2. Kapitel: Clevinger: Militanter Idealist, missratener Held und Spiegelfigur
Die Figurenkonstellationen in ›Catch 22‹ werden im Verlauf des Werkes immer weiter entfaltet. Clevinger ist nicht unbedingt Yossarians Antagonist, aber ein Gegenpart, eine Spiegelfigur, die eben jene Werte vertritt, die im Grunde von dem eigentlichen Helden eines Werkes erwartet werden. Als Harvard-Absolvent ist er gebildet und intelligent, orientiert am Faktenwissen ohne Leidenschaft und ein Mensch, der humanistische Werte nicht empathisch, sondern philosophisch und vom Verstand her vertritt. Er vertritt die auf seiner Bildung und vernunftgesteuerten Werten basierten Prinzipien vehement und kann als unterwürfiger Charakter betrachtet werden oder auch als jemand, der keine Probleme mit der Unterordnung in der Kriegsbürokratie hat.
Yossarian vs. Clevinger
Captain Yossarian dagegen wird bereits im ersten Kapitel als asozialer, fauler und unpatriotischer Schwindler eingeführt, der sich im Lazarett vor der Dienstpflicht drückt und Anweisungen bewusst falsch ausführt. Clevinger hält ihn für verrückt. Der Spiegelcharakter der Figuren wird anhand eines Dialogs offenkundig, der die Positionen der Figuren festlegt. Im weiteren Verlauf des Werkes werden dann weitere Figurenmerkmale hinzugefügt. Einigkeit besteht in ihrer Meinung über den jeweils anderen. Sie halten sich nämlich gegenseitig für verrückt.
Captain Yossarians Paranoia
Bezeichnenderweise beginnt das zweite, nach Clevinger benannte Kapitel mit einem Erzählerkommentar, der anknüpft an den Dialog von Yossarian und Clevinger aus dem ersten Kapitel.
„Man versucht, mich umzubringen“, erklärte Yossarián ihm ruhig.
„Niemand versucht dich umzubringen“, rief Clevinger.
„Warum schießen sie denn auf mich?“ fragte Yossarián.
„Sie schießen auf jeden“, antwortete Clevinger. „Sie versuchen, jeden von uns umzubringen.“
„Und was ist das für ein Unterschied?“
Clevinger war schon fast außer sich und vor Erregung halb vom Stuhl aufgestanden; seine Augen schimmerten feucht, seine Lippen zitterten und waren blaß. Wie immer, wenn er um Prinzipien stritt, an die er leidenschaftlich glaube, endete es damit, daß er wütend nach Luft schnappte und bittere Tränen der Überzeugung zurückdrängte. Es gab viele Prinzipien, an die Clevinger leidenschaftlich glaubte. Er war verrückt.“[1]
Englisches Original
„They’re trying to kill me,“ Yossarian told him calmly.
„No one’s trying to kill you,“ Clevinger cried.
„Then why are they shooting at me?“ Yossaran asked.
„They’re shooting at everyone,“ Clevinger answered. „They’re trying to kill everyone.“
„And what difference does that make?“
Clevinger was already on the way, half out of his chair with emotion, his eyes moist and his lips quivering and pale. As always occured when he quarreled over principles in which he believed passionately, he would end up gasping furiously for air and blinking back bittertears of conviction. There were many principles in which Clevinger believed passionately. He was crazy.“[2]
Clevinger – Unterwürfiger Intellektueller ohne eigene Meinung
Interessant ist, dass Clevinger trotz seiner Intelligenz und seinem Bildungsstand nicht über den Tellerrand der bürokratischen Subordination und die Sinnlosigkeit des Krieges hinwegblicken und schon gar nicht deren Absurdität in der Bandbreite nachvollziehen kann wie es bei Yossarian der Fall ist. Die im Grunde leeren Prinzipien hinter kriegsverherrlichenden Werte wie Loyalität, Humanität oder Gerechtigkeit nimmt er ernst und übersieht den dahinter lauernden selbstverherrlichenden Opportunismus, die Machtgier und Neid.
Yossarian glaubt, man habe sich verschworen, ihn zu töten. Und damit meint er nicht nur die Nazis, sondern ebenfalls seine Vorgesetzten und seine Kameraden. Clevinger hält ihn gerade wegen diesem angeblich grundlosen Verdacht für verrückt.
Clevinger – Konformist und Mitläufer
Ein sehr pointierte Charakterbeschreibung erfolgt erst in einem späteren Kapitel. Hellers Roman erschließt sich der Leserschaft sowieso erst nach und nach, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überblenden sich teilweise, wobei letztlich sowieso alles um ein einziges traumatisches Ereignis angesiedelt ist, das trotz seiner marginalen Position im Roman als Zentrum betrachtet werden kann.
Deutsche Übersetzung
„Clevinger wußte deshalb soviel, weil Clevinger ein Genie war, ein Genie, das zu Herzklopfen und plötzlichem Erbleichen neigte. Er war nichts weiter als ein schlaksiges, töpelhaftes, fieberndes Hirn mit verhungernden Augen. Als Havard-Student hatte er in fast allen Fächern Preise erhalten, und der einzige Grund, warum er nicht in allen übrigen Fächern auch Preise erhalten hatte, war, daß er zuviel Zeit darauf verwendete, Denkschriften zu unterzeichnen, Denkschriften in Umlauf zu setzen und Denkschriften zu widerlegen, Diskussionsgruppen beizutreten und aus Diskussionsgruppen auszutreten, an Jugendkongressen teilzunehmen, andere Jugendkongresse zu boykottieren und aus Protest gegen die Entlassung von Fakultätsangehörigen Studentenkomitees zu organisieren. Alle waren sich darin einig, daß Clevinger es in der akademischen Welt weit bringen werde. Mit einem Wort: Clevinger gehörte zu den Leuten, die unerhört viel Intelligenz und keinerlei Verstand besitzen, und das wußte jeder, mit Ausnahme derer, die erst noch dahinterkommen sollten. Kurzum, er war ein Narr.“[3]
Englisches Orignial
„Clevinger knew so much because Clevinger was a genius with a pounding heart and blanching face. He was a gangling, gawky, feverish, famish-eyed brain. As a Havard undergraduate he had won prizes in scholarship for just about everything, and the only reason he had not won prizes in scholarship for everythin else was that he was too busy signing petitions, circulating petitions and challenging petitions, joining discussion groups and resigning from discussion groups, attending youth congresses, picketing other youth congresses and organzing student committees in defense of dismissed faculty members. Everyone agreed that Clevinger was certain to go far in the academic world. In short, Clevinger was on of those people with lots of intelligence and no brains, and everyone knew it except those who soon found it out. In short, he was a dope.“[4]
Prinzipienreiter, Windbeutel und naiver Intellektueller
Obwohl das zweite Kapitel mit dem Namen Clevinger betitelt ist, erfolgt die tiefergehende Charakterisierung der Figur erst später. Die Leserinnen und Leser erfahren also mehr über ihn und erkennen nun gerade durch die Präzisierung der Darstellung, dass Clevinger jemand ist, der vom realen Leben keine Ahnung hat, weil er bislang in der akademischen Blase gelebt und hauptsächlich diskutiert hat.
Deutsche Übersetzung
„Yossarian kam er gelegentlich so vor wie eines der modernen Bilder, die in Ausstellungen herumhängen und auf denen man Köpfe sieht, die beiden Augen in der gleichen Gesichtshälfte haben. Selbstverständlich war das eine Illusion, bewirkt durch Clevingers Neigung, stur die eine Seite, niemals aber auch die andere Seite der Dinge zu betrachten. Seiner politischen Neigung nach war ein Humanitarier, der rechts von links zu unterscheiden vermochte und sich unbehaglich zwischen beiden eingeklemmt fand. Er verteidigte ständig seine kommunistischen Freunde gegen seine Gegner von der Rechten und seine Freunde von der Rechten gegen seine kommunistischen Gegner und betrachtete im übrigen beide Gruppen mit Ekel, denn keine von beiden trat jemals für ihn ein, weil ihn beide für einen Narren hielten.“[5]
Englisches Original
„He often looked to Yossarian like one of those people hanging around modern museums with both eyes together on one side of a face. It was an illusion, of course, generated by Clevinger’s predilection for staying fixedly at one side of a question and never seeing the other side at all. Politically, he was a humanitarian who did know right from left and was trapped uncomfortably between the two. He was constantly defending hist Communist friends to his right-wing enemies and his right-wing friends to his Communist enemies, and he was thorougly detested by both groups, who never defended him to anyone because they thought he was a dope.“[6]
Bildung und Wissen vs. Realität und Alltag
Nach dieser Beschreibung passt Clevinger gut in das bürokratische System und in die militärische Kriegsmaschinerie, die auf Hierarchie und Gehorsam basiert und in der Scheinwerte vorgelebt werden. Da Clevinger keine eigene feste Meinung vertritt, übernimmt er die ihm durch seine enorme Wissensfülle bekannten Prinzipien, die er in der akademischen Welt erlernt hat und überträgt diese unreflektiert in die ihm vorliegende Realität. Im Grunde hat er jedoch keine eigene feste Meinung, die er von sich aus vertritt. Dies macht ihn zu einem leeren Gefäß, das mit fremden Inhalten aufgefüllt werden kann.
Zudem ist die Welt der Wissenschaften, in der er sich als hochgebildeter Absolvent einer Eliteuniversität bislang mit theoretischen Gedankenkonstrukten abseits jeder Realität beschäftigt, aber in nicht alltagstauglich. In diesem Sinne stellt Clevinger den typischen Akademiker dar, der zwar alles weiß und das Diskutieren und Prinzipienreiten beherrscht, jedoch in der Realität versagen muss, da er es hier nicht mit Prinzipien, sondern mit den Unabwägbarkeiten der realen Welt zu tun hat und Menschen nicht nach Lehrbuch handeln.
Clevinger – Militanter Idealist ohne Rückgrat
Dies zeigt sich auch bei der fortführenden Charakterisierung der Figur. Interessant ist, dass Heller hier nicht allein die Figur beschreibt, sondern zudem einen bestimmten Menschentyp, den es zu jeder Zeit irgendwie irgendwo schon gab und der auch in der Gegenwart der jeweiligen Rezipienten vorhanden ist.
Deutsche Übersetzung
„Er war ein sehr ernsthafter, bemühter und gewissenhafter Narr. Man konnte mit ihm keinen Film besuchen, ohne hinterher in eine Diskussion über Einfühlung, Aristoteles, universale Kunst, moralische Tendenzen und die Verpflichtungen zu geraten, die dem Film als einer Kunstform unserer materialistischen Gesellschaft auferlegt sind. Die Mädchen, die er ins Theater einlud, mußten sie bis nach der Pause warten, um zu erfahren, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Stück sahen, dann aber er fuhren sie es sogleich. Er war ein militanter Idealist, der Rassenvorurteile dadurch bekämpfte, daß er in ihrer Gegenwart ohnmächtig wurde. Was die Literatur anging, so wußte er darüber alles, nur nicht, wie man sie genießt.“[7]
Englisches Original
„He was a very serious, very earnest and very conscientious dope. It was impossible to go to a movie wih him without getting involved afterward in a discussion on empathy, Aristotle, universals, messages and the obligations of the cinema as an art form in a materialisstic society. Girls he tool tot he theater had to wait until the first intermission to find out from him whether or not they were seeing a good or a bad play, and then found out at once. He was a militant idealist who crrusaded against racial bigotry by growing faint in ist presence. He knew everything about literature except how to enjoy it.“[8]
Eben diese Einstellung macht Clevinger zu jemandem, der seinen Vorgesetzten blind glaubt bzw. den hinter seinen Vorgesetzten vermeintlich vorhandenen Prinzipien. Zu diesen gehören abstrakte Konzepte wie Vaterland, Pflichtgefühl und Loyalität. Clevinger und Yossarian streiten oft über diese Prinzipien, wobei Yossarian seinen Kameraden stets aufzieht oder ihn versucht, vor seinen eigenen Idealen zu bewahren. Dies gelingt ihm allerdings nicht immer, wie sich in einem späteren Kapitel noch zeigen wird.
Funktionale Intertextualität und »Catch 22«
Joseph Heller kennt sich aus in der Literatur, das zeigt er auch an seinen Figuren. Schon im ersten Kapitel hatte man den von Yossarian zweckentfremdeten Namen Washington Irving als US-amerikanischen Autor (1783–1859) von Kurzgeschichten wie ›The Legend of Sleepy Hollow‹ und ›Rip Van Winkle‹ ausmachen können.
Im zweiten Kapitel vergleicht Clevinger Yossarian zudem mit Raskolnikow aus Dostojewskis »Schuld und Sühne«. Die Figur ermordet eine alte Pfandleiherin mit einer Axt und versucht, die Tat in ein gutes Licht zu rücken. Raskolnikow leidet bis zu seinem Geständnis unter einem schlechten Gewissen und Verfolgungswahn. Er gesteht letztlich aber seine Tat und geht sühnend ins Straflager. Zwar hat Yossarian niemanden direkt ermordet, doch gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten. Auch für Captain Yossarian heiligt der Zweck die Mittel, allerdings möchte er sich retten und ist bereit, sich innerhalb der militärischen Institution strafbar zu machen.
Die Verschwörung ist im Gange
Captain Yossarian ist davon überzeugt, dass eine Verschwörung im Gange sei mit dem Ziel, ihn zu töten. Diese Menschen könnten aber nicht an ihn heran, erklärt er Clevinger, „weil er gleichzeitig Tarzan, die Dame ohne Unterleib und Wladimir Blatzkow sei. Er sei William Shakespeare. Er sei Kain, Odysseus, der Fliegende Holländer. Er sei Lot in Sodom, Dornröschen im verzauberten Schloß, Schweinchen Schlau zwischen Nachtigallen auf den Bäumen.“[9]
Englisches Orginal
[…]he was Tarzan, Mandrake, Flash Gordon. He was Bill Shakespeare. He was Cain, Ulysses, the Flying Durchmen; he was Lot in Sodom, Deirdre of the Sorrows, Sweeney in the nightingales among trees.“[10]
Es mag sein, das deutsche Leserinnen und Leser einige der genannten Namen nicht zuordnen können, weil es Werke US-amerikanischer Autoren sind. Eine adäquatere Übersetzung hätte sinnvoll sein können, um keine aus der Luft gegriffenen Assoziationen über das Werk zu stülpen. Ich muss deutlich machen: Ich rate dringend zum Lesen des Originals oder zu einer angemessen übersetzten Fassung!
Alle aufgezählten Werke beinhalten bestimmte Thematiken, die sich in »Catch 22« und auch in der Figur des Captain Yossarian wiederfinden. Es ist nicht davon auszugehen, das alle Leserinnen und Leser jede der genannten Figuren oder historischen Persönlichkeiten kennen und sie thematisch zuordnen können. Allerdings beweist Heller durch den Dialog der Figuren seine eigenen literarischen Kenntnisse, die er hier auf Yossarian und Clevinger überträgt.
Nur 55 Flüge – leere Versprechungen
Immer wiederkehrend ist zudem die Anzahl der Flüge, die Colonel Cathcart von den Soldaten erwartet. Die Zahl der Einsätze variiert. Sie wird immer weiter in die Höhe getrieben und stellt eine Scheinmotivation dar. Die Männer sollen einfach nur weiter Einsätze fliegen. Es ist eine leere Versprechung. Insofern fliegen die Soldaten solange, bis sie abgeschossen werden.
Exkurs: Stereotype – die Ursprünge
„Ursprünglich stammt der Begriff „Stereotyp“ (ebenso wie „Klischee“) aus dem Druckwesen und bezeichnete ein von dem französischen Drucker Didot 1796 erfundenes Verfahren, bei dem fest zusammengefügte Druckplatten bestimmte Textteile immer wieder reproduzieren konnten. In die wissenschaftliche Diskussion fand der Begriff 1922 durch den Journalisten Walter Lippmann Eingang. In seinem Werk „Die öffentliche Meinung“ verstand Lippmann Stereotype als verfestigte, schematische, objektiv weitgehend unrichtige Formeln, die entscheidungserleichternde Funktion in Prozessen der Um- und Mitweltbewältigung haben.“[11] In der Alltagskommunikation besitzen Stereotype einen großen Einfluss. Dies gilt insbesondere für die mediale Kommunikation.
Stereotype im Alltag
Oftmals verwechselt der Volksmund Vorurteile oder Klischees mit Stereotypen. Doch sind Vorurteile immer negativ und können sich neben Gruppen auch auf einzelne Personen beziehen. Dies ist bei Stereotypen nicht der Fall. Ein Klischee ist demgegenüber ebenfalls rein negativ. Es wird als „eingefahrene, überkommene Vorstellung nicht nur von Gruppen, sondern z. B. auch von Situationen begriffen.“[12]
Besonders wichtig bei der Definition von Stereotypen sind zwei Punkte:
- Zuschreibung von Eigenschaften und Verhaltensweisen auf Gruppen und Menschen, die im Wahrnehmungsprozess durch die Rezipienten zur Reduzierung der Komplexität beitragen
- Stereotypen haben immer kollektiven Charakter, da sie über Generationen hinweg weitergegeben und daher im Sozialisationsprozess erworben werden
In den Medien dominieren vor allem Stereotype der Geschlechterunterschiede. Aber auch nationale, regionale und ethnische Stereotype finden sich in den Unterhaltungsangeboten.[13]
»Catch 22« und Stereotype wie Clevinger
Und insbesondere bei der Figurendarstellung in »Catch 22« werden stereotype Darstellungen relevant, weil die im kulturellen Gedächtnis tradierten Marker dort direkt und indirekt offenbar werden. „Die entsprechenden Figurenmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass bestimmte – meist negativ bewertete – physische, psychische und soziale Eigenschaften sowie Verhaltensweisen an das zentrale Merkmal der Gruppenzugehörigkeit geknüpft sind. Werden einzelne signifikant stereotype Merkmale dargestellt, ruft das bei den Zuschauern oft das gesamte Stereotyp wach.“[14]
Die ausführliche Charakterisierung von Clevinger hat die Figur entsprechend der getätigten Aussagen durch die Erzählinstanz gekennzeichnet. Sein Verhalten und seine Aussagen in den folgenden Kapiteln können direkt darauf bezogen werden. Rezipienten können ihre Wahrnehmung auf diese und die damit verbundenen sowie die im kulturellen Gedächtnis tradierten Wissenselemente ausrichten und sie mit diesen Aussagen verbinden.
Figuren und Stereotype
Figuren sind durch soziale Rollen und Gruppen beschreibbar, da ihnen darüber im kulturellen Gedächtnis tradiertes Wissen zugeordnet wird, über das meist allgemein Konsens besteht. „Diese Zuordnung kann in Form einer Typisierung erfolgen, die den Figuren auf der Grundlage spärlicher Informationen ein starres Spektrum weiterer sozialer, aber auch physischer und psychischer Eigenschaften sowie Verhaltensweisen unterstellt.“[15] Figuren sind normativ aufgeladen und dienen bestimmten sozialen Interessen. Sie sind immer Stereotype für jemanden und insofern in einem soziokulturellen Kontext verortet. „Stereotype erscheinen als Übereinkünfte, dabei vermitteln sie selbst erst den größten Teil der Meinungen über Andere. Die gewohnten Stereotype einer Kultur können in einer anderen als fremdartige, seltsame oder exotische Konstrukte erscheinen.“[16]
Satire und Stereotype für die Erkenntnis
Der Texaner, Clevinger und der Soldat in Weiß oder der sterbende Colonel stellen jeder für sich auch bestimmte Stereotype dar. Vielleicht werden an ihnen sogar Klischees oder Vorurteile ausgestellt (möglicherweise sind auch Joseph Hellers eigene Ansichten in die Figurengestaltung eingeflossen). Gerade bei einer Gattung wie der literarischen Satire lassen sich den meisten Menschen bekannte Stereotypisierungen verzerren und karikieren. In diesem Sinne dienen sie der höheren Erkenntnis, die aus der literarischen Darstellung im besten Fall gewonnen werden kann.
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Verwendete Literatur:
Joseph Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen von Irene und Günther Danehl. Mit einem Nachwort zur deutschen Neuausgabe von Joseph Heller. Frankfurt am Main 1999.
Joseph Heller: Catch 22. London 1955.
Eder, Jens: Die Figur im Film. Grundlagen der Figurenanalyse. Marburg 2008.
Herzog Anja: Stereotype. In: Medien von A bis Z. Wiesbaden 2006, S. 329, online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90261-6_133.
[1] Joseph Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen von Irene und Günther Danehl. Mit einem Nachwort zur deutschen Neuausgabe von Joseph Heller. Frankfurt am Main 1999, S. 20.
[2] Joseph Heller: Catch 22. London 1955, S. 16-17.
[3] Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen, S. 86-87.
[4] Heller: Catch 22, S. 67.
[5] Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen, S. 87.
[6] Heller: Catch 22, S. 67-68.
[7] Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen, S. 87.
[8] Heller: Catch 22, S. 68.
[9] Heller: Catch 22. Aus dem Amerikanischen, S. 23-24.
[10] Heller: Catch 22, S. 19.
[11] Herzog, Anja: Stereotype. In: Medien von A bis Z. Wiesbaden 2006, S. 329, online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90261-6_133.
[12] Ebd.
[13] Ebd., S. 330.
[14] Eder, Jens: Die Figur im Film. Grundlagen der Figurenanalyse. Marburg 2008, S. 201.
[15] Eder: Die Figur im Film, S. 201.
[16] Ebd., S. 380.
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