Heathcliffs Rache in Sturmhöhe von Emily Brontë

Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Emily Brontës Roman Sturmhöhe wurde erstmals 1847 veröffentlicht und gilt als eines der herausragendsten Werke der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Es geht um Liebe, Rache, gesellschaftliche Schranken und um Tabus in jedweder Hinsicht. Mein Exemplar ist so alt, dass daß noch mit ß geschrieben wird. Mich interessiert besonders Heathcliffs Rache in Sturmhöhe. Es ist eine von einer männlichen Figur durchgeführte Rache, nicht wie die von Kriemhild aus dem Nibelungenlied. Doch bevor ich genauer darauf eingehe, eine kurze Einführung. Das Cover meines Exemplars ziert übrigens das Gemälde Boreas von dem englischen Maler John William Waterhouse.

Inhaltsverzeichnis

Zum sinngebenden Titel von Emily Brontës Sturmhöhe

In der griechischen Mythologie ist Boreas die Personifikation des winterlich-kalten Nordwindes. Das Bild passt zum Roman. Da sind wir auch gleich beim titelgebenden Namen: Wuthering Heights im Original – Sturmhöhe in der deutschen Übersetzung. Im Englischen bedeutet Wuthering soviel wie tobend, brausend, stürmisch, tosend – tosende Höhen, aufbrausende Windböen – Sturmhöhe. Die Frau auf dem Bild, sagen wir es handelt sich um Catherine, die Protagonistin, trägt ein Tuch, in das sie ihren Körper eingehüllt hat. Doch der Wind tost, braust, stürmt so stark, dass sie ihn festhalten muss, damit er nicht wegweht. Darüber hinaus steht sie in einer kargen Landschaft und blickt melancholisch drein, kein Lächeln, eher ein selbstvergessener Blick ins Leere. Ist sie ein Mensch oder ist sie das Gespenst, das nicht im Himmel bleiben wollte, sondern auf Erden über die kargen Moorlandschaften wandelt? Findet sie im Grab keine Ruhe und streift durch die kalte und raue Landschaft um Wuthering Height, auf der Höhe des Sturms? Die karge und harsche Landschaft im Hintergrund ist ein Spiegel des barschen und rachezerfressenen Heathcliff, der männlichen Hauptfigur, der ebenfalls nicht zur Ruhe kommt, in dessen Seele es stürmt und tost. Doch genug. Ich habe Sturmhöhe erneut gelesen. Mich interessieren mit frischem Blick mehrere Aspekte: Rache, Fremdheit und Gespenster. Heute will ich mich genauer mit Heathcliffs Rache in Sturmhöhe beschäftigen – in diesem Beitrag etwas informativer, der Essay zur Fremdheitsthematik wird freier. Zunächst eine kurze Einführung.

Zur Autorin Emily Brontë

Emily Brontë (1818–1848) war die mittlere der drei berühmten Brontë-Schwestern Charlotte Brontë mit dem Pseudonym Currer Bell (1816–1855), Emily Brontë mit dem Pseudonym Ellis Bell (1818–1848) und Anne Brontë mit dem Pseudonym Acton Bell (1820–1849). Sie wuchsen im Pfarrhaus in Haworth, Yorkshire, auf, umgeben von der rauen Moorlandschaft. Diese beeinflusste die Stimmung und das Setting von Emilys einzigem Romans Sturmhöhe stark. Sie war eine zurückgezogene, introvertierte Person und außerordentlich geniale Schriftstellerin mit einem präzisen Blick für zeitgenössische Verhältnisse und Beziehungen. Sturmhöhe war ihr einziger Roman. Er wurde zunächst unter ihrem Pseudonym Ellis Bell veröffentlicht, sodass angenommen wurde, ein Mann habe ihn verfasst. Obwohl das Buch zunächst gemischte Kritiken erhielt, wird es heute als eines der bedeutendsten Werke der englischen Literatur angesehen. Emily starb tragisch jung im Alter von 30 Jahren an Tuberkulose, nur ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Romans.

Eine kleine Einführung zum Inhalt von Wuthering Heights

Die düstere Geschichte spielt auf dem ländlichen Anwesen Wuthering Heights und dem benachbarten Thrushcross Grange im abgelegenen Yorkshire. Im Zentrum der Handlung steht – wie ich finde, weniger die tragische Liebe zwischen Heathcliff, einem Findelkind, das von der Familie Earnshaw aufgenommen wurde, und Catherine Earnshaw, der Tochter des Hauses – sondern vielmehr Heathcliffs Rache, die er langfristig strategisch anlegt. Diese wiederum steht in Verbindung mit der Liebesbeziehung. Es ist also umgekehrt, denke ich, auch weil sich Rachegelüste schon früh in ihm aufstauen. Ich werde das gleich noch an Textpassagen aufzeigen. Jedenfalls heiratet Catherine trotz ihrer Gefühle eben nicht Heathcliff, sondern den wohlhabenden Edgar Linton von Thrushcross Grange, weil er die bessere Partie ist (obwohl das auch mehrdeutig deutbar ist). Er verlässt Wuthering Heights und kehrt Jahre später als wohlhabender (allerdings weiß niemand, wie er das geschafft hat) und rachsüchtiger Mann zurück. Dann setzt Heathcliff seine Rache gnadenlos um, indem er Wuthering Heights und Thrushcross Grange an sich reißt und die nächste Generation, darunter Catherines Tochter Cathy, darin verwickelt. Der Zyklus der Gewalt kann erst mit dem Tod Heathcliffs und der Verbindung seines Sohnes Hareton und Cathys gebrochen werden.

Die Rezeption von Sturmhöhe

Sturmhöhe wurde bei seiner Veröffentlichung zwiespältig aufgenommen. Zeitgenössische Kritiker zeigten sich von der düsteren und gewalttätigen Atmosphäre schockiert und hatten Schwierigkeiten, die unkonventionellen Figuren zu akzeptieren. Es ist tatsächlich auffällig, wie häufig vom Teufel in jedweden Varianten gesprochen wird. Erst später wurde das Werk als Meisterwerk anerkannt und Emily Brontë als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen ihrer Zeit gewürdigt. Heute wird Sturmhöhe als ein Klassiker der Weltliteratur betrachtet, der in zahlreichen Adaptionen für Film, Theater und Fernsehen weiterlebt. Der Roman ist besonders für seine kraftvolle Darstellung von Leidenschaft und die erbarmungslose Natur der menschlichen Emotionen bekannt, eigentlich der Gewalttätigkeit und Unbarmherzigkeit des Menschen im Allgemeinen. Die unheimliche und zugleich faszinierende Atmosphäre, die Brontë mit ihren lebendigen Beschreibungen der bedrohlichen Spannung, der schwelenden Rachethematik inmitten der stürmischen Landschaft und den düsteren Ereignissen in Wuthering Heights schafft, bleibt unvergessen.

Die wichtigsten Figuren in Sturmhöhe

Die Figuren in Sturmhöhe sind sehr vielschichtig und detailliert konzipiert. Heathcliff, als eine der faszinierendsten und komplexesten Figuren der englischen Literatur, ist sowohl Opfer als auch Täter. Seine unbändige Liebe zu Catherine und sein ebenso großer Hass gegen jene, die ihm Unrecht getan haben, machen ihn zu einer ambivalenten Figur. Ich will eine kurze Aufstellung der Figuren aus Sturmhöhe vornehmen. Diese Figuren bilden ein komplexes Netz von Beziehungen, Konflikten und Emotionen, ihre Interaktionen treiben die Handlung voran und spiegeln die zentralen Themen des Romans wider.

Mr. Lockwood

Mr. Lockwood fungiert als der Rahmenerzähler, durch dessen Augen wir in die Geschichte eingeführt werden. Seine Figur besitzt verschiedene Funktionen, von denen ich hier einige aufzählen will:

Mr. Lockwood, der Mieter

Er ist ein wohlhabender Mann aus dem Süden Englands, der Thrushcross Grange, das Nachbaranwesen von Sturmhöhe, als Sommerresidenz mietet.

Mr. Lockwood, der Außenseiter

Als Neuankömmling in der Gegend ist er mit den komplexen Beziehungen und der Geschichte der Hauptfiguren nicht vertraut. Nelly Dean erzählt ihm davon, nachdem er es selbst mit ungewöhnlichen Erscheinungen zu tun bekommt.

Mr. Lockwood, der Katalysator

Durch seine, auf Neugier basierenden, Fragen an die Haushälterin Nelly Dean wird die Hauptgeschichte in Gang gesetzt. Nelly erzählt ihm die Geschichte von Heathcliff, Catherine und den anderen Charakteren.

Mr. Lockwood, der Kontrast

Lockwood dient als Kontrast der von Leidenschaft und Rache geprägten Welt von Wuthering Heights. Er repräsentiert die zivilisierte, städtische Gesellschaft – wobei aber eben dies auch wieder ein Diskurs für sich wäre.

Mr. Lockwood als unreliable Narrator bzw. unzuverlässiger Erzähler

In gewisser Weise ist Mr. Lockwood ein unzuverlässiger Erzähler, da seine Interpretationen der Ereignisse und Figuren auf seiner subjektiven Wahrnehmung basieren, er also voreingenommen ist. Auch deswegen, weil er fremd in der Gegend ist.

Mr. Lockwood als Erzählbrücke

Mr. Lockwood spielt also eine zentrale Rolle in der Struktur des Romans, weil er als Brücke, als jemand, der den Figuren auf Wuthering Heights ebenso fremd gegenübersteht wie Leserinnen und Leser, die das Buch neu aufschlagen und die Lektüre beginnen. Tatsächlich kommentiert er viele Sachverhalte, die ihm seltsam erscheinen, wie etwa die Gespenstererscheinung Catherines. Es wird wohl vielen Menschen bei der Lektüre ebenso ergehen.

Heathcliff aus Mr. Lockwoods Augen – Eine Beschreibung

„Mr. Heathcliff aber steht in zu seltsamen Kontrast zu seiner Behausung und Lebensweise. Er ist dem Äußeren nach ein schwarzer Zigeuner, nach Kleidung und Manieren ein Edelmann; das heißt, ein Edelmann wie die anderen Gutsbesitzer auch: ziemlich ungepflegt vielleicht, auch ziemlich mürrisch, und doch infolge seiner aufrechten und wohlgebildeten Figur nicht übel wirkend. Möglich, daß manche Leute ihn etwas dummstolz finden, mir sagt eine innere Stimme, daß er das nicht ist. Ich fühle vielmehr instinktiv: seine Zurückhaltung entspringt einem Widerwillen gegen übermäßige Gefühlsäußerungen – gegen gegenseitige Freundlichkeitsbeziehungen. Gewiß wird er auch leiben und hassen, aber im geheimen; würde man ihn jedoch wiederlieben oder -hassen, so würde er das wahrscheinlich als Impertinenz betrachten.“ (Emily Brontë: Sturmhöhe. Aus dem Englischen von Gisela Etzel. Berlin 2005, S. 8)

An diesem Zitat ist gut die subjektive Vereinnahmung von Mr. Lockwood gegenüber Heathcliff erkennbar.

Heathcliff

Heathcliff ist die zentrale Figur des Romans . Sein Name setzt sich zusammen aus dem Englischen »heath«, was Heide oder Heidekraut bedeutet und »cliff«, was Klippe oder Abgrund bedeutet. Der Name ist also wie so oft Programm. Heathcliff wird als Findelkind und von Mr. Earnshaw zugleich als „Gabe Gottes“ (S. 46) bezeichnet, das „fast so schwarz ist, als käme es vom Teufel“ (S. 46) und bei seiner Ankunft „ein Kauderwelsch, das niemand verstehen konnte“ (S. 46) spricht von Mr. Earnshaw aufgenommen und großgezogen. Dieser hatte ihn „stumm in den Straßen Liverpools gefunden.“ (S. 47) Von Natur aus wild und leidenschaftlich, wird Heathcliff durch seine unglückliche Kindheit und die Demütigungen durch Catherines Bruder Hindley zunehmend verbittert. Seine obsessive Liebe zu Catherine dagegen wird zur treibenden Kraft seines Handelns. Er ist ein Antiheld, dessen Taten sowohl Abscheu als auch Mitleid erregen. Beschrieben wird er als ein dunkler, intensiver und geheimnisvoller Charakter, dessen Aussehen seine ungestüme und leidenschaftliche Persönlichkeit widerspiegelt. Oft ist von dunklem, fast exotischem Aussehen die Rede, auch wird er als Teufel oder Dämon und Zigeuernbrut bezeichnet – dies unterscheidet ihn deutlich von anderen Figuren. Er hat einen dunklen Teint, dunkles Haar und dunkle Augen, die seine wilde Natur und seine inneren Qualen zeigen – all das unterstreicht seine Außenseiterrolle und trägt zu seiner Aura des Fremden und Bedrohlichen bei.

Catherine Earnshaw

Catherine ist die Tochter von Mr. Earnshaw und wächst auf Wuthering Heights auf. Sie ist von Natur aus lebhaft, eigensinnig und leidenschaftlich, teilt viele ihrer Eigenschaften mit Heathcliff, den sie über alles liebt. Ihre tiefe Verbundenheit zu ihm wird durch ihre Heirat mit einem anderen getrübt, Edgar Linton von Thrushcross Grange. Diese Entscheidung, die sie als die richtige Wahl erkennt, trotz der Liebe zu Heathcliff, führt zu ihrem inneren Konflikt und letztlich zu ihrem Tod. Ein Gespräch über ihre Entscheidung, Linton statt Heathcliff zu heiraten, hört dieser mit an und verschwindet daraufhin für einige Jahre. Es ist nicht die Heirat, die Heathcliff zur Umsetzung seiner Rachepläne treibt, sondern das seine Catherine ihm Edgar vorzieht. Er bekommt den Rest des Gesprächs leider nicht mit, dazu führe ich gleich noch die passende Textpassage auf. Catherine jedenfalls hat Vorahnungen in Bezug auf ihr Gespensterdasein und ihr jahrelanges und ruheloses Umherwandeln.

Edgar Linton

Edgar ist das Gegenteil von Heathcliff. Er stammt aus einer wohlhabenden und kultivierten Familie und ist der Herr von Thrushcross Grange. Edgar ist freundlich, sanft und moralisch, doch auch etwas schwach und passiv im Vergleich zu Heathcliffs Leidenschaft. Er ist Heathcliffs Gegenpol, liebt Catherine aufrichtig und heiratet sie, doch er kann nie ihre Liebe zu Heathcliff überwinden. Sein Leben wird durch Heathcliffs Rachepläne und Catherines stürmische Natur überschattet. Er repräsentiert Zivilisation, Kultiviertheit und soziale Normen.

Die Opposition von Heathcliff und Edgar wird an einer Textpassage besonders deutlich, die männlichen Figuren begehren Catherine, die diesen zwiespältig gegenübersteht.

„Zweifellos fiel Catherine der Gegensatz zwischen ihren beiden Freunden auf, jetzt, wo der eine eintrat und der andere hinausging. Es war etwa so, wie wenn man aus einem düsteren, unwirtlichen Lande kommend ein fruchtbares, sonniges Tal betriff. Schon allein Stimme und Gruß der beiden waren einander so entgegengesetzt, wie nur denkbar. Linton hatte eine süße, sanfte Sprechweise […]“. (S. 87)

Isabella Linton

Isabella ist Edgars Schwester, eine sanfte und empfindsame junge Frau, die sich unglücklicherweise in Heathcliff verliebt. Von seiner düsteren Aura angezogen, heiratet sie ihn gegen den Willen ihres Bruders, nur um später zu erkennen, dass sie in einer lieblosen und brutalen Ehe gefangen ist. Ihre naive Romantik wird schnell zerstört, als sie Heathcliffs Grausamkeit am eigenen Leib erfährt. Isabella flieht schließlich mit ihrem Sohn Linton nach London, wo sie ein Leben in Isolation und Elend führt. Sie entwickelt sich von einem naiven Mädchen zu einer desillusionierenden, aber starken Frau.

Hindley Earnshaw

Hindley ist Catherines älterer Bruder und Erbe von Wuthering Heights. Als der Vater Heathcliff als Sohn in die Familie aufnimmt, gerät die Balance aus den Fugen. Denn der alte Earnshaw bevorzugt Heathcliff gegenüber Hindley, der den Waisenjungen hasst und verprügelt. Der Vorteil, den Heathcliff bei seinem Vater hat wirkt sich also sehr zu seinem Nachteil aus, die Rachegedanken beginnen bereits in Kindertagen zu schwelen. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Hindley die Leitung des Anwesens und behandelt Heathcliff, den er seit Kindheitstagen verabscheut, wie einen Knecht. Sein tyrannisches Verhalten gegenüber Heathcliff und seine eigene Neigung zum Glücksspiel und Alkoholismus führen zu seinem Niedergang. Hindley wird von Heathcliff rücksichtslos ausgebeutet, indem er das Anwesen schließlich an sich reißt.

Hareton Earnshaw

Hareton ist Hindleys Sohn und somit der rechtmäßige Erbe von Wuthering Heights. Nachdem Hindley das Anwesen verloren hat, wird Hareton von Heathcliff wie ein Knecht behandelt und ohne Bildung und mit Grobheit erzogen. Trotz seiner rauen Erziehung behält Hareton eine gewisse natürliche Würde und eine freundliche Natur. Später entwickelt er eine enge Bindung zu Cathy Linton, Catherines Tochter, was schließlich die verfeindeten Häuser Wuthering Heights und Thrushcross Grange versöhnt

Catherine „Cathy“ Linton

Cathy ist die Tochter von Catherine Earnshaw und Edgar Linton. Sie erbt die Schönheit und den Stolz ihrer Mutter, ist jedoch sanfter und liebevoller im Wesen. Cathy wächst auf Thrushcross Grange auf und wird zunächst von Heathcliff in seine Rachepläne verwickelt, indem er sie zwingt, seinen kränklichen Sohn Linton zu heiraten. Am Ende des Romans entwickelt sie jedoch eine Zuneigung zu Hareton, und ihre Beziehung bietet einen Hoffnungsschimmer auf Heilung und Frieden nach den Generationen von Konflikten.

Linton Heathcliff

Linton ist der kränkliche Sohn von Heathcliff und Isabella. Er wird von seinem Vater als Werkzeug der Rache benutzt. Linton ist schwach und egoistisch, ein Produkt der toxischen Umgebung, in der er aufwächst. Nachdem er mit Cathy verheiratet worden ist, stirbt er kurz darauf.

Nelly Dean

Nelly Dean ist die Erzählerin eines Großteils der Geschichte und dient als Haushälterin sowohl in Wuthering Heights als auch in Thrushcross Grange. Sie ist eine bodenständige, meist moralische und treue Figur, die sich um die meisten Hauptfiguren kümmert und eine entscheidende Rolle in der Erzählung spielt. Ihre Sichtweise prägt das Verständnis für die Ereignisse und Figuren im Roman, weil sie als Haushälterin sowohl in Sturmhöhe als auch in Thrushcross Grange sämtliche Ereignisse beobachten kann. Nelly steht oft in einem Konflikt zwischen ihrer Pflicht und ihrer Zuneigung zu den Figuren.

Joseph

Joseph ist ein alter, frommer Diener in Wuthering Heights, der für seine strenge Religiosität und seinen eigensinnigen Charakter bekannt ist. Er bleibt dem Anwesen und seinen Herren treu, ist aber auch für seine humorvoll gezeichnete Bigotterie und seine unveränderliche Haltung bekannt.

Zeitgenössische Informationen – die viktorianische Ära (1837-1901)

Sturmhöhe wurde 1847 veröffentlicht und ist damit ein Roman der viktorianischen Ära (1837-1901). Diese Zeit war gekennzeichnet durch:

  • Industrielle Revolution: Rasante technologische und gesellschaftliche Veränderungen.
  • Strenge Moralvorstellungen: Die Gesellschaft legte großen Wert auf Anstand und Sittlichkeit.
  • Klassensystem: Strikte soziale Hierarchien bestimmten das Leben.
  • Rolle der Frau: Frauen hatten begrenzte Rechte und Möglichkeiten. Dass strukturelle Gewalt gegen Frauen nicht nur der Vergangenheit angehört, sondern ein immer noch aktuelles Thema ist, das habe ich im zugehörigen Beitrag besprochen. Inwiefern fremde Figuren zu Projektionsflächen von zeitgenössischen Weiblichkeitskonstruktionen werden habe ich an der Figur der jüdischen Rebecca aus Walter Scotts Ivanhoe analysiert.

In diesem Kontext war Sturmhöhe für viele Zeitgenossen schockierend. Die rohe Darstellung von Leidenschaft und Grausamkeit, die Missachtung sozialer Normen und die komplexe Erzählstruktur widersprachen den literarischen Konventionen der Zeit. Von einem Mann konnte dies noch als literarisches Experiment betrachtet werden, aber ein derartiger Roman, verfasst von einer Frau, sprengte den gesellschaftlich anerkannten Rahmen in mehrfacher Hinsicht. Sturmhöhe kann als Kritik an den starren gesellschaftlichen Strukturen und moralischen Zwängen der viktorianischen Ära gelesen werden. Der Roman stellt die wilden, ungezügelten Leidenschaften der Figuren den einengenden sozialen Erwartungen gegenüber und hinterfragt so die Werte seiner Zeit. Und natürlich steht mit Heathcliffs Rache in Sturmhöhe und überhaupt seiner Figur an sich auch die Frage bezüglich der Kolonialisierung im Raum und inwiefern sich seine Rache auf die englische Gesellschaft übertragen werden kann.

Die Rachethematik: Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Rache ist ein zentrales Thema in Sturmhöhe und geht vor allem von Heathcliff aus. Heathcliffs Rache in Sturmhöhe zieht sich durch den gesamten Roman und beeinflusst das Leben aller Figuren. Seine Motive sind komplex und wurzeln in seiner Herkunft, seiner Kindheit und der unerfüllten Liebe zu Catherine. Heathcliffs Rache ist oft subtil, dabei allerdings langfristig angelegt. Er manipuliert zu diesem Zweck Situationen und Menschen, nutzt dabei sowohl finanzielle als auch emotionale Mittel. Dabei dreht er den Spieß quasi um und nutzt Methoden der Unterdrückung, die die herrschaftlichen Machtinstanzen im Allgemeinen und im Besonderen zur Unterdrückung der Kolonialgesellschaften nutzten. Zu den Methoden gehört neben physischer und psychischer Gewalt auch der Entzug von Bildung, wie es bei dem Hareton der Fall ist.

Die Unbedingtheit von Heathcliffs Rache und wie weit er bereit ist zu gehen, wird schon früh deutlich. Er erwähnt dies sogar gegenüber Nelly Dean:

»Ich überlege, wie ich es Hindley heimzahlen werde. Es ist mir gleich, wie lange ich warten muß, wenn ich’s ihm nur endlich geben kann. Ich hoffe, er wird nicht vorher sterben.«
»Schäme dich, Heathcliff«, sagte ich. »Es ist Gottes Sache, böse Menschen zu bestrafen; wir sollten lernen zu verzeihen.«
»Nein, Gott würde nicht die Genugtuung haben, die ich haben werde«, erwiderte er. »Wenn ich nur den besten Weg wüßte! Laß mich in Frieden, und ich werde es schon herauskriegen; solange ich daran denke, fühle ich keinen Schmerz.« (Sturmhöhe, S. 76)

Warum übt Heathcliff Rache in Sturmhöhe?

Grund 1 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Kindheitstraumata

Als Waisenkind wurde Heathcliff zwar von Mr. Earnshaw aufgenommen, allerdings nach dessen Tod von Hindley gedemütigt und misshandelt – gemobbt, könnte man auch in modernem Sprachgebrauch sagen. Diese frühen Erfahrungen von Ablehnung und Erniedrigung prägten seinen Charakter nachhaltig und er rächt sich nach seiner Rückkehr auf strategisch bösartige Weise an allen Beteiligten und ihren Verwandten. Allerdings müssen die dahinter stehenden Mechanismen eingehender betrachtet werden. Denn Heathcliff wird von Catherine und Hindleys Vater bevorzugt, was ihm gegenüber Hindley zum Nachteil gerät.

Zitat aus Sturmhöhe, wie Hindley Heathcliff quält

„Dennoch konnte ich nicht in Heathcliff vernarrt sein, und ich wunderte mich oft, was meinen Herrn an dem mürrischen Jungen so entzückte, der, soweit ich mich erinnere, seine Liebe durch kein Zeichen der Dankbarkeit belohnte. Er wußte aber gut, wie sehr der alte Herr ihn ins Herz geschlossen hatte und daß er nur den Mund zu öffnen brauchte, damit das ganze Haus sich seinen Wünschen fügte. Ich erinnere mich zum Beispiel, daß Mr. Earnshaw ein paar Füllen gekauft hatte und jedem der Knaben eines gab. Heathcliff nahm das stattlichste, aber es wurde bald lahm [… Heathcliff fordert nun Hindleys Pferd und will ihn nach dessen Verweigerung damit erpressen, dem Vater von der Prügel Hindleys und den blauen Flecken zu erzählen – wohl wissen, dass der Vater ebenso mit Hindley verfahren würde.]

Hindley warf [mit dem Gewicht einer Kartoffelwaage] und traf ihn an der Brust, und er fiel zu Boden, erhob sich aber gleich wieder, wankend, atemlos und bleich. Und hätte ich ihn nicht zurückgehalten, so wäre er sofort, in diesem Zustand, vor den Herrn getreten und hätte volle Rache bekommen. ›So nimm mein Pferd, du Zigeuner!‹ sagte der junge Earnshaw, ›und ich hoffe, daß es dir den Hals brechen wird, du verwünschter Bettelbub! Umschwänzle meinen Vater nur so lange, bis du ihn um Hab und Hut gebracht hast – dann aber zeig ihm, was du bist, du Satansbrut! Und nimm das hier, ich hoffe, daß es dir den Garaus macht!‹

Heathcliff hatte den Gaul losgebunden und wollte ihn in seinen eigenen Stall hinüberführen. Er ging hinter dem Pferd her, als Hindley seine Rede damit abschloß, daß er ihn unter die Hufe des Tieres stieß. Dann lief er davon, so schnell er konnte. Es war erstaunlich, wie kaltblütig Heathcliff sich aufraffte und in seinem Vorhaben fortfuhr. Er tauschte Sattel und Zaumzeug aus und setzte sich dann auf einen Heuhaufen, um vor Betreten des Hauses die Schwäche zu überwinden, die der heftige Stoß ihm verursacht hatte. Ich überredete ihn leicht, zu erklären, das Pferd habe ihn so übel zugerichtet; er hatte, was er wollte, und das andere kümmerte ihn wenig. Er beklagte sich tatsächlich so selten, daß ich ernstlich glaubte, er sei nicht rachsüchtig. Wie Sie hören werden, täuschte ich mich darin vollkommen. (S. 49-51)

Deutlich wird an dieser Szene die Komplexität der Beziehungen und ebenso, dass es nicht leicht ist, Täter und Opfer zu unterscheiden. Man könnte sagen, dass Heathcliff das dysfunktionale Element in der Familie ist, durch seine Ankunft stört er die Balance, bringt Chaos. Inwiefern das mit der Fremdheitsthematik, mit der ich mich schon bei Kellers Romeo und Julia auf dem Dorfe auseinandergesetzt habe, hängt hebe ich mir für den nächsten Essay auf).

Grund 2 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Soziale Ausgrenzung

Heathcliff wird von Mr. Earnshaw „in den Straßen Liverpools gefunden“ (S. 47), einem multikulturellen Umschlagplatz nicht nur im Zusammenhang mit der Sklaverei und Kolonialisierung, sondern auch aufgrund der vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die als Reisende oder Schiffsarbeiter dort aufschlugen. Heathcliff ist also aufgrund seiner dunklen Hautfarbe, „fast so schwarz [als käme sie] vom Teufel“. (S. 46) Er ist ein Fremder in mehrfacher Hinsicht und wird entsprechend von der Gesellschaft auf Wuthering Heights als Außenseiter, als „Zigeunerbrut“ (S. 46) behandelt. Die ständige Diskriminierung, die er von seiner Umgebung erfährt, nährt seinen Groll gegen die etablierte soziale Ordnung.

Grund 3 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Der Verlust von Catherine

Heathcliff hegt eine obsessive und leidenschaftliche Liebe zu Catherine Earnshaw. Auch Catherine liebt ihn. Es gibt berühmte Zitate, die ich auch an dieser Stelle nicht vorenthalten will:

„Meine Liebe zu Heathcliff gleicht den unterirdischen ewigen Felsenmassen: sie sind keine Quelle großen Entzückens, aber sie sind notwendig. Nelly, ich bin Heathcliff“ Er ist immer, immer in meinen Gedanken, in meinem ganzen Sein; nicht als ein Freundgefühl, ebensowenig wie ich mir selbst eine Freude bin, aber als mein eigenstes Wesen.“ (S. 102). Catherine bekennt vor Nelly außerdem: „Er ist in meiner Seele.“ (S. 197)

Dagegen können sie eine kurze Zeit und unmittelbar vor Catherines Tod zusammen sein.

„Und er küßte sie mir trunkener, verlorener Gier. Dann, nach einer Weile, sagte er: ›Jetzt lehrst du mich, wie grausam du gewesen bist – grausam und falsch! Warum verwarfst du mich? Warum betrogst du dein eigenes Herz, Cathy? Ich habe kein Wort des Trostes für dich. Du hast dir dein Schicksal selbst geschmiedet – du hast dich selbst getötet! Und unsere Tränen und Küsse jetzt – sie richten dich, sie vernichten, verdammen dich! Du liebtest mich, mich – welches Recht hattest du dann, mich zu verlassen?“ (S. 198-199)

Der Katalysator für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Neben den Diskriminierungen und der Ausgrenzung, die Heathcliff in seiner Kindheit erfährt, ist dieser emotionale Verlust der Hauptkatalysator für seine Rache. Meiner Ansicht nach liegt er neben allen anderen Gründen für die Rache begründet in einem Gespräch zwischen Catherine und Nelly, das Heathcliff mit anhört, allerdings nicht bis zum Schluss, so dass er nicht alles mithört, was Catherine sagt. Inwiefern die Geschichte anders ausgegangen wäre, hätte er dieses folgenreiche Gespräch mit angehört, kann leider nicht mehr nachvollzogen werden.

„[…] Ich habe keine größere Veranlassung, Edgar Linton zu heiraten, als ich Veranlassung hätte, mich nach dem Himmel zu sehen. Und wenn nicht jener Wüterich da drüben Heathcliff so ganz zerstört hätte, so würde ich an den anderen gar nicht gedacht haben. Jetzt würde es mich herabwürdigen, Heathcliff zu heiraten, und darum soll er nie wissen, wie sehr ich ihn liebe – ihn liebe, nicht weil er hübsch ist, Nelly, sondern weil er mehr mein Ich ist, als ich selber es bin. Woraus auch unsere Seelen geschaffen sein mögen: seine und meine Seele gleichen sich völlig; und Lintons Seele ist so anders, wie ein Mondstrahl anders ist als ein Blitz, oder Frost anders als Feuer.‹

Noch ehe sie zu Ende geredet hatte, bemerkte ich [Nelly] Heathcliffs Anwesenheit. Ich vernahm ein leichtes Geräusch, hob den Kopf und sah ihn von der Bank hinterm Herd aufstehen und davonschleichen. Er hatte alles mit angehört, und als Catherine sagte, daß es sie herabwürdigen würde, ihn zu heiraten, ging er hinaus.“ (S. 100)

Grund 3 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Machtlosigkeit und Ohnmacht – Ungerechtigkeit

In seiner Kindheit und Jugend war Heathcliff den Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Anfeindungen machtlos ausgesetzt.

Dazu auch eine Textpassage. Heathcliff ist in die Familie aufgenommen und auf den Namen des verstorbenen Sohnes getauft worden. Nelly erzählt von der Aufnahme Heathcliffs in die Familie.

„Miß Cathy und er warten nun dicke Freunde, aber Hindley haßte ihn, und – ich muß es gestehen – ich tat ebenso. Wir quälten ihn, wo wir nur konnten und behandelten ihn schändlich, denn ich war nicht vernünftig genug, meine Ungerechtigkeit einzusehen, und die Herrin sagte nie ein Wort, wenn sie sag, daß ihm ein Unrecht geschah.“ (S. 48)

Es sind mehrere Dinge, die hier mitschwingen, neben der bereits erwähnten Gewalt. Heathcliff wird um seiner selbst willen gehasst, man quält ihn ohne Grund, weil man es kann. Das ist ungerecht. Diese Ungerechtigkeit wird im Moment der Ausübung nicht erkannt, erst rückblickend erwähnt Nelly diesen Umstand kurz für sich selbst. Und dann ist da nicht die Tatsache, dass es unbeteiligte Instanzen gibt, die nicht eingreifen, den Missbrauch stillschweigend dulden. Solch eine Behandlung hinterlässt Spuren in der Seele. Heathcliff befreit sich über seine Rache aus der Ohnmacht und übt infolgedessen Macht aus – allerdings nutzt er dieselben Mechanismen, die zuvor auch seine Peiniger an ihm angewandt haben. Wie du mir, so ich dir? Auge um Auge? Oder doch Siebzig mal sieben – wie es in der Bibel steht. Dazu gleich mehr.

Grund 4 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Verbitterung und Verzweiflung

Wie sehr muss Heathcliff gelitten haben unter der Abweisung, der körperlichen Gewalt und dem psychischen Drangsalieren mit Cathy als einziger Freundin. Und diese einzige Person, die zu ihm hält, zumindest dachte er dies, heiratet jemand anderen, weil dieser besser situiert ist. Verzweiflung und Verbitterung sind für Heathcliff entsprechend lebenslange Begleiter, die er nicht mehr abzustreifen vermag. Die Rache wird sein einziger Lebensinhalt, nur in der Rache schafft er es, weiterzuleben.

Grund 5 für Heathcliffs Rache in Sturmhöhe: Der Wunsch nach Gleichstellung

So absurd es klingen mag, aber hinter der Rache von Heathcliff könnte der Wunsch nach Gleichstellung stecken, der Wunsch nach Zugehörigkeit. Einer Zugehörigkeit, die er sein ganzes Leben lang nicht erfahren konnte, die ihm auch durch die Heirat mit Catherine versagt blieb. Die Rache dient Heathcliff also dazu, sich trotz seiner niederen Herkunft durch Anwendung der machtausübenden Methoden der höheren Klassen (physische und psychische Gewalt, Verweigerung von Bildung, Ausschluss von Informationen) sich auf eine Stufe mit dieser zu stellen, bzw. Andere durch Machtausübung unter sich zu stellen.

An welche Figuren richtet sich Heathcliffs Rache in Sturmhöhe?

Ich werde folgend noch die Figuren aufführen, an denen sich Heathcliff rächt und warum. Dabei ist aber zu beachten, dass seine Rache wiederum die Rache andere Figuren hervorbringt. Gewalt erzeugt Gegengewalt, Rache erzeugt Rache, so könnte man sagen. Oder mit den Worten des Physikers und Mathematikers Isaac Newton erzeugt Druck eben Gegendruck.

Ein Zwischenfazit kann gezogen werden – Heathcliffs Rache ist eine komplexe Mischung aus persönlichem emotionalem Schmerz aufgrund erfahrener Diskriminierung und Zurückweisung in Liebesangelegenheiten, gesellschaftlicher Ablehnung und Ausgrenzung sowie dem Wunsch nach Zugehörigkeit. Es wäre also falsch Heathcliff als den Teufel oder Dämon hinzustellen, als der er im Roman so oft bezeichnet wird. Seine Rache liegt im Verhalten der anderen Figuren ihm gegenüber begründet. Heathcliff ist insofern eine tragische und hochkomplexe Figur, nicht nur ein eindimensionaler und rachebesessener Antagonist. An seiner Figur werden das Leid und die emotionalen Wunden offenbar, die Menschen anderen Menschen zufügen und die dann in katastrophaler Tragik münden, auch wenn das einst erlebte Unrecht durch diese Handlungen ausgeglichen werden soll.

An wem rächt Heathcliff in Emily Brontës Sturmhöhe sich in welcher Form?

Heathcliffs Rachepläne sind komplex in Emily Brontës Wuthering Heights sind komplex, sehr strategisch und langfristig angelegt, das heißt, es werden mehrere Generationen mit einbezogen. Es ergibt sich ein regelrechtes Netz, das ausgehend von seinen Plänen, die Rache andere Figuren heraufbeschwört und forciert. Vielleicht zuerst noch die Funktionsweise von Heathcliffs Rache in Sturmhöhe, wie er sie selbst beschreibt.

„Der Tyrann drückt seine Sklaven zu Boden, und sie erheben sich nicht wieder ihn – sie zermalmen die noch tiefer stehenden.“ (S. 140) Es handelt sich hier wohl um ein anthropologisches Prinzip – Gewalt in jedweder Form.

1. Hindley Earnshaw und Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Wie beschrieben hat Hindley Heathcliff schon immer schlecht behandelt, ihn nach dem Tod von Mr. Earnshaw allerdings zu seinem Diener degradiert, obwohl Heathcliff ein Mitglied der Familie ist. Hindley ist spielsüchtig, das nutzt Heathcliff aus, um ihm Wuthering Heights abzunehmen. Nächtelang sitzen sie beisammen, spielen und trinken, sodass Hindley Geld auf sein Land aufnehmen muss.  Schließlich verliert er das Anwesen an Heathcliff und stirbt gebrochen und verarmt.

2. Heathcliffs Rache an Edgar Linton

Edgar Linton ist wie an der weiter oben zitierten Textpassage beschrieben Heathcliffs antagonistischer Gegenpart, Nebenbuhler um Catherines Liebe, den sie auch heiratet. Die durch die Wahl des Anderen entstandene Abwertung löst in Heathcliff Neid, Eifersucht und Hass aus. Edgar hat mit Isabella eine Schwester, die im Zuge von Heathcliffs Racheplänen zum Kollateralschaden wird. Er heiratet sie, nicht aus Liebe, sondern um Edgar zu schaden, indem er sie schlecht behandelt und grausam zu ihr ist. Später sorgt er mit seinen Racheplänen auch in der nächsten Generation für Unruhe, in dem er die Tochter von Edgar und Catherine (die auch Cathy heißt) mit seinem Sohn Linton verheiratet. Diese Heirat verschafft ihm die Kontrolle über das Anwesen von Edgar, Thrushcross Grange.

3. Heathcliffs Rache an Isabella Linton

Isabella ist Opfer der Seiteneffekte von Heathcliffs Rache und im Grunde austauschbar, weil es ihm nicht um sie, sondern um ihren Bruder ging. Sie verliebt sich in Heathcliff und ignoriert alle Warnungen bis sie kurze Zeit später bemerkt, was wirklich los ist.  Sie ist ihm im Grunde völlig egal, er heiratet sie nur der Rache wegen, in Folge derer er sie psychisch und physisch quält. Er benutzt Isabelle nur zur Zerstörung von Edgars Familie.

Heathcliff sieht Isabella „kaum als vernunftbegabtes Wesen“ (S. 186), dabei weiß er genau, dass sie ihn in ihrer anfänglichen Verliebtheit als „einen romantischen Helden [mit] ritterlicher Ergebenheit“ (S. 186) sah, sich verrannt hatte in eine nicht existente Idee. „Jetzt endlich fängt sie an, mich zu kennen. Ich sehe nicht mehr das dumme Lächeln und die albernen Grimassen, die mich so ekeln, und endlich scheint sie nun zu begreifen, daß sie mir über alle Maßen widerwärtig ist. Ihr Scharfblick, mit dem sie endlich entdeckte, daß ich sie nicht liebe, ist bewunderungswürdig. Ich dachte schon, keine Erfahrung könne ihr das beibringen. […] Das erste, was ich tat, als wir Thrushcross Grange damals verließen, war, daß ich ihren kleinen Hund aufknüpfte. Aber keine Brutalität widerte sie an. Ich vermute, sie hat eine angeborene Bewunderung dafür. Solange nur ihre eigene werte Person verschont bleibt. Ich bitte dich, Nelly, war es nicht das denkbar absurdeste, die wahre Idiotie, daß dies jammervolle, hündisches, schwachsinnige Geschöpft träumte, ich könne sie lieben?! Sage deinem Herrn, Nelly, daß ich in meinem ganzen Leben keinem so niedrigen Wesen begegnet bin wie ihr. Der Name Linton ist zu gut für sie. Sie hält alles aus, was ich ihr antue; jede Beleidigung, jede Folter! Sie erschöpft meine Erfindungsgabe – ich habe keine Qualen mehr für sie.“ (S. 186-187)

Rache erzeugt Gegenrache von Isabella

Nach Catherines Tod ist Heathcliff ein gebrochener Mann und Isabella freut sich über seinen Zustand, als sie ihn trauernd und verzweifelt antrifft. Bei jedem anderen Trauernden hätte sie Mitleid gehabt, doch da hier Heathcliff der Trauernde ist, freut sie sich über sein Leid, und konnte „doch nicht widerstehen, ihm einen Dolchstoß zu versetzen. Seine Schwachheit war die einzige Gelegenheit, die mich die süße Rache kosten ließ, Böses mit Bösem zu bezahlen.“ (S. 221)

4. Heathcliffs Rache in Sturmhöhe an Linton Heathcliff

Linton ist Heathcliffs eigener Sohn aus seiner Verbindung mit Isabella. Doch auch diese Verbindung kann ihn nicht davon abhalten, ihn als weiteres Werkzeug seiner Rache einzusetzen. Indem er Cathy zwingt, Linton zu heiraten, erhält er die Kontrolle über Thrushcross Grange. Da es nicht besonders gut um seine gesundheitliche Widerstandskraft bestellt ist, er zudem von Heathcliff aufgrund der Instrumentalisierung stark vernachlässigt wird, stirbt er kurz nach der Hochzeit.

5. Heathcliffs Rache an Cathy Linton (später Cathy Heathcliff)

Cathy ist die Tochter von Edgar Linton und Catherine Earnshaw. Obwohl Heathcliff sie nicht direkt hasst, sieht er sie wie seinen Sohn Linton als Racheinstrument. Indem er sie mit seinem Sohn verheiratet, erhält er Zugriff auf Edgars Ländereien und das Anwesen. Nach Lintons Tod wird zu einer Art Gefangene von Heathcliff, zumindest bis dieser stirbt und sie und Hareton sich näherkommen.

6. Heathcliffs Rache an Hareton Earnshaw

Hareton ist der Sohn von Hindley Earnshaw und wird von Heathcliff für die Gemeinheiten seines Vaters über den Tod hinaus bestraft, wofür er nichts kann. (Es wäre interessant, die Aspekte der generationellen Übertragung von Schuld und Scham zu behandeln) Heathcliff sorgt dafür, dass Hareton keine Bildung erhält und in Armut – eben dieselbe Behandlung erfährt, wie Heathcliff von Hindley. Dies dient ausschließlich dem Zwecke der Erniedrigung. Hareton werden seine Rechte als Erbe verweigert und er wird in Unwissenheit gehalten, nur ist er zudem so intelligent, dass er weiß, dass er ungebildet ist. Dies löst Eifersucht auf Cathys Bildung aus, wie Nelly feststellt (S. 356) Er liest heimlich laut in Cathys Büchern, was sie hört und sich über ihn und seine Ausdrucksweise lustig macht. Er habe kein Recht, sich das, was ihr gehöre anzueignen, und es ihr mit widerlichen Fehlern und falschen Betonungen zu vergellen, weil die Bücher, Prosa und Verse, ihr heilig seien. (S. 357) Allerdings verkehren sich die Gefühle der beiden letztlich und sie finden zueinander.

7. Heathcliffs Rache in Sturmhöhe und Catherine Earnshaw

Catherine ist Heathcliffs Lebensliebe und umgekehrt ist es ebenso. Doch sie entscheidet sich für Edgar Linton. Heathcliff hört ein Gespräch zwischen Nelly und Catherine heimlich mit an, in der sie erwähnt, dass eine Heirat mit ihm unter ihrer Würde sei. Doch verschwindet er daraufhin und bekommt den Rest der Unterhaltung nicht mit. Rachegedanken wird er schon seit Kindesbeinen aufgrund der Diskriminierung, Ungerechtigkeiten und soziale Ausgrenzung erfahren haben. In diesem Sinne ist Catherines Wahl ein weiterer Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Auch, wenn er sich nicht an Catherine rächen will, so führen seine Rachetaten doch zu ihrem frühen Tod.

„Auf Thrushcross Grange weiß jeder, daß Ihre Schwester noch lebte, wenn Mr. Heathcliff nicht wäre.“ (S. 223) So Nelly Dean im Gespräch mit Mr. Earnshaw.

Heathcliff ist über Catherines Tod tief verzweifelt und kann sie nicht loslassen. Seine Besessenheit ist so groß, dass er Catherine sogar nach ihrem Tod noch sucht, sogar das Grab öffnen lässt. Er fordert sie auf, ihn heimzusuchen und ihn nicht in Ruhe zu lassen. Und in der Tat gespenstert sie über die Landschaft, ähnlich der Frau im Boreas Gemälde von John William Waterhouse. Catherine hat selbst davon geträumt, als sie sich im Himmel wähnte und sich dort nicht heimisch fühlte, sodass sie von den Engeln wieder „mitten auf die Heide hinunter, auf die Höhe von Wuthering Heights“ (S. 100) geschleudert wurde.

Eine Zusammenfassung von Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Heathcliffs Rache in Sturmhöhe ist umfassend und richtet sich gegen die gesamte Gesellschaft, die ihm Unrecht getan hat. Er nutzt die Schwächen der Menschen aus und nimmt ihnen alles, was ihnen lieb und teuer ist. Dazu gehören Hab und Gut, aber auch Freiheit und  Bildung, der Erwerb von Wissen. Er zerstört seine Opfer emotional, fügt ihnen psychischen und physischen Schaden zu. Dabei befriedigt ihn sein Rachefeldzug letztlich nicht. Er ist Täter und Opfer zugleich. An seiner Figur wird die Conditio humana, die Verfassung des Menschen in Bezug auf das Böse in all seinen Facetten gezeigt, in allen ihren grenzüberschreitenden und moralischen Verwerfungen, die nicht mit dem Tod enden, sondern weit darüber hinaus nachwirken bis in die nächsten Generationen und ins Metaphysische hinein. Überdies ist natürlich die Frage nach dem Glauben und nach dem Wirken Gottes in seiner Figur präsent. Und so kann man sich letztlich die Frage stellen, ob Heathcliff nicht ein Werkzeug Gottes ist, um böse Menschen zu bestrafen. Ist Sturmhöhe insofern eine Warnung, Außenseiter und Menschen anderer Herkunft gleichtgestellt und mit Respekt zu behandeln? Diese Frage muss sich jeder – auch im Angesicht seines eigenen Verhaltens gegenüber Menschen, die anders sind, selbst beantworten.

Weiterführende Frage zu Heathcliffs Rache in Sturmhöhe

Welche Rolle spielen die Verweise auf Bibelstellen, die sich mit Vergebung und Rache auseinandersetzen (Siebzig mal Sieben, Auge um Auge usw.)

Verwendete Literatur

Emily Brontë: Sturmhöhe. Aus dem Englischen von Gisela Etzel. Berlin 2005.
Fegan, Melissa: Wuthering Heights. Character Studies. London 2008.
Sturmhöhe: Liebe, Hass und Rache. Online auf Arte.tv: https://www.arte.tv/de/videos/103046-000-A/sturmhoehe-liebe-hass-und-rache/ (zuletzt aufgerufen am 27.08.2024).

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