Mackie Messer und The Ministry of Ungentlemanly Warfare

Von Mackie Messer hat man gehört – wenn nicht aus Bertolt Brechts 1928 veröffentlichter Dreigroschenoper, dann zumindest vom oft vertonten Mack the Knife.

Von Mackie Messer hat man gehört – wenn nicht aus Bertolt Brechts 1928 veröffentlichter Dreigroschenoper, dann zumindest vom oft vertonten Mack the Knife. Auch Guy Ritchie hat für seinen neuesten Film The Ministry of Ungentlemanly Warfare auf die berühmte Moritat zurückgegriffen. Mich interessiert, warum und wie der Song in den Film integriert ist, was das Ganze mit der Dreigroschenoper zu tun haben könnte und inwiefern der Songtext sich in der Filmhandlung wiederfindet. Daher werde ich nach einer kurzen Einführung Thesen aufstellen und versuchen, sie zu beantworten.

Worum geht es in The Ministry of Ungentlemanly Warfare

Guy Ritchies aktueller Film The Ministry of Ungentlemanly Warfare basiert auf dem Buch Churchill’s Secret Warriors: The Explosive True Story of the Special Forces Desperadoes of WWII von Damien Lewisby. Das wiederum basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte einer geheimen britischen Spezialeinheit und der tatsächlich existierenden Organisation Special Operations Executive (SOE), die inoffiziell als Ministry of Ungentlemanly Warfare bezeichnet wurde. Diese Organisation wurde von Winston Churchill während dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um Sabotage und Guerilla-Operationen hinter den feindlichen Linien durchzuführen. Der Film mischt historische Fakten mit fiktionalen Elementen, damit eine spannende Kriegs- und Spionagegeschichte entsteht. Als die Briten 1939 zusehen müssen, wie Nazi-Deutschland weite Teile Europas erobert, entscheidet sich der britische Premierminister Winston Churchill (Rory Kinnear) 1941 zur Gründung einer geheimen Spezialeinheit. Ziel der verdeckten Operation ›Postmaster‹ ist die Zerstörung des italienischen Versorgungssystems Duchessa d’Aosta, das die Deutschen nutzen, um ihre U-Boote mit Treibstoff, Munition und Kohlendioxidfiltern zu versorgen, die den Briten im Nordatlantik erheblichen Schaden zufügen. Das Schiff liegt vor der Küste Westafrikas und soll dort versenkt werden. Die Leitung der Mission wird Major Gus March-Phillips (Henry Cavill) übertragen, der sich daraufhin seine Crew zusammenstellt und loslegt.
Trailer zum Film: https://www.youtube.com/watch?v=zvwDen1Wrx8

Die Moritat von Mackie Messer in The Ministry of Ungentlemanly Warfare

Marjorie Steward (Eiza González) ist Schauspielerin und Sängerin, befindet sich in der Ausbildung zur Agentin und soll im Rahmen der Operation als Goldhändlerin aus New York getarnt den Insel-Kommandanten Heinrich Luhr (Til Schweiger) verführen und ablenken. Ihre Motivation zum Mitmachen bei dieser Mission ergibt sich aus ihrer jüdischen Herkunft. Ihre Verwandten mütterlicherseits waren deutsche Juden, die früh deportiert wurden. Inwiefern bei ihrem verführerischen Ablenkungsmanöver im stilvollen Abendkleid das Stereotyp der schönen Jüdin greift sowie auch das Motiv der Geldgier und des Geizes, müsste wohl an anderer Stelle konkreter besprochen werden. Jedenfalls lenkt sie auf einer Kostümparty den als Julius Cäsar verkleideten Luhr ab und singt Mack the Knife inklusive der letzten Strophe aus der Brecht‘schen Moritat auf Deutsch. Hier die zugehörige Szene. https://www.youtube.com/watch?v=sNIbS1nAtLY

Wer genau hinhört, dem wird etwas auffallen.

Oh, the shark, babe … Has such teeth, dear
And he shows them … Pearly white

Just a jack-knife has old … MacHeath, dear
And he keeps it … Out of sight.

You know when that shark bites … With his teeth, dear
Scarlet billows … Starts to spread

Fancy gloves, oh wears … Old MacHeath, dear
So, there’s never …Never a trace of red

Oh the sidewalk …On Sunday morning – Don’t you know
Lies a body … Oozing life

And someone‘s sneakin‘ … Around the corner
Could that be old … Mack the Knife?

There’s a tugboat … Down by the river don’t you know
Where a cement bag’s … Just a-drooping on down

Und die minderjährige Witwe … Deren Namen … yeder veyst
[…][1]

Im Original von Bertolt Brechts Moritat von Mackie Messer sieht die letzte Strophe so aus:

Und die minderjährige Witwe,
Deren Namen jeder weiß,
Wachte auf und war geschändet –
Mackie, welches war dein Preis?[2]

Was macht die Moritat von Mackie Messer in The Ministry of Ungentlemanly Warfare

Wieso ist die Moritat von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper in einem Film von einem britischen Regisseur über eine britische Spezialeinheit, die per Geheimauftrag ein Schiff der Nazis an der westafrikanischen Küste ausschalten soll? Das habe ich mich gefragt und mich ein wenig mit der Thematik auseinandergesetzt. Dabei ist mir die Vermischung des Originals mit der nachträglich erfolgten englischen Übersetzung aufgefallen.

Darum zum Vergleich kurz das Original. Das stammt übrigens aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper.

Die Moritat von Mackie Messer

Jahrmarkt in Soho.
Die Bettler betteln, die Diebe stehlen,
die Huren huren. Ein Moritatensänger singt eine Moritat.

Und der Haifisch, der hat Zähne,
Und die trägt er im Gesicht,
Und Macheath, der hat ein Messer,
Doch das Messer sieht man nicht.

Ach, es sind des Haifischs Flossen
Rot, wenn dieser Blut vergiesst.
Mackie Messer trägt ’nen Handschuh,
Drauf man keine Untat liest.

An der Themse grünem Wasser
Fallen plötzlich Leute um!
Es ist weder Pest noch Cholera
Doch es heißt: Macheath geht um.

An ’nem schönen blauen Sonntag
Liegt ein toter Mann am Strand,
Und ein Mensch geht um die Ecke,
Den man Mackie Messer nennt.

Und Schmul Meier bleibt verschwunden
Und so mancher reiche Mann,
Und sein Geld hat Mackie Messer,
Dem man nichts beweisen kann.

Von links nach rechts geht Peachum mit Frau und Tochter
über die Bühne spazieren.

Jenny Towler ward gefunden
Mit ’nem Messer in der Brust,
Und am Kai geht Mackie Messer,
Der von allem nichts gewusst.

Wo ist Alfons Glite, der Fuhrherr?
Kommt das je ans Sonnenlicht?
Wer es immer wissen könnte –
Mackie Messer weiß es nicht.

Und das große Feuer in Soho:
Sieben Kinder und ein Greis –
In der Menge Mackie Messer, den
Man nicht fragt, und der nichts weiß.

Und die minderjährige Witwe,
Deren Namen jeder weiß,
Wachte auf und war geschändet –
Mackie, welches war dein Preis?

Unter den Huren ein Gelächter, und aus ihrer Mitte löst sich ein Mensch und geht rasch über den ganzen Platz weg.
Spelunken-Jenny: Das war Mackie Messer!

Aus: Brecht, Bertolt: Die Dreigroschenoper. Nach John Gays »The Beggar’s Opera«. In: Die Stücke von Bertolt Brecht in einem Band. Augsburg 1998, S. 165-202, hier S. 167.

Dazu zwei Thesen, die ich folgend beantworten will:

These 1: Eigenschaften der Figur Mackie Messer und seiner Räuberbande besitzen im Film sinnstiftendes Potenzial und lassen sich auf die britischen Agenten beziehen.

These 2: Die Vermischung der Moritat-Versionen hat eine Funktion, die weniger handlungstragend, als vielmehr dramatisierender Natur ist.

Ich beginne mit dem Versuch einer Beantwortung der ersten These.

These 1: Welche Funktion hat die Moritat von Mackie Messer für The Ministry of Ungentlemanly Warfare

These 1: Eigenschaften der Figur Mackie Messer und seiner Räuberbande besitzen im Film sinnstiftendes Potenzial und lassen sich auf die britischen Agenten beziehen.

Grund 1: Auflehnung gegen das nationalsozialistische Regime

Meiner Ansicht nach gibt es mehrere Gründe, warum die Moritat von Mackie Messer bzw. in der englischen Übersetzung Mack the Knife im Film als indirekte oder direkte Auflehnung gegen das nationalsozialistische Regime verwendet wird. Zum einen wurde die Dreigroschenoper 1933 nach der Machtübernahme Hitlers von den Nationalsozialisten verboten[3], das obwohl sie zu dem Zeitpunkt sehr erfolgreich war und „innerhalb eines Jahres an etwa 120 Bühnen inszeniert und bis 1933 in 18 Sprachen übersetzt“[4] wurde. Der erste Grund ist also der mit dem Singen des Liedes mitschwingende Affront, eine indirekte Auflehnung gegen das Regime der Nationalsozialisten. Das könnte mit der indirekten Kritik oder zumindest Anschauung Bertolt Brechts zusammenhängen wie Werner Wüthrich (hier allerdings konkret auf das Hörspiel Lukullus gemünzt, schreibt: „Der verfemte Deutsche mit Linksdrall war nie Mitglied einer politischen Partei. Aber er plädierte als Autor und Theaterregisseur das bisher Bewährte zu überdenken: in Kultur, Gesellschaft und wo auch immer. Er stand dafür ein, den Umgang mit Traditionen und dem «klassischen Erbe» wenigstens auf den Bühnen zu hinterfragen. Gleichzeitig betonte er das Experimentelle in der Kunst, suchte nach alternativen Formen und zeitgemäßen Inhalten und kritisierte, wo immer er auch hinkam, die Spielpläne der Bühnen und die gesamte bisherige Kulturpolitik.“[5] Insofern wäre die Auflehnung gegen das Regime in mehrfacher Hinsicht indirekt und gleichzeitig direkt präsent. Einmal im vorgetragenen Lied selbst (das immerhin auch vom NS-Regime verboten war. Doch man befindet sich immerhin im westafrikanischen Außenposten der Nazis, was möglicherweise auch bedacht werden sollte), dann durch die Einstellung des Schöpfers Brecht und darüber hinaus noch durch die jüdische Identität der Sängerin.

Grund 2: Die Drecksarbeit im Untergrund ungesehen erledigen

Mackie Messer ist in Brechts Dreigroschenoper der Spitzname von Mac Heath, der ein bekannter und gefürchteter Gangsterboss im Londoner Stadtteil Soho ist. Unzählige Verbrechen hat er begangen und keines konnte ihm je nachgewiesen werden. Mackie hat eine sechsköpfige Bande um sich, die für ihn arbeiten und in seinem Auftrag ihr Unwesen treiben. Es handelt sich um Matthias alias Münzmatthias, Robert alias Sägerobert, Ede, Jimmy und Jakob alias Hakenfingerjakob, und Walter mit Beinamen Trauerweidenwalter. Interessanterweise haben auch die Männer aus Churchills geheimer Organisation, der Special Operations Executive (SOE) Spitznamen. Dem exzentrischen Ex-Häftling Major Gus March-Phillips (Henry Cavill) wird die Leitung der Mission übertragen, der sein Team seinen Wünschen entsprechend auswählt. Es besteht aus dem Waffenspezialisten Anders Lassen (Alan Ritchson) alias The Danish Hammer, dem irischen Seemann und Navigationsexperten Henry Hayes (Hero Fiennes Tiffin), dem Sprengstoffexperten Freddy The Frogman Alvarez (Henry Golding) und dem noch zu befreienden Planungsgenie Geoffrey Appleyard (Alex Pettyfer). Eine Gemeinsamkeit ist also das Agieren auf Befehl im Untergrund. Doch erlauben sich die Handlanger bzw. Agenten Freiheiten. Im Film sind die Mitglieder der Unternehmen unkonventioneller Agenten, die zur Bekämpfung der Nazis und Erfüllung ihres Auftrags unorthodoxe und oft brutale Methoden anwenden. Dabei scheinen die Agenten im Film wie auch in Brechts Dreigroschenoper nicht immer im Rahmen des Auftraggebers zu handeln. So räuchert Mackies Bande Leute aus Gebäuden und tötet Konstabler, woraufhin dieser sagt: „Meine Direktive lautet: Blutvergießen ist zu vermeiden. Mir wird wieder ganz schlecht, wenn ich daran denke. Ihr werdet nie Geschäftsleute werden! Kannibalen, aber keine Geschäftsleute!“[6] Und auch Brigadier Gubbins ist im Film nicht immer ‘amused’ über das Voranschreiten der Aktion, was eindeutig an seinen genervten Blicken zu beobachten ist.

Grund 3: Der Song verweist inhaltlich auf den Geheimauftrag

Zwar wird Marjorie im Film von Luhr als Füchsin bezeichnet, doch eigentlich ist sie mit ihren pretty teeth, pearly white, der Bezeichnung der englischen Übersetzung, auch der Hai aus dem Song. Sie hält ihre List (das Messer, im übertragenen Sinne) außer Sicht und kann Luhr zunächst täuschen (auch durch ihr verführerisches Äußeres). Es gibt weiterhin never a trace of red, keine Blutspuren, die auf die Geheimagenten rückverweisen. Sie schleichen sich an ihre Ziele an, eliminieren sie und verschwinden ungesehen. Und es gibt ein tugboat down by the river – das Ziel der Mission, die Duchessa d’Aosta, die versenkt werden soll.

Grund 4: Die Moritat von Mackie Messer geht ins Ohr und sorgt für Stimmung

Der Song ist bekannt, die Rezeption ist reichhaltig. Der US-Sänger Louis Armstrong hat Mack the Knife gesungen und selbst Robbie Williams hat eine Variante von Mack the Knife vertont. Und auch die Darbietung von Eiza González hat ihre Vorzüge. Guy Ritchie wird den Song jedenfalls nicht ohne Grund verwendet haben – vier davon habe ich jetzt hier versucht aufzuschlüsseln.

These 2: Was macht die letzte deutschsprachige Strophe aus der Moritat von Mackie Messer in Marjories Version von Mack the Knife?

These 2: Die Vermischung der Moritat-Versionen hat eine Funktion, die weniger handlungstragend, als vielmehr dramatisierender Natur ist.

Als Marjorie die letzte Strophe singt, es handelt sich um das deutschsprachige Original von Brecht, spricht sie die Worte „jeder weiß“ jiddisch als „yeder veyst“ aus. Das fällt Luhr sofort auf und er raunt seinem Sitznachbarn zu: „Sie sagte „yeder veyst“… Das ist Jiddisch, nicht Deutsch.“[7] Kurzzeitig wird also zumindest das Leben von Marjorie vom Publikum als gefährdet erkannt, wenn Luhr sie in seinen privaten Folterfuchsbau führen will. Aber als zukünftige Agentin ist Marjorie sowieso nie in Gefahr. Das würde die Coolness der Truppe untergraben. Nun ist der Handlungsstrang der Figur Marjorie und ihrem Begleiter Heron während der Mission getrennt von dem der Undercover-Truppe. Direkten Kontakt haben sie nicht, Informationen werden telegrafisch nach England geschickt und von dort aus an die Crew weitergegeben. Meines Erachtens nach soll die Entdeckung Luhrs die Spannung steigern, die Dramatik erhöhen. Es handelt sich bei der Szene um ein Gegenspiel aus der nächtlichen Überwältigungsaktion der Spezialeinheit, die das besagte Boot kapern wollen (entern lässt es sich leider nicht, wie sie im letzten Moment erfahren – ein weiteres spannungssteigerndes Moment) und dafür im Dunkeln etliche Männer überwältigen müssen. Im Gegenzug und als musikalische Untermalung zu dieser Aktion im Untergrund singt Marjorie ihre Version von Mack the Knife und wird entdeckt. So bleibt die Spannung, die Dramatik in beiden Handlungssträngen erhalten. In diesem Sinne passt Brechts Original nun einmal besser, weil die Figur sich durch ihren Sprachausdruck verrät. Das wäre zumindest eine Theorie zu dieser Vermischung.

Die Figur der Marjorie als Verkörperung jüdischer Stereotype

Hinzu kommt auch der seit Jahrhunderten tradierte Stereotyp der schönen und verführerischen Jüdin. (Mehr dazu in meinem Beitrag zu Walter Scotts Rebecca aus Ivanhoe und dem Beitrag über judenfeindliche Stereotype in der Literatur und Geschichte. Guy Ritchie potenziert diese Topoi sogar noch, indem er Marjorie einmal Mack the Knife singen lässt, sie als Cleopatra verkleidet (an deren Figur immerhin auch sexualisierte Motive in Bezug auf weibliche Verschlagenheit hängen) und sie folgendes Rätsel aufsagen lässt:

„I’m your brother but you are not my brother. What are you?
When the sly red cat barks at dawn and kills just for her pleasure,
who shares the meal the cat did steal when both looked on in pleasure?“[8]

Des Rätsels Lösung wäre:
It’s neither cat, nor dog that kills for fun; it’s the vixen, not
another. There’s only two that kill for fun, the fox and his human brother.

Deutsche Übersetzung des Rätsels:
„Ich bin dein Bruder, aber du bist nicht mein Bruder. Was bist du?
Wenn die listige rote Katze im Morgengrauen bellt und nur aus Vergnügen tötet,
wer teilt die Beute, die die Katze stahl, wenn beide mit Freude zusahen?“

Die Lösung des Rätsels wäre:
Es ist weder Katze noch Hund, die aus Spaß töten; es ist die Füchsin, keine andere.
Es gibt nur zwei, die aus Spaß töten: den Fuchs und seinen menschlichen Bruder.

Der Fuchs und seine Symbolik

Und der Fuchs bzw. die Füchsin hat in der kulturellen Weltgeschichte auch seinen Ruf weg, bereits bei Aesop und seinen Fabeln ist der Grundstein gelegt, Goethe mit seinem Reineke Fuchs ist dies bekannt, auch im Animationsfilm Zoomania gibt es derartige Vorurteile gegen den roten Fabulierer. Auch die Füchsin wird in verschiedenen Kulturen und Kontexten mit einer Vielzahl von Aspekten und Eigenschaften assoziiert. Sie ist für ihre List und Intelligenz bekannt, besitzt Scharfsinn und denkt strategisch, scheut sich nicht davor, andere zu täuschen. Sie kann sich außerdem an ihre Lebensräume anpassen und ist darin sehr geschickt. All dies passt auf die verführerische Rolle, die Marjorie als Agentin übernehmen muss, um Luhr abzulenken.

Nun folgen noch einige allgemeine Informationen zur Dreigroschenoper, Bertolt Brecht und Mackie Messer seiner Moritat.

Zu Bertolt Brecht

Bertolt Brecht, geboren am 10. Februar 1898 in Augsburg, war ein bedeutender deutscher Dramatiker, Lyriker und Regisseur, der als einer der einflussreichsten Theatermacher des 20. Jahrhunderts gilt. Ursprünglich studierte er Medizin, doch seine Leidenschaft für das Theater führte ihn schnell auf einen anderen Weg. In den 1920er Jahren schrieb Brecht seine ersten Stücke wie Baal und Trommeln in der Nacht, die seine innovative Herangehensweise an das Drama zeigten.

Brecht entwickelte das epische Theater, das sich stark von der traditionellen Theaterform unterschied. Statt die Zuschauer emotional zu involvieren, wollte Brecht sie zum Nachdenken anregen und sie auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen. Sein „Verfremdungseffekt“, bei dem durch bewusste Stilmittel eine Distanz zwischen Publikum und Handlung geschaffen wird, war ein zentraler Bestandteil dieser Theaterform. Zu Brechts bekanntesten Werken gehören Die Dreigroschenoper (1928), Mutter Courage und ihre Kinder (1941) und Der gute Mensch von Sezuan (1943). Diese Stücke, die oft in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Kurt Weill entstanden, sind bis heute prägend für das politische und gesellschaftskritische Theater. Während der NS-Zeit emigrierte Brecht in die USA, wo er weiterhin Theaterarbeit leistete und Drehbücher schrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Ost-Berlin nieder, wo er das Berliner Ensemble gründete, das zu einer der führenden Theatergruppen der DDR wurde.

Brecht starb am 14. August 1956 in Ost-Berlin, hinterließ jedoch ein reiches literarisches und theoretisches Erbe, das die Theaterwelt nachhaltig beeinflusst hat. Sein Werk und seine Theorien sind bis heute von großer Bedeutung und werden weltweit aufgeführt und studiert.

Einführung zur Dreigroschenoper, Handlung und Mackie Messer

Die Dreigroschenoper wurde 1928 von Bertolt Brecht in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Kurt Weill uraufgeführt, ist eine scharfe Satire auf die kapitalistische Gesellschaft und deren Moral. Das Stück, das auf John Gays The Beggar’s Opera von 1728 basiert, spielt im Londoner Stadtteil Soho und erzählt die Geschichte von Macheath, genannt Mackie Messer, einem charismatischen, aber skrupellosen Verbrecher. Mackie Messer, der Anführer einer Bande von Kriminellen, heiratet zu Beginn des Stücks Polly Peachum, die Tochter von Jonathan Peachum, dem „Bettlerkönig“ von London, der das Bettlerwesen der Stadt kontrolliert. Peachum ist wütend über diese Heirat und beschließt, Mackie ans Messer zu liefern, indem er ihn an die Polizei verrät. Trotz seines Einflusses auf die Londoner Unterwelt wird Mackie schließlich verhaftet, kann jedoch durch Bestechung und seine Verbindungen zur Polizei mehrfach entkommen. Mackie ist ein zwiespältiger Charakter: charmant und verführerisch, aber zugleich brutal und rücksichtslos. Er verkörpert das Thema der moralischen Doppelbödigkeit, das Brecht in der Dreigroschenoper aufgreift. In einer Welt, in der jede Handlung vom Geld regiert wird, erscheinen die Grenzen zwischen legal und illegal, moralisch und unmoralisch verschwommen. Mackie Messer ist das Produkt dieser korrupten Gesellschaft, in der Verbrechen und Geschäft ununterscheidbar sind.

Die Handlung von Brechts Dreigroschenoper

Bertolt Brechts Dreigroschenoper ist eine satirische Parabel über Kapitalismus und soziale Ungerechtigkeit, die in Londons Unterwelt des 19. Jahrhunderts spielt. Die Handlung folgt dem charismatischen Gangster Macheath, genannt Mackie Messer, der heimlich Polly Peachum heiratet, die Tochter des Bettlerkönigs Jonathan Peachum. Verärgert über die Heirat, versucht Peachum, Mackie zu fassen und hinrichten zu lassen, um seine Kontrolle über die kriminelle Unterwelt zu sichern. Gleichzeitig wird Mackie von der Polizei gejagt, doch durch seine Beziehungen zum korrupten Polizeichef Tiger-Brown kann er mehrfach entkommen. Schließlich wird Mackie gefasst und zum Tode verurteilt, aber in letzter Minute durch eine königliche Begnadigung gerettet. Die Oper kritisiert die Verlogenheit und Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft und stellt die Frage nach Moral und Gerechtigkeit im Kapitalismus.

Worum geht es wirklich bei Mackie Messer und der Dreigroschenoper?

„Es geht um den Ausverkauf von Menschen allenthalben, um ihren Preis, den sie zahlen müssen (das Thema, was ein Mensch kostet, hat B. nicht nur in der Maßnahme wiederholt angesprochen): die Bettler an Peachum, die Huren an Macheath, die Polizei an Jenny, da sie Macheath verraten hat. Während hier die schärfsten Ausbeutungsbedingungen herrschen, ist die unter den Normen des Gesetzes und der bürgerlichen Moral sich geradezu ausschließende Beziehung zwischen Macheath und Polizeichef Tigerbrown ins Freundschaftliche verkehrt. Die Verhältnisse sind durchschaubar auf den Kopf gestellt und werden, am Ende des Stucks, relativiert. Denn der Verbrecher Macheath tritt nicht unter der vortäuschenden Maske bürgerlicher Sittsamkeit auf, sondern ist ernsthaft bemüht, sein Leben konsequent ins Bürgerliche zu wenden. Mit seinem verborgenen Messer und der Berufsbezeichnung ›Räuber‹ ist er eigentlich ein langst veralteter Vertreter dieser Spezies. Doch seine Einsicht, die althergebrachte Form des Straßenraubs aufzugeben und ins Bankfach zu wechseln, zeigt, dass er die Zeichen der Zeit verstanden hat. Sein Prinzip des ›Mann gegen Mann‹ wird aufgelöst zugunsten des viel moderneren Prinzips der lautlosen Kontenbewegungen, die zwar von Gewinn und Verlust sprechen, aber den tödlichen Kampf der Märkte mit dem Glacehandschuh verbergen. Macheath halt sein Messer nicht nur aus krimineller Vorsicht verborgen, das wäre zu altertümlich; er verbirgt es, weil es ihm peinlich ist.“[9]

Zeitgenössischer Kontext der Dreigroschenoper und Mackie Messer

Brecht schrieb die Dreigroschenoper in einer Zeit, in der Deutschland von wirtschaftlicher Instabilität, sozialer Ungerechtigkeit und politischer Unsicherheit geprägt war. Die Weimarer Republik war eine Gesellschaft, die von extremer Armut und einem aufblühenden Kapitalismus gezeichnet war. Brecht kritisiert diese Zustände, indem er zeigt, wie Menschen wie Mackie Messer in einem solchen System florieren können. Mackies kriminelle Aktivitäten spiegeln die Praktiken einer kapitalistischen Gesellschaft wider, in der Skrupellosigkeit belohnt wird und moralisches Handeln kaum eine Rolle spielt. Mackie Messer selbst wurde zur Symbolfigur für den gesellschaftlichen Zynismus und die Heuchelei. Brechts Darstellung, insbesondere durch das berühmte Moritat von Mackie Messer, das die brutalen Taten Mackies mit einer eingängigen Melodie verharmlost, enthüllt die Grausamkeit und Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber Gewalt und Unrecht. Insgesamt ist die Figur des Mackie Messer ein kritischer Kommentar zu den moralischen Verwerfungen einer Gesellschaft, die von Geld und Macht beherrscht wird, und reflektiert die sozialen und politischen Spannungen der Weimarer Republik.

Was ist eigentlich eine Moritat?

Auf wissen.de wird der Begriff wie folgt definiert: Mo|ri|tat 〈a. [––′–] f.; –, –en〉 in rührselig–schauriger Weise zur Drehorgel vorgetragenes, gleichzeitig durch Bilder erläutertes Lied über ein schreckliches Ereignis, Bänkelsängerlied.[10] Man darf sich den Begriff Bänkelsängerlied sogar bildlich vorstellen. Es handelt sich um einen öffentlichen Vortrag einer Begebenheit um Themen wie Liebe, Mord, Naturkatastrophen, Unglücksfälle und Neugier erweckende Begebenheiten aller Art. Meist wird der Vortrag untermalt durch ein Musikinstrument, oft eine Drehorgel, und mit textlichen Hinweisen auf einer Bildertafel untermalt, auf die dann mit einem Zeigestock verwiesen wird. Insofern ist der Bänkelsang verwandt mit dem Ausrufen von die Neugierde befriedigenden Schlagzeilen des frühneuzeitlichen Flugblatts. „Die während des Vortrags verkauften Moritatenzettel oder -heftchen enthalten den von anonymen Autoren verfassten Text der Geschichte und meistens ein dazu gehörendes, balladeskes Lied mit abschließender Moralstrophe. Im Dienste moralischer oder geistlicher Belehrung betonen sie die Faktizität des schrecklichen Ereignisses und fuhren exemplarisch die Bedrohung und Wiederherstellung der religiösen und sozialen Ordnung vor. Nach Themen, Stoffen, Motiven und Ideologie, nach Produktions- und Distributionsformen stehen sie im Zusammenhang mit der Exempel-, Flugblatt und Kalender-Literatur. Bänkelsang akzentuiert eher den szenischen und audiovisuellen Charakter des Phänomens, Moritat dagegen eher den textuellen.“[11] Es besteht zudem eine Klanggleiche Nähe zur Moral, lateinisch mores, wobei der erzählten Geschichte häufig auch eine belehrende Komponente zu eigen ist.

Was ist das Besondere an der Moritat von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper?

Das Stück ist berühmt und wurde erst kurz vor der Premiere verfasst. „Der Schauspieler und Sänger Harald Paulsen (1895–1954) soll darauf bestanden haben, dass Brecht seinen Auftritt mit dieser Moritat vorbereitete. Auffallend ist die dramaturgische Funktion der eröffnenden Moritat, denn sie ist eine dramatische Exposition des Stückes, die gleichzeitig formale Besonderheiten des Stückes ausstellt: Inhalt und die Personen – die Londoner Unterwelt – und eine indirekte Charakteristik der Hauptgestalt des Stückes, Macheath, der mit seinen kriminellen Taten in jeder der neun Strophen genannt wird und am Ende, ohne Text, in der Gruppe der Huren erscheint. […] In den Songs und besonders in den drei Dreigroschenoper-Finale ist soziale Kritik zu erkennen. Das Zweite Dreigroschen-Finale weist z. B. auf die ungerechte Verteilung als Ursache der gesellschaftlichen Übel hin, die zu einer Pervertierung des Menschen geführt hat: ‚Der Mensch lebt nur von Missetat allein.‘ Brecht war ein Meister der Moritat, einer Form des erzählenden Gedichts, ähnlich der Ballade.“[12] Die Lieder in der Dreigroschenoper können auch als epische Vorwegnahmen und Referenzen auf zukünftige Handlungsakte betrachtet werden.[13] Das ist tatsächlich auch im Film der Fall, wenn der von der Figur Marjorie vorgetragene Song in mehrfacher Hinsicht auf die geheime Unternehmung der Spezialeinheit verweist. Inwiefern hier aber Brechts Theorie des epischen Theaters greifbar wird, kann ich nicht sagen, da fehlt mir die Kenntnis. Jedenfalls hat sich wieder einmal gezeigt, dass Vergangenes immer wieder neu inszeniert und transformiert, in verschiedenen Medien immer wieder aktualisiert und reinszeniert wird, mit neuen Funktionen unterfüttert im jeweiligen Werk neue Aspekte erhellen kann. Dies konnte ich, denke ich, beispielhaft an der Moritat von Mackie Messer bzw. Mack the Knife und seinem Einsatz im aktuellen Film von Guy Ritchie nachweisen.

Verwendete Literatur

Bernhardt, Rüdiger: Textanalyse und Interpretation zu Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Hollfeld 2017(Königs Erläuterungen 333), S. 38.

Braungart, Wolfgang: Bänkelsang: In: RLW 1. Hg. von Klaus Weimar. Berlin/New York 2007, S. 190-192.

Brecht, Bertolt: Die Dreigroschenoper. Nach John Gays »The Beggar’s Opera«. In: Die Stücke von Bertolt Brecht in einem Band. Augsburg 1998, S. 165-202.

Guy Ritchie: The Ministry of Ungentlemanly Warfare [Film] Black Bear, Jerry Bruckheimer Films, Kinopoisk, Toff Guy, Red Sea Film Fund, C2 Motion Picture Group, Media Capital Technologies. 2024.

Moritat. Online auf Wissen.de: https://www.wissen.de/fremdwort/moritat (zuletzt aufgerufen am 22.08.2024).

Lucchesi, Joachim: Die Dreigroschenoper. In: Brecht Handbuch. Band 1. Stücke. Herausgegeben von Jan Knopf. Stuttgart/Weimar 2001, 197-215, hier S. 213.

Wüthrich, Werner: Wie Brecht mit versteckter Hitler-Kritik auf Sendung ging, online auf SRF vom 10. April 2024, online unter: https://www.srf.ch/kultur/literatur/literatur-wie-brecht-mit-versteckter-hitler-kritik-auf-sendung-ging (zuletzt aufgerufen am 22.08.2024).


[1] Guy Ritchie: The Ministry of Ungentlemanly Warfare [Film] Black Bear, Jerry Bruckheimer Films, Kinopoisk, Toff Guy, Red Sea Film Fund, C2 Motion Picture Group, Media Capital Technologies. 2024, 1:20:26-1:23:15. [2] Brecht, Bertolt: Die Dreigroschenoper. Nach John Gays »The Beggar’s Opera«. In: Die Stücke von Bertolt Brecht in einem Band. Augsburg 1998, S. 165-202, hier S. 167. [3] Lucchesi, Joachim: Die Dreigroschenoper. In: Brecht Handbuch. Band 1. Stücke. Herausgegeben von Jan Knopf. Stuttgart/Weimar 2001, 197-215, hier S. 213. [4] Ebd. [5] Wüthrich, Werner: Wie Brecht mit versteckter Hitler-Kritik auf Sendung ging, online auf SRF vom 10. April 2024, online unter: https://www.srf.ch/kultur/literatur/literatur-wie-brecht-mit-versteckter-hitler-kritik-auf-sendung-ging (zuletzt aufgerufen am 22.08.2024). [6] Brecht, Bertolt: Die Dreigroschenoper.Nach John Gays »The Beggar’s Opera«. In: Die Stücke von Bertolt Brecht in einem Band. Augsburg 1998, S. 165-202, hier S. 172. [7] Guy Ritchie: The Ministry of Ungentlemanly Warfare [Film] Black Bear, Jerry Bruckheimer Films, Kinopoisk, Toff Guy, Red Sea Film Fund, C2 Motion Picture Group, Media Capital Technologies. 2024, 1:23:15-1:23:25. [8] Ebd.: 0:39:44-0:39:55. [9] Lucchesi, Joachim: Die Dreigroschenoper. In: Brecht Handbuch. Band 1. Stücke. Herausgegeben von Jan Knopf. Stuttgart/Weimar 2001, 197-215, hier S. 208-209. [10] Moritat. Online auf Wissen.de: https://www.wissen.de/fremdwort/moritat (zuletzt aufgerufen am 22.08.2024). [11] Braungart, Wolfgang: Bänkelsang: In: RLW 1. Hg. von Klaus Weimar. Berlin/New York 2007, S. 190-192. [12] Bernhardt, Rüdiger: Textanalyse und Interpretation zu Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Hollfeld 2017(Königs Erläuterungen 333), S. 38. [13] Ebd.

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