Jehona Kicaj ë: Murmeln als Symbol des Unsagbaren

Zuletzt bearbeitet am 15. Oktober 2025

Abstract: In der vorliegenden Analyse wird untersucht, wie Murmeln in Jehona Kicajs Roman ë vom privaten Spielzeug zur materiellen Archivierung von Gewalt transformiert werden. Sie fungieren als zentrales Symbol für das Unsagbare und den Verlust der Kindheit, indem sie stille Zeugnisse von Kriegsereignissen bewahren, die sprachlich kaum fassbar sind. Durch diese Verschiebung in einen forensischen Kontext fordert das Werk eine Neubewertung von Erinnerung, Identität und materieller Kultur. Die Murmeln vermitteln auf nonverbaler Ebene Erfahrungen von Gewalt und Verlust und eröffnen zugleich einen Raum für postkoloniale Perspektiven auf Erinnerung und narrative Repräsentation. Die Untersuchung verdeutlicht, dass Gegenstände nicht nur Träger persönlicher Erinnerung sind, sondern auch als Mittler zwischen Vergangenheit und Gegenwart fungieren, wodurch das Verhältnis zwischen materieller Kultur und kollektivem Gedächtnis kritisch reflektiert wird.


Im Debütroman ë von Jehona Kicaj tauchen Murmeln auf. Ob aus Glas oder Ton – diese kleinen runden Dinger werden im Allgemeinen in sämtlichen Kulturen meist mit Kindheit und Spielen assoziiert. Sie begleiten Kinder als Spielzeuge, als Sammelobjekte, als winzige Kostbarkeiten, die in Taschen klirren und in staubigen Sandmulden verschwinden. Murmeln besitzen demnach eine kulturelle Bedeutung, psychologische Verbindungen und je nach Kontext symbolische Bedeutungen.
 In ë stehen Murmeln aber nicht nur für die Kindheit – sie sind Manifestationen und Beweise von Gewalt und Zeugnisse des Todes.

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Jehona Kicaj: ë, Umschlaggestaltung: Eva Mutter (evamutter.com)

Mich interessiert neben der kontextuellen Bedeutung der Murmeln auch ihre mögliche Verbindung zum titelgebenden Vokal ëund damit zusammenhängende übergreifende Fragen: Welche Bedeutungen schreiben Autorinnen und Autoren den Murmeln zu? Wie werden sie zu Trägern von Erinnerung, Verlust, Gewalt – und wie verändern sie ihre Symbolik, wenn sie aus dem privaten Spielzeugkontext herausgerissen und in größere kulturelle oder politische Zusammenhänge gestellt werden?

Insofern lautet die dem Beitrag zugrundeliegende These: In Jehona Kicajs ë werden Murmeln aus ihrem ursprünglichen, privaten Spielkontext gelöst und zu materiellen Trägern von Erinnerung, Verlust und Gewalt – ihre Anwesenheit artikuliert die Brutalität des Krieges, pervertiert ihre eigentliche kulturelle sowie literarische Symbolik der Kindheit und fordert eine Neubewertung von Erinnerung, Identität und ethischer Verantwortung.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung von Jehona Kicajs ë

Die Ich-Erzählerin, Tochter kosovarischer Geflüchteter, wächst in Deutschland auf – fern vom Krieg, aber nie wirklich frei von ihm. Gewalt und Verluste bleiben spürbar: in Erinnerungen, in Ängsten, in den unausgesprochenen Fragen nach den Toten und Verschwundenen. Diese Erfahrungen haben sich in ihren Körper eingeschrieben, im Zähneknirschen, in Anspannung und Schweigen – einem immer präsenten Unbehagen und Unsicherheit.

Im Roman begleiten wir sie durch Kindheit, Jugend und Studium. Immer wieder tauchen Bruchstellen auf: das Fremdsein in Kindergarten und Schule, die Scham über Sprache und Herkunft, die Konfrontation mit Vorurteilen. Es geht also auch um die Suche nach der eigenen Identität oder um ihre Festigung. Gleichzeitig sucht die Ich-Erzählerin nach einem eigenen Ausdruck – in Videoaufnahmen, in Erzählungen aus Albanien, in den kleinen Zeichen der Sprache, die ein Stück Heimat bewahren, in Gleichgesinnten. Zugleich ringt sie mit der Frage, wie man von Trauma und Verlust sprechen kann, wenn die Worte fehlen oder unzureichend scheinen.

Der Roman zeigt Schmerz, Erinnerung und Sprache als Mittel, um das Unsagbare anzustimmen und dem eigenen Schweigen etwas entgegenzusetzen. Der titelgebende Buchstabe ë wird so zur Metapher: für das Überhörte, das Verlorene, das fast Unhörbare – und für den Versuch, diesem dennoch eine Stimme zu verleihen.

Zur Autorin Jehona Kicay

Jehona Kicaj wurde 1991 im Kosovo geboren und wuchs in Göttingen auf. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Hannover. Seit 2020 veröffentlicht sie wissenschaftliche und literarische Texte, ist Mitherausgeberin u.a. der Anthologie Und so blieb man eben für immer. Gastarbeiter:innen und ihre Kinder (2023) sowie der Zeitschrift Echo&Narziss. Mit ë legt sie ihren ersten Roman vor, der auch auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2025 steht.

Murmeln und ihre Rolle im Leben

Über Generationen, Jahrhunderte – wenn nicht gar Jahrtausende hinweg – waren Murmeln ein typisches Kinderspielzeug. Sie sind handlich, billig und spielbar. Sie tauchen in Kinderbüchern, Schulpausen-Erinnerungen und sogar in Filmen als Symbol für unschuldiges Spielen auf. Insofern besitzen Murmeln ein kognitives Potenzial, weil sie Erinnerungen und daran anknüpfende Emotionen aktivieren, etwa aus der eigenen Kindheit, von Pausenhofspielen und Freundschaften.

Damit einhergehen können auch eine Sammelleidenschaft für Dinge, Leichtigkeit des Spiels oder aber auch Wettbewerb beim Spielen mit Murmeln. All dies macht Murmeln in der kollektiven Vorstellung zu einem Synonym für Kindheit und das Spielen von Kindern.

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Pieter Bruegel der Ältere, Public domain, via Wikimedia Commons

Pieter Bruegels Die Kinderspiele von 1560

Ein passendes Beispiel ist das Gemälde Die Kinderspiele des flämischen Malers Pieter Bruegel des Älteren, entstanden um das Jahr 1560. Darauf sind 91 typische Kinderspiele aus den Niederlanden des 16. Jahrhunderts dargestellt – auch das Murmelspiel. „Auf Bruegels Bild sehen wir rechts oben eine Gruppe von Knaben vor einer Reihe flacher Kuhlen, in die Murmeln geworfen oder gerollt werden. Je nach Schwierigkeitsgrad wird jede Kuhle einen anderen Wert gehabt haben, und entsprechend hoch oder niedrig wird der Gewinn gewesen sein, Bruegel zeigt auch noch andere Arten des Murmel- und Kugelspiels. In der rechten oberen Bildmitte haben Kinder Kugeln zu einer kleinen Pyramide aufgeschichtet. Zwei Kinder sind dabei, mit Kugeln auf diese Stapel zu zielen. Komplizierter ist das Spiel zweier Knaben auf der linken oberen Bildhälfte: Mit einer gegen eine Mauer geworfenen Kugel mußte eine der davor liegenden getroffen werden.“[1]

Heute befindet sich das Werk im Kunsthistorischen Museum in Wien. Doch Kinder haben schon sehr viel früher mit Murmeln gespielt.

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Auschnitt Murmelspiel auf Pieter Bruegel der Ältere, Public domain, via Wikimedia Commons

Murmeln als zeitloses Kinderspielzeug

Ton, Porzellan, Steine, Nüsse, Glas – Murmeln sind eines der ältesten Spielzeuge der Menschheit und finden sich in Gräbern der Pharaonen, der Römer und Griechen und waren sicher auch schon in der Steinzeit beliebt.[2] Da Kinder für die Geschichtsschreibung keinen Stellenwert hatten, sind es gerade Funde von Spielzeugen wie Murmeln, die ein Licht auf die Welt der Kinder in der Antike und im Mittelalter werfen.[3] Bei Ausgrabungen finden sich kleine Kugeln aus rotem und hell gebranntem Ton überall. Man kann wohl annehmen, dass nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene mit ihnen spielten und dass sehr häufig. Daher erschien eine Beschreibung des Kugelspiels als sinnlos – jeder wusste, womit man spielte und um was sich handelte.[4]

Wenn etwas so geläufig ist, dass eine Beschreibung nicht relevant ist, dann kann man von einem kollektiv überlieferten Wissen ausgehen. Murmeln sind in nahezu allen Kulturen Synonyme für Kindheit. Jehona Kicaj zerschlägt diese universelle Symbolik. In ë werden Murmeln zu dem, was sie niemals sein sollten: Grabbeigaben und Erinnerungsrelikte ermordeter Kinder. Insofern stimmt die folgende Feststellung: „Dinge besitzen nicht nur einen praktisch-funktionalen Sach- oder Nutzwert, sondern sie haben auch eine Bedeutung – sie sind oft Zeichen und Medium.“[5]

Murmeln in der Literatur – Methodische Überlegungen

Ich werde im Folgenden weiter auf die signifikanten Passagen in Jehona Kicajs ë eingehen, die sich mit Murmeln beschäftigen und verschiedene Funktionen im literarischen Text ausarbeiten. Doch stellte mich dieses Vorhaben vor einige Überlegungen die methodische Vorgehensweise betreffend. So würde es beispielsweise zu kurz greifen, Murmeln einfach als metaphorisches Instrument zu benennen und sie im Kontext des Romangeschehens zu analysieren. Auch eine narratologische Analyse empfand ich hier als unpassend ebenso wie intertextuelle oder intermediale Zugänge. Naheliegender erschien daher ein Zugang über die Disziplin der Materiellen Kultur, denen laut Dorothee Kimmich als dem Feld der Dinge im Kontext aktueller Erinnerungstheorien spezielle Aufmerksamkeit gewidmet wird, insbesondere dort, „wo Objekte, Gegenstände oder Materialien als Anlass oder Auslöser für Erinnerungen dienen.“[6]

Materielle Kultur und Dingtheorie – Eine kleine Einführung

Die Material Culture Studies verstehen Dinge als kulturelle Bedeutungsträger, die in wechselseitiger Beziehung zu menschlicher Identität und Erinnerung stehen. Besonders in der Literatur fungieren Objekte nicht nur als Abbild realer Gegenstände, sondern als Träger von Erinnerung und kulturellem Gedächtnis – dies gilt umso mehr in Kontexten von Kriegstraumatisierung, wo materielle Zeugnisse oft das Einzige sind, was vom Leben der Toten übrigbleibt.[7] Dabei nähern sich viele wissenschaftliche Disziplinen den Material Culture Studies aus verschiedenen Perspektiven.[8]

Für mich besteht zwischen Dingen und Kultur eine Wechselbeziehung, die ich bereits am Beispiel der Murmel als kulturübergreifendes Kinderspielzeug angeschnitten habe. „In der Literatur sind Dinge – einerseits als kulturelle Hervorbringungen, andererseits als Gegebenheit der Natur sowie schließlich als Kombination aus beidem – allgegenwärtig. Die Dinge der Literatur – oder die Dinge in der Literatur – sind jedoch häufig anders verfasst als jene, mit denen sich die Kultur- und Sozialwissenschaften befassen, die die Materielle Kultur als Erkenntnisgrundlage oder zumindest als Teil davon betrachten.“[9] Dinge, seien sie real oder fiktional, besitzen eine besondere Position in der Literatur.[10] Denn oftmals besteht auch eine spezifische Verbindung zur Realität, existieren diese Dinge wirklich – wenn auch nicht in ihrer literarisch dargestellten Form – doch auf eine spiegelnde, ähnliche Art und Weise, die eine Wiedererkennung erlaubt.

Dinge, Erinnerungskultur und Identität

Des Weiteren erzeugen Dinge verschiedenartig Identität.[11] „Die Dinge des Menschen – Werkzeuge, persönliche Gegenstände, nützliche Dinge und ästhetische Objekte – sind auf unsichtbare Weise, doch elementar und existentiell an der Konstitution von Identität des einzelnen Menschen wie des Kollektivs beteiligt. Auf mehrfache Weise wird am Umgang mit den Dingen menschliche Identität aufgebaut und gestützt. Dabei bilden die Dinge eine Art Brücke zwischen dem Subjekt und der umgebenden Umwelt, ebenso wie zwischen dem einzelnen Menschen und der Kultur, in der der Mensch lebt.“[12] Insofern haben Dinge einen großen Anteil an der Sozialisierung von Kindern und an der Ausbildung der Identität an welche die Entwicklung des Urvertrauens, der Handlungsorientierung, des Selbstwertes und viele weitere relevante Aspekte geknüpft sind.[13] Doch was passiert, wenn eine Störung stattfindet?

„Menschen, die in der Kindheit massive Zerstörungen der materiellen Dingwelt, durch Krieg, Erdbeben oder durch andere Naturkatastrophen erlebten, sind auch als Erwachsene noch  sichtbar oder verborgen traumatisiert. Die Verlässlichkeit der Welt, die sich nicht nur in der Verlässlichkeit von Menschen, sondern gerade auch in der Beständigkeit der Dinge zeigt – die wir im normalen Gang der Dinge nicht in Frage stellen – wurde durch solche Erlebnisse empfindlich gestört, und diese Störung des Weltvertrauens bedarf besonderer Zuwendung und Bearbeitung, um eine volle Handlungsfähigkeit des Menschen wiederherzustellen.“[14]

Jehona Kicaj schwenkt in ë immer wieder zwischen der unsicheren Kriegsvergangenheit, Gewalt und Flucht sowie der Sicherheit in Friedenszeiten hin – und her, die jedoch von der inneren Instabilität durch den Verlust der Kindheit und die Suche nach einer stabilen Identität brüchig wirken.

Dinge, Sozialisation und Entwicklung

Und natürlich darf gerade beim Thema Murmeln die Arbeit des Schweizer Biologen und Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1896 – 1980) nicht vergessen werden.[15] Jean Piaget war ein bedeutender Wissenschaftler auf den Gebieten der Erkenntnistheorie und der Entwicklungspsychologie. Piaget machte das vermeintlich banale Kinderspielzeug zum Forschungsobjekt. Er zeigte: Kinder erlernen moralische Regeln durchs Murmelspiel. Dabei entwickeln sie nicht nur motorische Fähigkeiten, sondern auch Denkstrukturen – das Spiel mit Objekten formt ihre Identität.[16] „Piaget zeigte, dass mit dem Beobachten, Greifen und der Manipulation von ersten Spiel-Objekten sich nicht nur die Motorik, sondern auch das kindliche Denken entwickelt.“[17] Seine Erkenntnisse werden für die folgenden Betrachtungen zu Jehona Kicajs ë noch relevant, weil Murmeln dort Zeugnis ablegen über ihre Besitzer und damit als materielle Beweise für Gewalt dienen.

Der Titel „ë“ und seine Verbindung zu Murmeln als materielle Gegenstände

Diese Verbindung ist mehr als formal: Der Vokal ë und die Murmeln teilen eine strukturelle Ähnlichkeit, die sich funktional im Roman ë verschiedenartig wiederfindet. Für eine ausführliche Erläuterung möchte ich daher kurz auf den Buchstaben an sich eingehen, der im Albanischen ein Vokal ist, im Deutschen hingegen ein Diakritikum.

Im Albanischen ist der Vokal ë ein sogenannter Schwa-Laut. Der Schwa-Laut ist ein zentraler, unbetonter Vokal, der in vielen Sprachen vorkommt. Im Deutschen hört man ihn zum Beispiel im unbetonten „e“ von „Bäume“. ë ist die schriftliche Form des Schwa-Lauts im Albanischen. Er ist fast unsichtbar, aber entscheidend für die Aussprache, Betonung und sprachliche Bedeutung. Ausgesprochen wird er oft kaum oder gar nicht, aber er verändert die Betonung des vorhergehenden Vokals. Laut Theodor Granser and Sylvia Moosmüller zeigt das Schwa ein hohes Maß an Kontextabhängigkeit und eine enorme Variabilität.[18] Diese hohe Kontextsensitivität habe zu der Annahme geführt, dass das Schwa entweder ein Vokal ohne Ziel, ein Vokal mit aktiver Geste, die jedoch von der Geste des folgenden vollständigen Vokals überlagert werde, oder ein Vokal ist, der in Bezug auf die Zungenposition unterbestimmt sei.[19]

Am besten können es dann wie so oft die Figuren selbst erklären, wie der Dialog zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Freund Elias zeigt:

»Sag mal, warum schreibst du auf deinem Profil am Ende deines Namens eigentlich diesen Buchstaben? Er endet doch eigentlich auf ›a‹.«
Elias sitzt mir in der Straßenbahn gegenüber. Er hält in der einen Hand sein Handy, mit der anderen schützt er seine Augen vor dem hereinfallenden Sonnenlicht.
»Du meints das ›e‹ mit den zwei Punkten?«
Er nickt.
»Das ist schwierig zu erklären. Wenn man im Albanischen jemanden direkt anspricht, wechselt man von der bestimmten in die unbestimmte Form. Bei weiblichen Namen wird aus dem ›a‹ am Ende dann dieser Buchstabe.«
»Und wie wird der Buchstabe dann ausgesprochen?«, fragte er.
Ich überlege kurz, sage dann: »Gar nicht.«
»Er wird nicht ausgesprochen?«, fragt Elias verwirrt.
Ich lächele: »Auch wenn er nicht ausgesprochen wird, macht er etwas mit dem Wort. Die Betonung verändert sich: Wenn am Ende das ›e‹ mit zwei Punkten steht, wird der letzte vorausgehende Vokal betont und verlängert ausgesprochen. Es hat etwas Vertrautes, wenn mich jemand so ruft. Ich erkenne daran sofort, dass jemand auch Albanisch spricht.« […]
»Wie wird der Buchstabe denn ausgesprochen, wenn er nicht am Wortende steht?«, fragt er.
»Es entspricht einem abgedunkelten ›e‹, geht in Richtung ›ö‹, ähnlich wie das ›e‹ von ›Bäume‹.«
Er betrachtet aufmerksam meinen Mund, kneift die Augen zusammen und sagt: »Also vergleichbar mit dem Murmelvokal im Deutschen?«
»Murmelvokal?«, frage ich.
»Mit dem Schwa-Laut – nur dass der Laut im Deutschen keine eigene Buchstabenentsprechung hat.«
[…]
»Ich habe letztens etwas dazu gelesen«, sagt Elias und sieht wieder aus dem Fenster.
»Sag schon«, forderte ich ihn auf und stoße mit einem meiner Knie gegen seins.
»Das Wort ›Schwa‹ stammt aus dem Hebräischen«, sagt er und wendet sich zu mir: »Wenn ich es richtig verstanden habe, beschreibt es ein diakritisches Zeichen, das im heutigen Hebräisch oft entweder nur als ganz kurz betontes e oder gar nicht ausgesprochen wird – also eigentlich wie im Albanischen. Das Interessante ist: Die Benennung dieses Lautes als ›Schwa‹ ist ein sprachlicher Treppenwitz, denn das Wort ›Schwa‹ bezeichnet genau den Laut, der zwischen ›sch‹ und ›wa‹ noch auszusprechen wäre.«
(Jehona Kicaj: ë, Göttingen 2025, S. 165-167)

Diese Passage offenbart die poetische Dimension des Schweigens: Ein Zeichen, das nicht ausgesprochen wird, verändert dennoch alles. Genau diese Logik prägt auch die Murmeln im Roman.

ë als unsichtbares Zeichen und kultureller Bedeutungsträger

Wie der Buchstabe ë wird auch die Murmel zum Träger dessen, was nicht gesagt werden kann und hat dennoch eine spürbare Wirkung auf die Sprache und auf die Wahrnehmung. Obwohl der Laut selbst nicht ausgesprochen wird, verändert er die Betonung des vorhergehenden Vokals und signalisiert damit Vertrautheit und sprachliche Identität. Auf poetische Weise vermittelt der Text, dass etwas da ist, ohne ausgesprochen zu werden – eine Art „Unsagbarkeit“, die dennoch Struktur, Bedeutung und Emotion trägt. Insofern ist bereits ausgehend von dieser Definition eine Gemeinsamkeit mit der Murmel als materiellem Ding und Kindheitssymbol im kulturellen und historischen Kontext erkennbar. Diese Definition erweitert und transformiert sich im literarischen Kontext.

Die in der zitierten Textpassage dargestellte literarische Reflexion über den Schwa-Laut als „Murmelvokal“ und die Anspielung auf das hebräische Schwa zeigt, wie der Autorin das Zwischen-den-Zeilen-Liegende bewusstwird: die Diskrepanz zwischen Form und Laut, zwischen Zeichen und Wirkung. Elias’ Bemerkung, dass die Bezeichnung „Schwa“ selbst ein sprachlicher Treppenwitz[20] sei, unterstreicht die poetische Dimension: die Sprache enthält Bedeutungen, die erst durch Nachdenken oder Kontext erfahrbar werden.

Symbolik des Ungesagten in ë von Jehona Kicaj

So wird der Buchstabe ë nicht nur als phonologisches Element behandelt, sondern im Roman ë als literarisches Symbol für das Unsichtbare, das Präsente, aber Lautlose, das in der Kommunikation und im persönlichen Erleben der Ich-Erzählerin wirkt. Insofern ist ë das Zeichen des Nichtgesagten, das zugleich Identität und Nähe vermittelt.

Die aufgeführte Textpassage zur Erklärung stammt aus dem hinteren Teil des Romans. Daher finde ich es sehr interessant, dass der Vergleich mit dem „Murmellaut“ als Äquivalent zum erwähnten Schwa-Laut genannt wird. Nicht nur lässt sich der titelgebende Buchstabe ë mit der sprachlichen Tragweite verbinden, sondern das Wort „Murmel“ in Murmellaut erhält eine weitere Bedeutungsebene, ist das Spielzeug im Wort selbst enthalten. Denn es werden in ë immer wieder Murmeln im Zusammenhang mit Kindern erwähnt.

Ich möchte sagen: es gibt eine symbolische Verbindung zwischen Murmeln als Kinderspielzeuge, dem Murmellaut und den traumatischen Gewalttaten während des Kosovo-Kriegs. Die Murmeln bezeugen die erlebteGewalt und den Verlust der Kindheit indirekt sowie den Verlust der Zukunft und des Lebens. Sie sind alltägliche, greifbare Objekte, die gleichzeitig eine Geschichte erzählen, die nicht in Worte gefasst werden kann – ein klassisches Beispiel für das Unsagbare. Murmeln sind materielle Artefakte, die Trauma, Erinnerung und abwesende Stimmen repräsentieren, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.

Ähnlich wie der Buchstabe ë im Albanischen, die kaum ein Laut sind und dennoch im jeweiligen Kontext die Bedeutung verändern. Die Murmeln markieren etwas. Sie sind Marker für das, was präsent ist, aber unausgesprochen bleibt. Insofern kann man sie als kulturelle Artefakte des Unsagbaren betrachten, die Emotion, Erinnerung und Identität tragen, ohne explizit zu sprechen. Sie sind Indizien der Gewalt an Unschuldigen, die nicht mehr für sich selbst eintreten können.

Den Toten eine Stimme geben – mit Murmeln?!

Jehona Kicaj verbindet in ë die Murmeln als materielle Objekte und Beweismittel mit der Vorlesung einer forensischen Anthropologin, die sich mit Gewaltszenarien des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt und im Kosovo gearbeitet hat. In der Figur der Frau Dr. Joanna Korner erkenne ich ein figurales Element, das als Bindeglied zwischen dem Bereich der forensischen Anthropologie und damit der Auseinandersetzung mit den Gräbern und Toten des Kosovokrieges zur Thematik des Unsagbaren und damit der literarischen Auseinandersetzung dient.

Denn die Figur will „menschliche Überreste identifizieren und Beweise für Menschenrechtsverletzungen sammeln.“ (Jehona Kicaj: ë, S. 37) Sie will den „Toten eine Stimme geben. Diesen Menschen, die von ihrer eigenen Regierung endgültig zum Schweigen gebracht worden waren. All denen, die unsichtbar gemacht wurden, indem sie ermordet und in versteckten Massengräbern verscharrt wurden.“ (Jehona Kicaj: ë, S. 37)

Murmeln sind Kinderspielzeuge, die Tod und Zeit überdauern. Wenn sie bei archäologischen Ausgrabungen zeigen, dass Kinder auch im vermeintlich finsteren Mittelalter und der Antike mit Murmeln gespielt haben[21], dann wird das mit ihnen verbundene fröhliche Spiel in ë sowie die kollektive Symbolik ins Gegenteil verkehrt.

So etwa berichtet die Anthropologin Dr. Korner im Seminar, dass die Ich-Erzählerin besucht, von einem Fall, bei dem sie das Skelett eines etwa zwölfjährigen Jungen exhumierte:

»Bei der Ausgrabung habe ich Murmeln gefunden. Erst nur eine, die in der Erde über der Leiche lag. Sie war türkisfarben und trübe. Später, als ich das gesamte Skelett sorgfältig gesäubert hatte, entdeckte ich in der mit Erde gefüllten linken Hosentasche eine ganze Handvoll davon. [..] Ich musste an die kleinen Kinder denken, die ich Wochen zuvor in Prizren gesehen hatte. Sie saßen neben einem Fußballplatz auf der staubigen Straße und spielten mit Murmeln. Ich blieb stehen und beobachtet sie dabei, weil ich wissen wollte, nach welchen Spielregeln sie spielen – Regeln, die vielleicht von den Eltern oder von anderen Kindern an sie weitergegeben wurden. Sie waren so vertieft in das Murmelspiel, dass sie mich gar nicht bemerkten. Es war wunderbar, ihnen zuzusehen.« Zum ersten Mal stockt ihr Vortrag.

»Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Leichen ich ausgegraben habe. Aber dieser Fall hier blieb mit in Erinnerung, denn die paar Murmeln verrieten mir so viel über das Leben dieses Jungen. Sie verrieten mir mehr als alles andere.« (Jehona Kicaj: ë, S. 39)

Murmeln als Träger kontextueller Bedeutung

Die Markierung der Murmeln als Träger von Bedeutung wird über die Figur der Frau Dr. Korner deutlich, die mit einer unscheinbaren und lautlosen Anwesenheit den Kontext ausfüllt. Ähnlich wie der albanische Buchstabe ë, der als Schwa-Laut kaum ausgesprochen wird, aber dennoch die Betonung, Identität und Vertrautheit in der Sprache trägt, sind die Murmeln greifbare, alltägliche Objekte, die zugleich eine Geschichte erzählen, die nicht in Worte zu fassen ist.

Hier zeigt sich die brutale Perversion: Was Generationen lang Unschuld und Spiel bedeutete, wird zum Beweisstück für Kindermord. Die Murmeln liegen nicht mehr im Sandkasten – sie liegen in Hosentaschen von Leichen.

Die Erinnerung der Figur an die Beobachtung der Kinder beim Murmelspiel zeigt, wie Leben, Regeln und Kultur weitergegeben werden – und das oftmals indirekt ohne sprachliche Erklärungen. So ähnlich darf man sich möglicherweise die transgenerationale Weitergabe von Traumata vorstellen – gesprochen wird nicht, doch herrscht eine lautlose Übereinkunft der Übernahme. Doch diese unscheinbaren Zeichen, ob lautloser Buchstabe oder Murmel, bergen eine tiefe emotionale und historische Dimension. Im Kontext des Kosovo-Kriegs werden die Murmeln zu Zeugen des Unsagbaren: Sie erinnern an das fröhliche Leben der Kinder vor dem Krieg und durch den Fund bei der Leiche letztlich vom Verlust dieser unbeschwerten Kindheit, von der Gewalt und vom Tod.

Ausstellungen – Beweise der Gewalt festhalten

Das Fallbeispiel der Figur Dr. Korner aus Jehona Kicajs ë ist nicht die einzige Passage, die sich im Roman die Murmel als eindrucksvolles Objekt der Beweissicherung zu Nutze macht. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die reale Geschichte von Arbër Duriqi, einem 14-jährigen Jungen, der am 28. März 1999 zusammen mit seiner Familie von serbischen Truppen getötet wurde. Jehona Kicaj greift dieses Ereignis in ë auf, wenn die namenlose Ich-Erzählerin selbst diese Gedenkstätte besucht.

Wenige Tage später besuchte ich in Prishtina eine kurz zuvor eröffnete Ausstellung, die an die im Krieg ermordeten und verschollenen Kinder erinnerte. Shpresa hatte mir davon erzählt und mir gesagt, ich solle hingehen, obwohl sie selbst noch nie dagewesen war. Das Erste, was ich sah, als ich den Ausstellungsraum im Keller betrat, war eine lange Liste von Namen, die an eine Wand geschrieben waren. Ich trat näher heran. 1133 Namen. […]
Angrenzend befand sich ein heller, großer Raum, in dem etliche Objekte in Glaskästen ausgestellt wurden. Es waren die Habseligkeiten der ermordeten Kinder. […]
Vor einem dieser vielen gläsernen Kästen blieb ich lange stehen. Verteilt auf weißem Grund lagen farbige Glasmurmeln. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie Einschusslöcher.
Im Begleittext hieß es: »Arbër und seine Familie verließen das Dorf Obranqe und kamen in Podujevë im Haus der Familie Bogujevci unter. Am 28. März 1999 wurden sie von serbischen Streitkräften gewaltsam aus dem Haus geholt und in den Hof eines nahe gelegenen Hauses gebracht. Arbër wurde dort zusammen mit seiner Mutter, seinem Bruder und seinen beiden Schwestern sowie drei Kindern der Famili Bogujevci getötet. Insgesamt starben vierzehn Menschen. An diesem Tag hatte Arbër Murmeln in seinen Hosentaschen, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Ein paar Monate später fand sein Vater sie verstreut im Hof des Hauses.«
(Jehona Kicaj: ë, S. 51)

In Arbërs Tasche waren Murmeln, die später von seinem Vater auf dem Boden verstreut aufgefunden wurden. Diese Murmeln wurden später als Teil eines Denkmalprojekts für die verlorenen Kinder des Krieges in Pristina verwendet, von dem die Ich-Erzählerin in Kicajs Roman berichtet. Das Projekt wurde von Jugendlichen initiiert, die sich entschieden, die Namen der getöteten Kinder auf einer Wand zu verewigen.

Arbërs Murmeln wurden als Symbol für die Kindheit und das Leben verwendet, das durch den Krieg gewaltsam beendet wurde. Die Ausstellung mit der Wall of Names und Arbërs Murmeln existieren wirklich und der Raum sieht so aus wie in Jehona Kicajs ë beschrieben.[22]

Jedenfalls zeigt dieses Projekt, wie Murmeln zu kraftvollen Mahnmalen für das Leben und die Unschuld von Kindern werden können, die durch den Krieg zerstört wurden.

Die literarische Verbindung zur realen Historie

Jehona Kicajs verbindet in ë die reale Ausstellung mit der Erzählung. Die Murmeln in der Vitrine sind keine Spielzeuge mehr – sie sind Indizien des Todes, des Mordes. Farbige Glaskugeln auf weißem Grund, die aussehen wie Einschusslöcher. Diese visuelle Parallele ist keine Metapher: Sie ist die materielle Wahrheit des Krieges. Für Arbërs Vater werden die Murmeln weniger mit fröhlichem Spiel als mit Erinnerungen an den Sohn und die Familie verknüpft sein. Die Murmeln erzählen ihre Geschichte vom Ende der Kindheit durch Mord in der Ausstellung. Sie erzählen zum einen von der Kindheit Arbërs, einem Kind, das Murmeln besaß und sicher auch mit ihnen gespielt hat, alleine oder in Gemeinschaft. Sie erzählen aber auch von der Gewalt, weil sie verlassen und verstreut im Hof lagen, dem Ort der Ermordung.

Im Anne-Frank-Haus in Amsterdam befindet sich seit einigen Jahren Anne Franks Blechdose mit 161 Murmeln[23], die sie vor dem Gang in ihr Versteck im Jahr 1942 an das Nachbarsmädchen verschenkte, um sie aufzubewahren. Erst 2014 wurden die Murmeln mit Blechdose der Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam zur Verfügung gestellt.[24] Auch bei Anne Frank symbolisieren Murmeln die unbeschwerte Kindheit und die kleinen Freuden des Alltags, die durch Verfolgung und Krieg jäh unterbrochen wurden.

Diese Murmeln sind erhalten geblieben und wie auch die Murmeln Arbërs ein materielles Zeugnis der verlorenen Unbeschwertheit und der frühkindlichen Freude, die Anne Frank hinter sich lassen musste. Zugleich stehen sie aber auch für die Gewalt und Gräueltaten des Nationalsozialismus und sind daher abgespalten von ihrer ursprünglichen kollektiven Symbolik. Dabei sind gerade in der Entwicklungspsychologie Murmeln mit dem Erwerb von Moral und Regeln verbunden. Piagets Beobachtungen wurden bereits erwähnt – doch ihre volle Bedeutung für Kicajs Roman zeigt sich erst jetzt, wenn man versteht, wie radikal der Krieg die zivilisatorische Funktion des Murmelspiels zerstört.

Das Murmelspiel und der Erwerb demokratischer Regeln als Träger von Zivilisation

Diese Beobachtung bringt mich zurück zu Jean Piaget. Er beobachtete in den 1930er Jahren systematisch, wie Kinder Murmeln spielten, und befragte sie über die Spielregeln. Dabei interessierte ihn weniger das Spiel selbst, sondern wie Kinder Regeln verstehen und anwenden – was ihm Aufschluss über ihre moralische Entwicklung gab. Das Murmelspiel war für Piaget ideal, da es in einem natürlichen Setting stattfand, komplexe Regeln bot, die Kinder untereinander aushandelten, und zeigte, wie soziale Interaktion die moralische Entwicklung fördert, wodurch diese Arbeit grundlegend für die Entwicklungspsychologie wurde und später auch Lawrence Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung beeinflusste.

„Indem das Kind die Regeln verändert, d. h. indem es selbst Gesetzgeber und höchste Autorität in dieser Demokratie wird – um das 10. und 11. Jahr – die auf die vorangegangene Gerontokratie folgt, wird sich das Kind der Daseinsberechtigung der Gesetze bewußt. Die Regel wird ihm zur notwendigen Bedingung der Verständigung. „Um sich nicht zu zanken“, sagt Roß, „muß man Regeln nehmen und dann muß man spielen, wie es sich gehört. Man muß sich daran halten.“[25]

Für seine Studien sah er den Kindern beim Murmelspielen zu und fragte dann einzelne Probanden, „was sie dürfen und was sie nicht dürfen, und warum sie sich wie verhalten.“[26]

Piaget interessierte sich nicht für die Materialität der Murmeln und auch nicht für das Murmelspiel an sich. „Die Regeln des Murmelspiels werden genauso wie die sogenannten moralischen Realitäten von Generation zu Generation überliefert und verdanken ihr Fortbestehen lediglich ihrer Beachtung durch die Individuen. Der einzige Unterschied ist, dass es sich hier um Beziehungen der Kinder untereinander handelt. Die Kleinen, die erst zu spielen anfangen, werden von den Großen allmählich dazu erzogen, die Gesetze zu respektieren, und überdies neigen sie mit ganzem Herzen zu jener für die Menschenwürde besonders kennzeichnenden Tugend, welche darin besteht, Spielregeln genau zu befolgen. Die Großen haben es in ihrer Macht, die Regeln zu ändern.“[27] Es ist insofern eine politische Dimension erkennbar, die Kinder zu Spielobjekten der Erwachsenen macht, die Kriege führen und dabei zivilisatorische Spielregeln außer Kraft heben.

Spielen als Spiel des Lebens und Erwerb moralischer Fähigkeiten

Ich möchte in diesem Beitrag auch nicht weiter auf Piagets Erkenntnisse zur Entwicklungspsychologie eingehen, sondern elementare Aspekte seiner Forschung mit der Bedeutung der Murmeln als materielle Objekte und Symbolträger aus Jehona Kicajs ë verbinden. Die erwähnte Perversion dieser den Murmeln innewohnenden Bedeutung wird nämlich einerseits durch Piagets Ausführungen unterstrichen, zum anderen eben pervertiert.

Es werden beim Murmelspiel Regeln erworben, die ungesagt weitergegeben werden, weil sie sich aufgrund von Wiederholung durch das Spiel an sich einverleibt worden sind. Ganz abstrakt formuliert könnte man auch sagen, dass die Regeln im Kleinen erworben werden und übertragbar sind auf das gesellschaftliche große Ganze. Doch sind diese Regeln im Krieg nichtig und sinnlos. Alles, was erworben wurde, gilt nicht mehr – wie die Regeln. Kinder beispielsweise sind nicht für Kriege verantwortlich und obwohl sie nicht in staatliche Feindschaften oder kriegerische Auseinandersetzungen involviert sind, zählen sie doch zu den Opfern. Ihnen wird Gewalt angetan und sie werden grundlos und ohne Schuld getötet – wie der Junge aus dem Fall der forensischen Anthropologin aus Jehona Kicajs Roman ë.

Im Prinzip fungieren Murmeln aber auch wie Spielsteine beim Schach, die von den Spielern, den Kindern positioniert werden können und selbst keine Interessen haben. Aus dieser Perspektive betrachtet sind Kinder selbst wie Murmeln, die sich werfen, rollen und ergreifen lassen, weil sie Objekte im Spiel der Erwachsenen sind. Dem entgegengesetzt sind Murmeln aber neben ihrer Rolle als Spielzeug auch Gefährten, an die Erinnerungen und tröstliche Erinnerungen geknüpft sind wie beispielsweise an Teddybären oder Fotos.

Bewahren, was wirklich wichtig ist

Was vergräbt man vor der Flucht? Die Ich-Erzählerin besucht ihre Tante Svedije und ihren ein Jahr älteren Cousin Shpëtim im Kosovo. Sie entdeckt dort alte Fotos und spricht ihre Tante darauf an, die sich anhand der Fotos erinnert und von der Flucht zu erzählen beginnt. Vor der Flucht lief sie noch einmal ins Haus, um die Fotos zu holen und sie in einer Plastiktüte zusammen mit dem Goldschmuck im Garten zu vergraben. (Jehona Kicaj: ë, S. 42).

Ein Kind definiert Wert anders als Erwachsene. Auf die Nachfrage des Cousins Shpëtim, was sie mache, antwortet Svedije: „Ich vergrabe etwas, das mir wichtig ist“ (Jehona Kicaj: ë, S. 42), sei dieser ins Haus zurückgerannt und mit einer handvoll Glasmurmeln zurückgekommen, die er ebenfalls im Garten vergrub und so schützen konnte. »Alles, was wir besaßen ist verbrannt, aber Shpëtims Murmeln blieben unversehrt.« (Jehona Kicaj: ë, S. 42)

Was für Erwachsene wichtig ist – Fotos als Erinnerungsträger, Gold als materieller Wert – definiert ein Kind anders. Shpëtim rettet seine Murmeln. Diese Geste ist nicht naiv, sondern existenziell: Die Murmeln sind das Einzige, was von seiner Kindheit vor dem Krieg übrigbleibt. Sie werden zu materiellen Zeugen einer Lebensphase, die der Krieg auslöschen wollte – und überleben, wo alles andere verbrennt.

Fotos und Goldschmuck auf der einen Seite, Glasmurmeln auf der anderen – die Gegenstände, die als bewahrenswert erachtet wurden, offenbaren unterschiedliche Wertsysteme. Während die Erwachsenen Erinnerung und materiellen Wert sichern, rettet das Kind seine Spielzeuge. Doch diese Murmeln sind mehr als Spielzeug: Sie sind stellvertretend für die Kindheit selbst zu verstehen, als materielle Überlebende des Krieges, behaftet mit Erinnerungen an glücklichere Zeiten, in denen sie der Leichtigkeit und dem Frohsinn dienten.

Dann besitzen sie eine besondere symbolische Schwere: Sie markieren Übergänge, Verluste, Erinnerungen, sind nach dem Ausgraben Überlebende des Krieges und verbunden mit Erinnerungen an glücklichere Zeiten, in denen sie als Spielzeuge dienten. In der Literaturgeschichte sind Murmeln bereits mit dem gewaltsamen Ende der Kindheit verbunden.

Materielle Kultur und Anthropologie des Unsagbaren

Die Figur der forensischen Anthropologin Dr. Korner erklärt im Seminar, das die Ich-Erzählerin besucht: »Zähne sind stumme Zeugen. Es ist für mich nach wie vor beeindruckend, wie die forensische Zahnmedizin es schafft, sie zu entziffern und die Ergebnisse zu nutzen, um wiederum das Leben und die Identität von Menschen zu rekonstruieren.« (Jehona Kicaj: ë, S. 131) Genauso funktionieren die Murmeln in ë. Sie sind, wie Zähne, materielle Archive der Identität.

Hartmut Böhme leitet seinen Beitrag zur Anthropologie der Zähne folgend ein: „Dem Aufsatz liegt die These zugrunde, dass immer dann, wenn wir es mit dem Mundraum und den Zähnen zu tun haben, uns zugleich mit den physiologischen Gegebenheiten, Funktionen und Prozessen ein komplexes Ensemble von Bedeutungen, Gefühlen, Ausdruck und Erleben begegnet. Es begegnet uns aber auch eine Tiefenzeit, weil die heutige Formation des Oralen das evolutionäre Ergebnis eines Jahrmillionen langen Bildungsprozesses darstellt […]. Und seit der Steinzeit wird der Mundraum immer stärker kulturell angeeignet, kultisch, kosmetisch, magisch, symbolisch, viel später auch anatomisch, medizinisch und noch später psychologisch.“[28] Es leuchtet demnach ein, dass anhand der Zähne als Überreste des menschlichen Körpers die Identität zurückverfolgt werden kann und zudem die Zähne bereits zu Lebzeiten viel zur eigenen Identität und ihrer Bewahrung beitragen. „Das kleine Kind spürt die aktive Energie, die in seinen aggressionsfähigen Zähnen sitzt: eine mächtige Kraft unserer selbst.“[29]

Der individuelle Biss und die Persönlichkeit des Menschen

Der Zahnarzt Dr. Ludwig sagt der Ich-Erzählerin: »Jeder gute Biss ist etwas Individuelles […] ist jeder Biss mit der Persönlichkeit eines Menschen verknüpft.« (Jehona Kicaj: ë, S. 46) Das gleiche gilt für Murmeln: Sie tragen die Persönlichkeit ihrer Besitzer – nicht durch Form, sondern durch ihre Geschichte, den kognitiv-subjektiven Wert den ihre Besitzer an ihnen haben. Arbërs Murmeln in der Ausstellung erzählen von ihm als Kind, das sie besaß, von seinen Spielen, seinen Gewohnheiten, seinem Leben vor dem Tod. Die Zähne eines unbekannten Jungen im Massengrab erzählen Dr. Korner von Alter, Ernährung, Herkunft – sie rekonstruieren ein Leben, das keine anderen Zeugen hat.

In der Materiellen Kultur-Forschung werden Objekte als Träger von Erinnerung, Identität und kulturellem Wissen verstanden. Zähne und Murmeln folgen diesem Prinzip: Sie sind nicht symbolisch, sondern materiell. Sie lassen sich nicht leugnen, nicht reinterpretieren, nicht vergessen. Sie sind körperlich vorhanden – und genau diese physische Präsenz macht sie zu unauslöschlichen Zeugen dort, wo Sprache versagt oder gar verboten ist.

Dies ist besonders im Kontext von Kriegstraumatisierung relevant. Wenn Menschen ermordet und in Massengräbern verscharrt werden, wenn ihre Namen gelöscht, die Identität zerstört und ihre Taten unsichtbar gemacht werden sollen, werden materielle Objekte zu den letzten Zeugen. Sie sprechen für die Toten. Die Figur Dr. Korner arbeitet daran, den Toten – durch ihre Zähne – eine Stimme zu geben. Kicaj zeigt in ë, dass Murmeln die gleiche forensische und humanitäre Funktion erfüllen: Sie sind Beweise, sie sind Erinnerungen und teilweise stehen sie für die Namen ihrer Besitzer.

Zähne und Murmeln sind somit mehr als Metapher. Sie sind materielle Strategien der Erinnerung in Kontexten, in denen institutionelle Erinnerung zerstört wurde. Sie sind das, was bleibt, wenn alles andere verbrennt – kleine, harte, unvergängliche Archive der Identität derer, die zum Schweigen gebracht wurden.

Die verlorene Kindheit – Murmeln als Bombendetektoren

Murmeln tauchen in Jehona Kicajs ë noch einmal in einem anderen Kontext auf – hier erkennt man wieder die Verbindung zum Buchstaben ë und seiner kontextuellen Abhängigkeit.

Ich erinnere mich heute noch genau, wie ich gelernt habe, was Minen sind. Mit Flaka, Blerta und ein paar anderen Kindern aus dem Dorf waren wir in den Sommerferien oft Kühe hüten. Wir trieben den ganzen Tag die Herde vor uns her, alberten herum, kletterten auf Bäume, pflückten Himbeeren und wuschen sie in den kleinen Bächen, bevor wir sie aßen.
Als sich einmal eine Kuh in Richtung eines angrenzenden Waldes entfernte, sammelte Flaka eine Handvoll Kieselsteine und warf sie auf die Erde vor sich, als wären es Murmeln. Ich frage sie nach dem Grund, und sie antwortete; »Die Erwachsenen sagen, wir sollen nicht an Orte gehen, die wir nicht gut kennen, hier könnten überall Minen sein. Bevor ich der Kuh nachgehe, werfe ich lieber Steine, damit die Minen vorher explodieren.« Ich beobachtete, wie geübt sie die Steine warf, erinnere mich, wie angespannt ich ihren Aufprall verfolgte. (Jehona Kicaj: ë, S. 165)

Während Jean Piaget in den 1930er Jahren zeigte, dass Kinder durch das Murmelspiel moralische Regeln und demokratische Prinzipien erwerben, stellt Jehona Kicaj in ë eine andere Art des Lernens dar: Im Kosovo müssen Kinder nicht moralische Regeln, sondern Überlebensregeln erlernen. Als Flaka Steine wie Murmeln wirft, um Minen aufzuspüren, hat das kindliche Spiel aufgehört – es ist zur Notwendigkeit geworden. Der spielerische Murmelwurf wird zum präventiven Akt der Selbstverteidigung. Kinder erwerben hier nicht die Tugend der Regelbeachtung, sondern die brutale Kompetenz des Überlebens. Das Murmelspiel verliert seine zivilisatorische Dimension und wird zum Werkzeug der Zerstörung, die Kinder selbst herbeiführen müssen, um nicht zerstört zu werden. Murmeln sind in Jehona Kicajs ë kontextabhängig wie der Buchstabe ë selbst. Ihre Bedeutung variiert je nachdem, in welcher Situation sie erscheinen: als Spielzeug der Unschuld, als Beweis der Gewalt, als Zeugen der Toten – und schließlich als Werkzeuge des Überlebens.

Im Murmelspiel bei Piaget lernen Kinder Moral; im Kosovo lernen sie, Steine zu werfen, um nicht zu sterben. Die Regeln ändern sich, die Unschuld ist vorbei. Und doch bleibt die Murmel, wie der Buchstabe ë, ein stilles Zeichen. Sie transformiert sich von Spielzeug zu Überlebensinstrument, von Frohsinn zu Angst – aber ihre Kraft, etwas Unsagbares auszudrücken, bleibt bestehen.

Diese Transformationen verlangen nach einem theoretischen Konzept, das die Instabilität von Dingbedeutungen erfassen kann. Der Begriff des „biographischen Objekts“ der Kultur- und Sozialanthropologin Julia Sonnleitner bietet hier einen Zugang – allerdings einen, den Kicaj radikal modifiziert.

Biographische Objekte: Definition und Differenzierung

Julia Sonnleitner knüpft an Kopytoffs Konzept der „kulturellen Biografie von Dingen[30] an, das davon ausgeht, dass Objekte eigene Lebensgeschichten haben.[31] My central argument is that things become biographic objects because they afford agency. The objects discussed in this paper (and this is also true for all other objects that appeared in my research) became biographic objects not simply because they symbolise something that remains stable but because they are involved in social action. In other words, what they are is what they do at different points in time.[32] Sie bezieht sich mit dem Begriff „biographische Objekte“ auf die Forschung der Anthropologin Janet Hoskins, nach der biographische Objekte materielle Gegenstände sind, die als Träger von Lebenserzählungen fungieren.[33] Hoskins beobachtete in ihrer Feldforschung, dass Lebenserfahrungen nur im Zusammenhang mit persönlichen Objekten erzählt wurden – diese Gegenstände wurden zur Grundlage biographischer Narrative. Diese Biografien sind jedoch – so die neuere Kritik – nicht linear oder stabil, sondern bruchstückhaft, unvorhersehbar und sozial wandelbar.[34] Kriege und Fluchtprozesse radikalisieren dieses Prinzip: Die Vernichtung materieller Kultur führt dazu, dass die wenigen überlebenden Gegenstände zu besonders bedeutungsvollen Trägern von Erinnerung und Identität werden.

In ihrem Forschungsprojekt (Language in Motion, 2020–2023) untersucht Sonnleitner solche überlebenden Objekte von Menschen, die als Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien geflohen sind.
Diese Gegenstände – etwa Briefe oder Kindheitssouvenirs – dienten in Interviews als materielle Ausgangspunkte für biografische Erzählungen.[35]

Die Instabilität kultureller Materialität – Murmeln als biographische Objekte

Sonnleitner präzisiert diesen Begriff durch das Konzept der Affordances: Biographische Objekte entstehen nicht durch ihre bloße Existenz, sondern durch das, was sie in spezifischen sozialen und historischen Momenten ermöglichen und bewirken. Das biographische Subjekt und das biographische Objekt konstituieren sich gegenseitig in ihrer sozialen Aktion. Bei Sonnleitner werden biographische Objekte wie Briefe oder Babyschuhe zu Medien der Lebenserzählung noch Lebender – sie ermöglichen Überlebenden, ihre eigene Geschichte zu erzählen.[36]

In Jehona Kicajs ë funktioniert dieses Modell hingegen grundlegend anders: Die Murmeln werden zwar zu biographischen Objekten, allerdings sprechen sie für oder anstatt der Toten, weil diese nicht für sich selbst sprechen können. Während Sonnleitners Objekte Überlebenden helfen, ihre Identität zu bewahren, werden Kicajs Murmeln zu testimonial objects – zu dem, was die Literaturwissenschaftlerin Marianne Hirsch beschreibt: „Such ‘testimonial objects’ carry memory traces from the past, to be sure, but they also embody the very pro cess of its transmission.“[37] Es handelt sich also bei den Testimonial Objects um Objekte, die nicht nur Gedächtnisspuren aus der Vergangenheit tragen, sondern den Prozess ihrer Weitergabe selbst verkörpern. In Jehona Kicajs ë bewahren die Murmeln für nachfolgende Generationen die Stimmen derer, die zum Schweigen gebracht wurden bzw. bezeugen die Gewalt. Objekte, die nicht nur Gedächtnisspuren aus der Vergangenheit tragen, sondern den Prozess ihrer Weitergabe selbst verkörpern. „But in holding this testimonial object from Vapniarka in the palm of a hand, and reading its images with an insistent gaze, we can do even more. We can remember those who created and crafted its contents, and we can highlight and try to further transmit their courage, their resilience, and their collaborative determination.“[38]

Solche Objekte fordern uns als Betrachter:innen dazu auf, die Courage und Resilienz derer zu bewahren und weiterzutragen, die sie erschaffen haben – und damit eine ethische Verantwortung gegenüber den Toten zu übernehmen.

Die indirekte Funktion der Murmeln in Jehona Kicajs ë

Übertragen auf Arbërs Murmeln in der Ausstellung könnte man somit behaupten, sie seien nicht Ausdruck seiner eigenen Erzählung, weil er tot ist. Sondern sie sind materielle Archive einer ausgelöschten Kindheit, forensische Beweise, die posthum auf einer allgemeineren Ebene Gerechtigkeit sprechen. Das ist genau die Arbeit der Figur der forensischen Anthropologin Dr. Korner Jehone Kicajsë, wenn sie ihre Motivation für den Beruf erklärt: »Es geht mir darum. Geschehenes aus dem Vergessen zu heben. Das hat mich immer angetrieben.« (Jehona Kicajs ë, S. 37)

Und in diesem Sinne sind Murmeln wie auch andere Objekte, die in Momenten der kollektiven Gewalterfahrungen überleben, materielle Archive einer ausgelöschten Kindheit, forensische Beweise, die posthum Sichtbarkeit für die Verstorbenen erwirken können, um Ungerechtigkeiten und verschwiegene Gewalttaten in all ihrer Drastik darzustellen.

Doch gerade in diesem Kontext der Murmeln als materielle Zeugen von Krieg, Vertreibung und Gewalt darf die ursprüngliche kulturelle Symbolik der Murmeln, wie sie in vielen literarischen Werken vorhanden ist, nicht vergessen werden, weil es gerade der in Jehona Kicajs ë dargestellte Bruch mit diesem Ursprung ist, der für mich von Interesse ist.

Murmeln als Schwellensymbole im literarischen Kontext

J. M. Barrie und Murmeln als autobiographische Zeugnisse der Kindheit

Im Film Hook (1991), der filmischen Weitererzählung des ewigen Jungen Peter Pan des Autors J. M. Barrie, dienen die Murmeln als Symbol für verlorene Kindheitserinnerungen – sie stehen für das kindliche Staunen und die Fantasie, die Erwachsene wiederfinden müssen. In Barries Buchvorlage finden sich keine Murmeln, doch erwähnte er selbst sie in seinen Tagebuchnotizen im Zusammenhang mit dem Erwachsenwerden: „Grow up & have to give up marbles – awful thought“[39]. Auch in dem Margaret Ogilvy – einer Hommage an seine Mutter, die nach dem Tod einer ihrer Söhne in eine tiefe Trauer fiel. werden Murmeln erwähnt: „The horror of my boyhood was that I knew a time would come when I also must give up the games, and how it was to be done I saw not (this agony still returns to me in dreams, when I catch myself playing marbles, and look on with cold displeasure) I; felt that I must continue playing in secret […]“[40] Das Stück basiert also auf Barries  Erinnerungen an seine Mutter: eine zärtliche, teils melancholische Erzählung über Kindheit, Verlust und die Frau, die seine Vorstellungskraft geformt hat.

Doch während Barrie mit der Aufgabe der Murmeln eine existenzielle, metaphorische Gewalt meinte, überträgt Kicaj diese Symbolik in einen Kontext, in dem die Gewalt real und tödlich ist.

Ich besitze auch noch die Murmeln aus meiner Kindheit.

Mark Twains Tom Sawyer und der Wert der Murmeln

Es gibt noch ein weiteres Werk, in dem Murmeln eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Kindheit spielen: In Mark Twains Roman The Adventures of Tom Sawyer (1876) geht es um den Jungen Tom Sawyer, der im 19. Jahrhundert am Mississippi aufwächst, Abenteuer erlebt, Regeln bricht und zwischen kindlicher Fantasie und moralischem Lernen hin- und hergerissen ist. Der Roman zeigt Kindheit als Zeit der Freiheit, Neugier und Entdeckung, aber auch als Phase, in der man lernt, Verantwortung zu übernehmen. Er verbindet also das spielerische, rebellische Kindsein mit dem Erwachsenwerden – ein zentrales Thema, das Twain mit Humor und gesellschaftlicher Beobachtung darstellt.

In Mark Twains The Adventures of Tom Sawyer stehen Murmeln sinnbildlich für die Welt der Kindheit. Sie verkörpern das Spielerische, die Gemeinschaft unter Jungen und das Aushandeln von Regeln, das soziales Lernen ermöglicht (eine Dynamik, die Piaget später systematisch untersuchte). Als Tauschobjekte besitzen sie zugleich einen eigenen Wert und spiegeln die kindliche Vorstellung von Besitz und Gerechtigkeit. Wenn Tom seine Murmeln weglegt oder eintauscht, markiert das den Übergang vom unbeschwerten Spiel zur wachsenden Verantwortung – und damit das allmähliche Ende der Kindheit.

Beispielsweise hat Tom Murmeln in seinen Taschen dabei: „He began to think of the fun he had planned for this day, and his sorrows multiplied. Soon the free boys would come tripping along on all sorts of delicious expeditions, and they would make a world of fun of him for having to work—the very thought of it burnt him like fire. He got out his worldly wealth and examined it—bits of toys, marbles and trash; enough to buy an exchange of work, maybe, but not enough to buy so much as half an hour of pure freedom.“[41]

Die Murmeln werden letztlich vom Erzähler als „weltlicher Besitz“ beschrieben und explizit neben Spielzeug und Kleinigkeiten genannt, sogar als etwas betrachtet, mit dem man Tauschen kann, also Wert gegen Wert setzen. Diese individuelle Wertigkeit der Murmeln erinnert wieder an den Cousin der Ich-Erzählerin, der vor der Flucht die Murmeln im Garten vergräbt, weil sie seinen wichtigsten Besitz darstellen.

Und auch in Mark Twains Klassiker ist in den Murmeln zwar der Schwellencharakter angelegt, der den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter markiert. In Jehona Kicajs ë stehen die Murmeln für die Gewalt, die den Kindern widerfahren ist – sie gehen nicht ins Erwachsenenalter über, weil sie im Krieg getötet werden. Insofern wird die in den Murmeln übertragene Symbol ad absurdum geführt und auf eine neue Ebene entführt, die neben den an das Objekt geknüpften kollektiven Aspekte und Rollen auch traumatische Bedingungen enthält. Die Murmeln sprechen, wo Worte fehlen.

Fazit: Murmeln als materielle Zeugen des Unsagbaren

Die vorliegende Analyse hat gezeigt, dass Jehona Kicaj in ihrem Roman ë Murmeln aus ihrer kulturellen Funktion als Kinderspielzeuge herauslöst und sie zu materiellen Zeugen von Trauma, Gewalt und Erinnerung umfunktioniert. Dies geschieht auf mehreren analytischen Ebenen:

Erstens operiert Kicaj innerhalb einer etablierten literarischen Tradition, in der Murmeln das erzwungene Ende der Kindheit symbolisieren – wie bei J. M. Barrie und Mark Twain. Sie pervertiert diese Symbolik jedoch radikal: Während die literarische Tradition vom metaphorischen Verlust der Unschuld spricht, konfrontiert Kicaj ihre Leserschaft mit der physischen Auslöschung von Kindheit durch Kriegsgewalt.

Zweitens zeigt die Analyse, dass Murmeln in Jehona Kicajs ë kontextabhängig funktionieren – ähnlich dem Buchstaben ë, der seine Bedeutung aus der Abwesenheit von Laut bezieht. Je nach narrativem Kontext transformieren sich Murmeln von Spielzeugen zu Überlebensinstrumenten, von Erinnerungsobjekten zu forensischen Beweisen. Diese Kontextabhängigkeit macht sie zu idealen Trägern des Unsagbaren: Sie sprechen, ohne zu sprechen; sie bezeugen, ohne auszusagen.

Drittens belegt die Studie, dass materielle Objekte – wie Zähne in der forensischen Zahnmedizin oder Murmeln in den Gräbern des Kosovo – als unauslöschliche Archive von Identität fungieren. Sie rekonstruieren Leben und ermöglichen es, den Toten eine Stimme zu geben. In diesem Sinne werden Murmeln zu dem, was die Figur der forensischen Anthropologin Dr. Korner im Jehona Kicajs ë benennt: stumme Zeugen, deren Stille lauter spricht als jedes Wort.

Viertens zeigt sich, dass Kicaj die theoretischen Rahmenbedingungen der Materiellen Kultur und der Erinnerungsstudien literarisch umsetzt. Dinge sind nicht bloß symbolisch; sie sind materielle Träger des kulturellen und persönlichen Gedächtnisses. Dies ist besonders für post-traumatische Kontexte relevant, in denen Sprache versagt und nur die physische Präsenz von Objekten die Existenz von Leid bezeugt.

Abschließend

Letztlich offenbart die Analyse, dass Murmeln in Jehona Kicajs ë zu kulturellen Artefakten des Unsagbaren werden – Objekte, die das verkörpern, was nicht in Sprache gefasst werden kann: das Trauma der Diaspora, der Kriegsgewalt, des Verlusts von Heimat und Identität. Sie sind, wie der Buchstabe ë, Marker für das Präsente-Abwesende, für das Bedeutungsvolle-Lautlose. In ihrer schlichten Materialität tragen sie mehr Gewicht als jede Narration: Sie sind Beweise dort, wo es keine Worte gibt; sie sind Stimmen dort, wo Schweigen aufgezwungen wurde.

Jehona Kicajs Roman ë leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur literarischen Auseinandersetzung mit Kriegstraumatisierung und zur kritischen Reflexion darüber, wie Erinnerung und Identität in Kontexten von Gewalt neu konstituiert werden – nicht durch Sprache allein, sondern wegen der unwiderlegbaren Präsenz von Dingen.

Verwendete Literatur

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Kunstobjekte

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[1] Falk, Alfred: „… ein höltzins rößlin, daß zoch ich an eim faden vor der thür.“ Spielzeug und Spielen im Mittelalter. In: „Daz kint spilete und was fro.“ Spielen vom Mittelalter bis heute. Herausgegeben für die Hansestadt Lübeck von Manfred Gläser. Lübeck 1995, S. 24-53, hier S. 41-42. [2] Bilstein, Johannes: Murmeln. In: figurationen. 5. Jg. 2004. S. 11-22, S. 14. [3] Falk: „… ein höltzins rößlin, daß zoch ich an eim faden vor der thür.“, S. 24. [4] Ebd., S. 41. [5] Hahn, Hans Peter/Eggert, Manfred K. H./ Samida, Stefanie: Einleitung: Materielle Kultur in den Kultur- und Sozialwissenschaften. In: Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Hg. von Stefanie Samida, Manfred K. H. Eggert und Hans Peter Hahn. Stuttgart/Weimar 2014, S. 1-12, hier S. 1. [6] Kimmich, Dorothee:  Literaturwissenschaft. In: Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Hg. von Stefanie Samida, Manfred K. H. Eggert und Hans Peter Hahn. Stuttgart/Weimar 2014, S. 305- 308, hier S. 307. [7] Hahn/Eggert/Samida: Einleitung: Materielle Kultur in den Kultur- und Sozialwissenschaften, S. 1. [8] Ebd. [9] Ebd., S. 9. [10] Ebd., S. 10. [11] Bosch, Aida: Identität und Dinge. In: Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Hg. von Stefanie Samida, Manfred K. H. Eggert und Hans Peter Hahn. Stuttgart/Weimar 2014, S. 70-77, hier S. 77. [12] Ebd., S. 70. [13] Ebd., S. 71. [14] Ebd., S. 71. [15]  Siehe vor allem: Jean Piaget: Das moralische Urteil beim Kinde“ (1932) – wichtige Arbeiten nennen [16] Bosch: Identität und Dinge, S. 71. [17] Ebd. [18] Granser, Theodor/Moosmüller, Sylvia: The schwa in Albanian. In: The schwa in Albanian. Proceedings of the 7th International Conference on Speech Communication and Technology (2001) , Eurospeech, Aalbourg, S. 317–320, online unter: https://projects.ari.oeaw.ac.at/publications/2001_granser_moosmueller_the_schwa_in_albanian.pdf (zuletzt abgerufen am 02.10.25). Originalzitat: The schwa, therefore, phonemic or not, has an exceptional position: It displays a high level of context-dependency [3, 6] and a huge amount of variability, see e.g. the scatter of F1/F2 values for /Ì/ in Eastern Arrernte [7: p. 287]. This high context-sensitivity especially has led to the assumption that the schwa is either a vowel without target [3] or a vowel with an active gesture that is, however, overlapped by the gesture of the following full vowel [8] or a vowel underspecified for tongue position [6]. 19] Ebd. [20] Ein Treppenwitz ist ein Gedanke oder eine witzige Bemerkung, die einem erst nachträglich einfällt, oft wenn es zu spät ist, sie noch zu sagen. [21] Falk: „… ein höltzins rößlin, daß zoch ich an eim faden vor der thür.“, S. 25. [22] Bujari, Shefket :The Wall of Names, Beitrag vom 6. April 2021, online unter: https://www.rycowb.org/youth-choose-the-wall-of-names-a-new-memorial-in-pristina-commemorates-lost-children-of-war/ (zuletzt aufgerufen am 13.10.2025). [23] Blechdose mit Murmeln. Spielzeug von Anne. Online erschienen auf der Webseite des Anne Frank Hauses in Amsterdam, online unter: https://www.annefrank.org/de/museum/sammlung/anne-frank-sammlung/36/blechdose-mit-murmeln/ (zuletzt aufgerufen am 13.10.2025). [24] Döbler, Moritz: Das letzte Geschenk von Anne Frank: Eine Blechdose voll mit Murmeln für die Freundin, 3. Februar 2014 erschienen in Der Tagesspiel, online unter: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/eine-blechdose-voll-mit-murmeln-fur-die-freundin-3543802.html (zuletzt abgerufen am 13.10.2025). [25] Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde. Zürich 1954, S. 73f. [26] Bilstein: Murmeln, S. 12. [27] Jean Piaget: Das moralische Urteil des Kindes. Aus dem Französischen übersetzt von Lucien Goldmann und Hans Aebli. Vollständig überarbeitet von Richard Kohler. Mit einer Einführung von Thomas Kesselring. 1954/1983 Stuttgart (Jean Piaget Schlüsseltexte in 6 Bänden), S. 26. [28] Böhme, Hartmut: Materialität, physiologische Funktionen und historische Anthropologie des Mundraums und der Zähne. In: Vittoria Borsò, Andrea von Hülsen-Esch (Hg.): Materielle Meditationen im französisch-deutschen Dialog. Berlin Boston: de Gruyter 2019, S. 141-183, hier S. 141, Online unter: https://www.hartmutboehme.de/media/Zahne.Hulsen-Esch.pdf (zuletzt aufgerufen am 14.10.2025). [29] Ebd., S. 167. [30] Kopytoff, Igor: The cultural biography of things. Commoditization as process. In: Arjun Appadurai (Hg.) The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective. Cambridge 1986, S. 64–91. [31] Sonnleitner, Julia: Memory and materiality: The becoming of biographic objects after war and forced displacement. In: Journal of Material Culture 2024, Vol. 29(3), S. 361–376, hier S. 361. Online unter: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/13591835241275867 (zuletzt aufgerufen am 14.10.2025). [32] Ebd., S. 372. [33] Hoskins, Janet: Biographical Objects. How Things Tell Stories of People’s Lives. London 1998. [34] Sonnleitner: Memory and materiality, S. 361. [35] Ebd., S. 362. [36] So beschreibt Sonnleitner an einem Fallbeispiel, wie Schuhe kommunikative Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf das Erinnern an die Vergangenheit ermöglichen. „If we understand silence not as the opposite of communication but as a communicative action, the shoes afford communicative agency in terms of remembering the past. In the interview aswell, the shoes are a medium to articulate both a childhood in Yugoslavia, the experience of war and the silence about this time due to the violent events.“ Auf Deutsch: „Wenn wir Stille nicht als das Gegenteil von Kommunikation, sondern als eine kommunikative Handlung verstehen, ermöglichen die Schuhe kommunikative Handlungsspielräume im Hinblick auf das Erinnern an die Vergangenheit. Auch im Interview fungieren die Schuhe als Medium, um sowohl eine Kindheit in Jugoslawien, die Erfahrung von Krieg als auch die damit verbundene Stille über diese Zeit aufgrund der gewalttätigen Ereignisse zu artikulieren.“ Sonnleitner: Memory and materiality, S. 372. [37] Hirsch, Marianne: The Generation of Postmemory. Writing and Visual Culture after the Holocaust. New York 2012, S. 178. [38] Ebd., S. 199. [39] Birkin, Andrew: J.M. Barrie and the Lost Boys. The Real Story behind Peter Pan. New Haven/London 2005, S. 12. [40] Barrie, J. M.: Margarete Ogilvy. London 193, S. 23. Auch online unter: https://www.gutenberg.org/files/342/342-h/342-h.htm (zuletzt aufgerufen am 12.10.2025). [41] Twain, Mark: The Adventures of Tom Sawyer. New York/London 1917, S. 14.

Katrin Beißner

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Worum geht es?

Dieser Blog dient dem Interpretieren von Literatur, Filmen und Kunst, individuellen Erfahrungen und der Realität. Die Analysen und Interpretationen erfolgen als Gedankenexperimente im Rahmen einer Beschäftigung mit dem Erzählen, literarischen Figuren, historischen Personen sowie realen Menschen unter Anwendung literaturwissenschaftlicher Theorien und Methoden.

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