gedicht. Von Robert Burns.“
„Ich weiß, dass es ein Gedicht von Robert Burns ist.“
Aber sie hatte Recht. Es heißt tatsächlich „Wenn einer einen fängt, der durch den Roggen kommt‹“. Aber das wusste ich da nicht.
„Ich hab gedacht, es heiĂźt ›Wenn einer einen fängt‹“, sagte ich. „Jedenfalls stelle ich mir dabei immer lauter kleine Kinder vor, die in einem groĂźen Roggenfeld spielen und so. Tausende von kleinen Kindern, und niemand ist da – also kein GroĂźer –, nur ich. Und ich stehe am Rand eines verrĂĽckten Abgrunds. Und da muss ich alle fangen, bevor sie in den Abgrund fallen – also, wenn sie rennen und nicht aufpassen, wo sie hinlaufen, dann muss ich irgendwie rauskommen und sie fangen. Und das wĂĽrde ich den ganzen Tag lang machen. Ich wär einfach der Fänger im Roggen und so. Ich weiĂź, es ist verrĂĽckt, aber das ist das Einzige, das ich richtig gern wäre. Ich weiĂź, es ist verrĂĽckt.“
– Holden Caulfield
J. D. Salinger: Der Fänger im Roggen. Deutsch von Eike Schönfeld. 10. Auflage. Hamburg 2010, S. 220.
Eine kleine Zusammenfassung von Der Fänger im Roggen
Der Fänger im Roggen (Originaltitel: The Catcher in the Rye) von J.D. Salinger ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur, der erstmals 1951 veröffentlicht wurde. Die Geschichte wird aus der Perspektive des 16-jährigen Protagonisten, Holden Caulfield, erzählt. Nachdem er von einer Privatschule geflogen ist, streift Holden durch New York City und reflektiert über das Erwachsenwerden, die Gesellschaft und seine eigene Unsicherheit. Der Titel bezieht sich auf Holdens Wunsch, Kinder vor den vermeintlichen Grausamkeiten der Erwachsenenwelt zu schützen, indem er sie im symbolischen Roggenfeld fängt. Das Buch zeichnet sich durch seinen rebellischen Ton, seine ehrliche Darstellung der Jugend und die Suche nach Identität aus. Holden Caulfield wird oft als ikonischer literarischer Charakter betrachtet, der die Schwierigkeiten und Konflikte der Adoleszenz auf eindringliche Weise einfängt. Der Fänger im Roggen hat im Laufe der Jahre Generationen von Lesern beeinflusst und bleibt ein fesselndes Werk über die Herausforderungen des Erwachsenwerdens.
Wichtige Figuren in Salingers Der Fänger im Roggen
Holden Caulfield:
Holden ist der Hauptprotagonist des Romans und eine komplexe, widersprüchliche Figur. Sein Charakter ist von einer starken Abneigung gegenüber der erwachsenen Welt geprägt, die er als phony (unaufrichtig) empfindet. Sein rebellisches Verhalten, sein Zynismus und seine Unfähigkeit, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, machen ihn zu einer faszinierenden, wenn auch herausfordernden Hauptfigur.
Phoebe Caulfield:
Phoebe ist Holdens kleine Schwester und eine der wenigen Personen, zu denen er eine tiefe emotionale Verbindung hat. Sie verkörpert Unschuld und kindliche Weisheit. Phoebe ist ein Ruhepunkt in Holdens turbulentem Leben und spielt eine Schlüsselrolle bei seiner Suche nach Sinn und Identität.
Allie Caulfield:
Allie, Holdens verstorbener Bruder, hat einen tiefgreifenden Einfluss auf ihn. Holdens Liebe zu Allie ist stark und anhaltend. Allie starb früh an Leukämie, und Holdens Unfähigkeit, mit diesem Verlust umzugehen, ist ein zentrales Thema des Romans.
Mr. Antolini:
Mr. Antolini ist ein ehemaliger Lehrer von Holden und eine Art Mentorfigur. Er versucht Holden zu helfen, sich in der Welt zurechtzufinden, indem er ihm Ratschläge gibt. Seine Rolle im Roman wirft jedoch auch Fragen auf und trägt zur Ambivalenz bei, die Holden gegenüber Erwachsenen empfindet.
Jane Gallager:
Jane ist eine Freundin von Holden aus der Vergangenheit. Ihre Figur wird von Holden romantisiert, und ihre Beziehung bleibt unvollendet. Die Erinnerung an Jane repräsentiert für Holden eine Form von Unschuld und Echtheit in einer Welt, die er als korrupt empfindet.
Sunny:
Sunny ist eine junge Prostituierte, die Holden in einem Hotelzimmer aufsucht. Diese Begegnung wirft Fragen bezüglich der Sexualität, der Unschuld und der Verantwortung auf. Sunny dient als Spiegel für Holdens eigene Verwirrung und Unsicherheit.
Jede dieser Figuren trägt auf ihre Weise zur Entwicklung von Holden Caulfield und zur Gesamtbotschaft des Romans bei. Zusammen vermitteln sie ein facettenreiches Bild von Jugend, Verlust, Unschuld und der Suche nach Authentizität in einer als phony empfundenen Welt.
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