Land of Bad: Kameradschaft in Zeiten moderner Kriegsführung

Land of Bad ist ein Actionfilm über die Tücken der modernen Kriegsführung und den Erlebnissen von im Geheimen agierenden Special Forces-Einheiten.

Land of Bad ist ein Film von 2024, den ich nicht sehen wollte. Die kurze Zusammenfassung hörte sich nach einer dieser US-Filme an, in denen eine erfahrene Spezialeinheit bis an die Zähne bewaffnet in den Dschungel zieht, um einen Agenten aus den Händen einer Terrororganisation zu befreien, wobei es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall kommt und mindestens ein Drittel des Films nur aus Explosionen und Schusswechseln besteht. Ich habe also nicht viel erwartet, als ich mir den Film mit einem Freund ansah. Und doch war ich am Ende überrascht, denn es werden sehr interessante Themen und Diskurse aufgeworfen, die alarmierend aktuell sind – natürlich trotzdem mit Explosionen, Schusswechseln und blutigen Kampfszenen. Die haben aber neben der offensichtlichen Funktion zur Unterhaltung durchaus ihre Berechtigung. Welche Themen sind das also, die ich für aktuell halte und darüber hinaus als diskussionswürdig einstufe?

Themen in Land of Bad

Der Titel Land of Bad leitet sich ab von dem fiktiven Konzept, das oft als Metapher für eine dystopische oder feindselige Umgebung verwendet wird und in dem Gewalt, Korruption, Armut und Unterdrückung vorherrschen. Es steht im Gegensatz zum ‘Land of Good’ oder dem ‘Land of Plenty’, das für Wohlstand, Harmonie und Wohlbefinden steht. Die feindliche Umgebung befindet sich in diesem Fall auf den Philippinen. Oder kann der Begriff mehrdeutig verstanden werden? Was ist das Land of Bad, wenn es als Metapher ganz allgemein für die dunkle Seiten des Menschseins steht? Im Film jedenfalls wird neben dem geheimen Einsatz der Spezialeinheit die moderne Kriegsführung inszeniert sowie mit dem dargestellten Konsumverhalten eine alle Bereiche des Lebens durchziehende Kommerzialisierung aufgezeigt. Thematisiert wird ebenfalls eine Veränderung im gemeinschaftlichen Miteinander bei Kampfeinsätzen, eine Folge wohl der Digitalisierung und damit einhergehenden Entfremdung. Besondere Schlagworte diesbezüglich sind Kameradschaft und Brüderlichkeit. Und über allem steht natürlich die Tatsache der realen Kämpfe von Spezialeinheiten auf den Philippinen (und überall sonst auf der Welt), von deren Einsätzen die Normalbevölkerung nichts mitbekommt. Daher werden gleich zu Beginn folgende Zeilen eingeblendet:

In der philippinischen Sulusee operieren derzeit einige der brutalsten Terrororganisationen Südostasiens.
Die Geheimdienste zahlreicher Länder führen gemeinsam einen globalen Kampf gegen die Extremisten. Einen Kampf, in dem viele Männer und Frauen täglich ihr Leben riskieren.
Wir befinden uns im Krieg … wir wissen es nur nicht.[1]

Zum besseren Verständnis werde ich noch kurz die Handlung zusammenfassen und die wichtigen Figuren vorstellen.

Land of Bad – eine kurze Zusammenfassung

Bei dem Film Land of Bad von Regisseur William Eubank von 2024 handelt es sich um einen Kriegsfilm, in dem verschiedene Themen diskutiert werden. Der von Liam Hemsworth verkörperte Sergeant JJ Kinney ‘Playboy’ ist als vierter Mann in einem Team der Delta Force-Spezialeinheit eingebunden, das aus Sergeant Abell (Luke Hemsworth), Sergeant Bishop (Ricky Whittle) und Master Sergeant John ‘Sugar’ Sweet (Milo Ventimiglia) besteht. Unterstützt werden sie nach ihrem Absprung auf die Philippinen durch den Drohnenpilot Eddie Grimm ‘Reaper’ (Russell Crowe) und seine Kameradin Staff Sergeant Nia Branson (Chika Ikogwe), die in den USA auf dem Stützpunkt von ihrem Pult im Kontrollraum aus alles überwachen. Die Militärmission sieht das Vorgehen gegen die Terrororganisation Abu Sayyaf vor. Es kommt zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall, bei dem es für das Team schlecht aussieht und die Überlebenschancen nur von den Fähigkeiten Reapers und seiner Kameradin abhängen. Versuche, Kinney aus der Gefahrenzone zu bringen, scheitern und es kommt zur Gefangennahme. Damit ein ungefährer Einblick davon gewonnen wird, wovon ich hier überhaupt rede, hier der Trailer. Ich werde auch auf einige Filmszenen eingehen. Wer den Film also gerne sehen will, sollte sich überlegen, ob er sich spoilern lassen möchte.

Link zum Trailer.

Wichtige Figuren in Land of Bad

Captain Eddie Grimm ‘Reaper’

Drohnenpilot Eddie Grimm ‘Reaper’ (passend übrigens zu der Drohne MQ-9 Reaper, die das US-Militär bei Einsätzen verwendet) hat ein loses Mundwerk, was ihn seine Karriere gekostet hat, wie er selbst zugibt. Sein Auftreten zu Beginn des Films lässt diesbezüglich keine Zweifel aufkommen. Es wirkt seltsam, ihn zwischen den weitaus jüngeren Soldatinnen und Soldaten zu sehen. Er ist noch von der alten Schule, legt Wert auf Struktur und Ordnung, wie gleich bei der Einführung seiner Figur im Umgang mit seinen Kaffeekapseln demonstriert wird. Seine weitaus jüngeren Kameradinnen und Kameraden sehen sich Basketballspiele auf einem riesigen Bildschirm im Gemeinschaftsraum an. Es wird deutlich, dass er den anderen und auch seinem direkten Vorgesetzten Colonel Packett unbequem erscheint, wenn er den Ton leiser stellt, damit das Klingeln des Festnetztelefons gehört wird. Er erwartet einen Anruf von seiner hochschwangeren Frau. Er lässt jedoch nichts auf seine Arbeit kommen, ist sich seiner Pflicht bewusst und zudem ist ihm auch klar, dass er eine enorme Verantwortung bei seiner Mission trägt, weil es um Menschenleben geht.

Sergeant JJ Kinney

Der 27-jährige Kinney ist Joint Terminal Attack Controller (JTAC), was zu Deutsch vergleichbar ist mit einem Fliegerleitoffzier, ist dazu ausgebildet, Aktionen von Kampfflugzeugen bei Luftnahunterstützungseinsetzen von einer vorgeschobenen Position am Boden zu leiten. Im Gegensatz zu den erfahrenen drei Männern aus seinem Team handelt es sich erst um seinen zweiten Einsatz. Nach dem Zwischenfall wird er von den anderen getrennt und ist ganz auf die Fähigkeiten und Unterstützung aus der Luft durch Reaper angewiesen. Dieser leitet Kinney mit der Unterstützung von Branson vom Kontrollraum der Drohne aus sicher durch den Dschungel und unterstützt ihn durch Feuerkraft aus dem Himmel. Der Zwischenfall setzt Kinney kurzzeitig zu, er steht unter Schock, doch auch hier kann Reaper ihn beruhigen, ihn in Gespräche verwickeln und ablenken soweit möglich.

Die anderen Figuren können gesammelt in zwei Lager eingeteilt werden.

Figurengruppe 1: Die junge Generation – neue Form der Kriegsführung

Zum einen sind dort die jungen Soldatinnen und Soldaten in der Nellis Air Force Base in Las Vegas. Tatsächlich sieht man sie die meiste Zeit im Gemeinschaftsraum vor dem Fernseher Basketballspiele konsumieren. Wichtig wird hier das an der Wand hängende analoge Telefon. Es stellt das Kommunikationsmittel dar, über das die Truppe erreichbar ist – auch und gerade in Notfällen. Trotz Reapers Anweisung, die Kameradinnen und Kameraden mögen das Telefon im Auge behalten, weil seine Frau, die kurz vor der Geburt des gemeinsamen Kindes steht, anrufen könnte, wird das Telefon nicht beachtet, sogar der Rufton ausgeschaltet. Colonel Duz Packett ist um einiges jünger als Reaper, hat jedoch die Befehlsgewalt, steht im Rang höher. Interessant ist aber, dass er sich auch mehr um das Basketballspiel zu kümmern scheint. Ich zähle ihn daher mit zu dieser Figurengruppe, welche die neue Generation von Soldatinnen und Soldaten verkörpert, eine neue Generation der Kriegsführung.

Figurengruppe 2: Die kampferprobten Teams im Außeneinsatz

Sergeant Abell, Sergeant Bishop und Master Sergeant John ‘Sugar’ Sweet gehören zum erfahrenen Delta Force-Team, dem Sergeant JJ Kinney ‘Playboy’ zugeordnet wurde. Die Männer wissen was sie tun, sind nicht unbedingt begeistert von dem jungen Sergeant, der notfalls Feuer vom Himmel regnen lassen soll. Doch gehen sie als Team vor. Das eigene Leben hängt letztlich auch von der Gemeinschaft der Gruppe ab. Verletzte werden verarztet wo es geht, lebend zurückgelassen wird keiner. Man steht füreinander ein – Brüderlichkeit und Kameradschaft sichern hier das Überleben des Teams.

Moderne Kriegsführung vs. Außeneinsatz unter Lebensgefahr

Von Anfang an werden die zwei zusammengehörigen Handlungsstränge um Reaper in Las Vegas und Kinney auf den Philippinen abwechselnd eingeblendet. Es sind teilweise schnelle Wechsel, die aber gerade aufgrund dieser Abruptheit ihre Wirkung entfalten. Ästhetisch markiert wird so für die Rezipienten die Gegenüberstellung von digitaler und physischer Kriegsführung vom Start der Mission bis zum Ende. Das beginnt morgens beim Frühstück, wo Reaper seine Kaffeekapseln wieder in den vorgesehenen Behälter platziert und die Basketball schauenden Kameradinnen und Kameraden anweist, das Telefon zu beobachten sowie der beklommenen Atmosphäre auf der Palawan Air Base auf den Philippinen, wo JJ Kinney sich mit Frühstück aus dem Automaten (zur Wahl stehen Frootloops und Frosted Flakes in der Miniausgabe) entscheiden muss. Der größte Kontrast entsteht durch die Wechsel zwischen dem Kampfeinsatz und den vor den Bildschirmen sitzenden Reaper und Branson im ruhigen Kontrollraum. Es ist die Drohne aus der Luft, die dem Team Rückendeckung von oben gibt, ein unsichtbarer Schutzschild aus der Luft, könnte man sagen. Ein gefälliger Gott, der die Feinde mit einem Fingerzeig auslöscht. Thors Hammer. Das gibt Sicherheit. Und doch sind die vier Spezialkräfte auf sich gestellt, müssen den Einsatz flexibel koordinieren und die richtigen Entscheidungen treffen.

Vorzüge der unsichtbaren Unterstützung

Die unsichtbare Unterstützung durch Big Brother aus der Luft hat viele Vorteile. Tauchen plötzliche Bewegungen im Dschungel auf, dient die digitale Verbindung zu Reaper vor dem Kontrollpult als Auge und Frühwarnsystem. Kinney kann jederzeit Unterstützung anfordern, um Daten über das vor dem Team liegende Gelände zu erhalten. Dies schützt die Männer vor Ort vor ungebetenen Gästen oder Attacken aus dem Hinterhalt, in die sie ohne die Möglichkeit einfach hineinlaufen würden. Die digitale Unterstützung durch die Drohne hat also enorme Vorteile und steigert die Wahrscheinlichkeit des Gelingens solcher Spezialeinsätze. Darüber hinaus lassen sich Feinde mit einem gezielten Schlag aus der Luft ausschalten, die Feuerkraft ist enorm und präzise. Das rettet Kinney auf der Flucht das Leben. Die Genauigkeit, mit der per Fernsteuerung Raketen auf Ziele eingeschworen werden können, ist ehrfurchterregend, ebenso die Bildgebung, mit der Branson und Reaper sogar die Bewaffnung der Terrorgruppe erkennen können. Zudem ist Reaper in der Krisensituation der einzige Ansprechpartner für Kinney, als er vom Rest des Teams getrennt ist, seine einzige menschliche Kommunikation mit der Welt und damit eine Unterstützung in Not. Was im Film mit der Drohne als modern gilt war beispielsweise zur Zeit des Autors Paul Scheerbart noch utopisch. In seinem Mondroman Die große Revolution beschreibt er, wie die Mondbewohner mittels einem riesigen Teleskop die Kriegseinsätze der Menschen beobachten und diese verurteilen, allerdings ohne weiter einzugreifen.

Nachteile der digitalen Kommunikation

Man kennt es: In wichtigen Momenten versagt die Technik, werden Mails nicht verschickt, kommen Daten erst gar nicht beim Empfänger an bzw. werden zu Datenmüll zerschreddert. Und auch Reaper und Branson werden von technischen Problemen mitten im Einsatz heimgesucht. Die Bildschirme fallen aus, die Anzeige wird schwarz – die Verbindung ist tot. Ein Systemabsturz, wie sich herausstellt. Die Drohne muss in der Basis repariert werden, das System lässt sich nicht einfach neu starten. Das bedeutet Zeitverlust, der im Ernstfall Leben kosten kann. Man erfährt durch einen Zwischenfall aber, dass Kinney im Notfall auch Hornets als Luftunterstützung anfordern kann, diese jedoch mit einem 30-minütigen Anflug. Während Reaper also während der Reparatur der Drohne im Hangar Golfbälle ins Off schießt, muss das Team ohne Augen aus der Luft weiter durch den Dschungel vorrücken und ihre Positionen am Zielort einnehmen, sich dabei jedoch auf Instinkte und Erfahrung verlassen.

Ego-Shooter-Perspektive – Überblendung von Stilmitteln

Ich bin kein Gamer, aber auch ich kenne diese Perspektive, aus der Gamer sich in den virtuellen Körper des von ihnen gesteuerten Charakters beamen können, um das Spielerlebnis noch realer zu gestalten. Das ist natürlich besonders in Zeiten von Virtual Reality kein Problem mehr, kann man sich mit der richtigen Ausstattung quasi selbst direkt ins Spiel befördern. Es dürfte interessant zu beobachten sein, welche langzeitlichen Auswirkungen sich durch eine solche konsequente Inbesitznahme der virtuellen Figuren in Körper und Psyche eines Menschen bemerkbar machen. Im Rahmen dieser Besprechung zu Land of Bad jedenfalls will ich einfach nur erwähnen, dass meiner Meinung nach die Spielperspektive, wie man sie aus diversen Ego-Shooter-Spielen kennt, sich auch im Film findet. Das untermalt die dargestellte Form der modernen Kriegsführung und inszeniert auch die Verbindung von Kinney und Reaper über die Bildgebung der Drohne bzw. handelt Kinney oft auch nach den Angaben, die Reaper ihm aufgrund seiner Sicht über die Drohne übermittelt. Vom Prinzip her findet hier eine ähnliche Übertragung wie in einem Videospiel statt – allerdings mit Menschen.

Banalitäten moderner Kriegsführung

Der Grad zwischen Satire und Ironie ist schmal, doch wenn diese Stilmittel pointiert korrekt eingesetzt werden, dann verfehlen sie ihre Wirkung nicht und lösen Gelächter aus – denn die so verzerrte Darstellung soll komisch wirken. Bei Land of Bad kommt es zu Zwischenfällen, die man auf den ersten Blick vielleicht als komisch bewerten würde, sie sind es aber nicht. Ich denke auch nicht, dass sie Lachen auslösen sollen, wenn überhaupt, dann höchstens ein erschrockenes Prusten. Was nämlich im Rahmen der modernen Kriegsführung dargestellt wird, ist leider zu banal, um witzig zu sein. Es ist auch leider zu real, um komisch zu sein. Mitten in der Rettungsaktion, mit der Kinney per Blackhawk aus der Gefahrenzone transportiert werden soll, gibt es ein Feuergefecht mit den Abu Sayyaf. Sie beschießen den Helikopter, sodass dieser umkehren muss, die Rettungsaktion schlägt fehl. Der Film wechselt zwischen dem explosiven Schusswechsel auf den Philippinen und dem ruhigen Technikabteil, in dem Reaper die Raketen für Kinneys Unterstützung klarmacht. Zuvor hat Kinney bereits die Hornet angefordert und Raketen prasseln auf die Terroristen nieder. Mitten im ärgsten Kampf platzt ein Kamerad einfach so zu Reaper und Branson herein.

Branson: Was wollen Sie, Airman?
Ammend: Colonel Packett gibt eine Runde aus. Ich gehe was von Star Bucks holen.
Branson: WAS?
Ammond: Star Bucks.
Branson: Sagen Sie mal, sind Sie bescheuert?
Reaper: AIRMAN, RAUS!“[2]

Alltägliche Kriegsführung aus dem Büro

Ja, sicher, das Büro wird auch hierzulande häufig mit Krieg verglichen – immer auf der Jagd nach der Beförderung, den kleinen Machtkämpfen im Büro, die Spitzen gegen die Kolleginnen und Kollegen, das Durchsetzen gegen verbal gewalttätige Chefinnen und Chefs. Doch in Land of Bad geht es um etwas anderes. Hier wird Krieg geführt aus dem Büro heraus, aus dem Kontrollraum. Es hat tatsächlich etwas von einem Videospiel, bei dem man auch mal auf Pause stellen kann, wenn etwas dazwischenkommt. Es ist ja tatsächlich auch nett, wenn der Kamerad wegen der Bestellung direkt nachfragt. Der Airman, der da so angeschrien wurde, konnte nicht wissen, dass Reaper und Branson gerade die brenzlige Rettungsorganisation leiten und ihr Schützling unter Feuer steht. Das hat also nichts Unmenschliches an sich, es ist ein Verhalten, das im normalen Büroalltag durchaus vorkommt. Das Ungewöhnlich daran ist nur, dass solch eine Frage hier mitten in einem Kampfeinsatz gestellt wird, so als würden Reaper und Branson Führerscheine ausstellen oder dergleichen. Doch so sieht moderne Kriegsführung aus. Was hat das möglicherweise für Folgen?

Alltag vs. Kampfeinsatz

Aus den Augen – aus dem Sinn!? Schaltet man ein Videospiel ab, dann geht es in der Realität weiter, wobei das Spiel zuvor zur eigenen Realität gehörte, man aber in diese virtuelle Realität involviert war, zumindest psychisch und emotional. Wie ist das bei Kampfeinsätzen? Reaper jedenfalls steigt mit geblümtem Hemd ins Auto, schaltet schmucke Country-Schmonzetten ein und fährt erst einmal zum Einkaufen in den nächsten Supermarkt. Es folgt wieder der gegensätzliche Bildwechsel – Reaper durchstreift mit den Anweisungen seiner Frau bewaffnet die Regalreihen – Kinney wird von den Abu Sayyaf im Keller des Unterschlupfes gefoltert. Hin und her, hin und her. Das Ganze steigert sich. Kinney wird in ein Wasserfass getaucht und ausgefragt, Reaper steht an der Käsetheke und fragt nach kaltgeräuchertem, auf Sesam-Walnuss-Basis fermentiertem, fettarmem Hafermilch-Bio-Sojakäse, kauft Barbecue-Nüsschen zum Knabbern und vegane Creme-Fraiche.

In den Regalen entdeckt er sogar eine Drohne, die Videoübertragung aus der Luft anbietet und für Freizeitaktivitäten geeignet ist. Hier ist die Drohne ein Spielzeug, er hat vor kurzem noch todbringende Raketen mit einer Drohne abgeschossen, weil es zu seinem Job gehört. Es wird hier also wieder auf den Eingangstext verwiesen. Während Spezialeinheiten am anderen Ende der Welt verdeckt Missionen ausführen und für Sicherheit sorgen sollen, geht das Leben anderswo ganz normal weiter – denn dort kann man sicher leben und den ganz normalen Banalitäten des Alltags nachgehen. Außerdem wird hier auch wieder die Absurdität der modernen Kriegsführung aus dem Büro heraus thematisiert, den Feierabend, den Reaper jetzt genießen kann, den haben Kinney und sein Team nicht.

Entmenschlichung durch Digitalisierung?

Wird der Einsatz von Menschenleben nicht mehr ernst genommen, wenn man nicht selbst mit im Einsatz steckt? Als Kinney das Festnetztelefon in der Air Base Las Vegas anruft, um den geplanten Angriff der Hornet abzubrechen, sind die Soldaten immer noch so vom Basketballspiel gefangen, dass sein Anruf abgewimmelt wird. Verzweifelt versucht er daraufhin, Reaper auf dem Handy zu erreichen, dieser telefoniert aber gerade mit seiner schwangeren Frau und versucht das gewünschte Lebensmittel im Regal zu finden. Er drückt den ankommenden Anruf der unbekannten Nummer weg. Ohne zu viel zu verraten – man könnte auch sagen, dass er später auch unter Einsatz seines Lebens versucht, die Situation zu retten, um den von Kinney geforderten Schlag rechtzeitig zu verhindern.

Überlebenswichtige Kommunikation

Kommunikation ist in Krisensituationen also lebenswichtig. Die Digitalisierung steckt gerade hinsichtlich der vielen Möglichkeiten, die sich für die Kommunikation über lange Strecken ergeben, voller Vorteile. Doch leidet diese Kommunikation, wenn der gebotene Ernst und die mit dem Dienst einhergehenden Pflichten vernachlässigt werden, vielleicht aufgrund der Banalität, mit der moderne Kriegsführung einhergeht. Während das Operationsteam im Außeneinsatz zusammenarbeiten muss, auch um das eigene Überleben und das Gelingen der Aktion zu gewährleisten, wird der Einsatz aus der Heimat per Computer und Drohne überwacht. Es gibt, wenn überhaupt, nur den Stimmenkontakt über die Entfernung hinweg, eine gemeinschaftliche Bindung oder ein Verantwortungsgefühl wird nicht aufgebaut. Inwiefern dies ein Beiwerk der Digitalisierung der modernen Kriegsführung ist, wird meines Erachtens gerade an den in Land of Bad inszenierten Krisensituationen vorgeführt.

Das wahre Thema von Land of Bad

In einem Interview wurde Regisseur Eubank, nach dem Hauptthema des Films gefragt. Die Antwort auf diese Frage zitiere ich hier:

I would say brotherhood. No matter what the situation is and no matter how bad things get, like really having the gusto to step up when it comes time to rescue people that you’re close with and defying emotion to just get through something scary or crazy. There’s some themes on like, „What is violence?“ Like „Is there a better form of violence?“ But those are sort of subtle things. The core is probably about brotherhood and camaraderie, but there’s some subtle questions of, „Is there a good form of violence or not?“ which I’m sure lots of people have different opinions on that, but it seeks to ask, or at least put some of those questions into the universe.[3]

Meine Übersetzung: Ich würde sagen, Brüderlichkeit. Egal, wie die Situation ist und egal, wie schlimm die Dinge werden, wirklich die Entschlossenheit zu haben, wenn es darum geht, Menschen zu retten, die einem nahe stehen, und Emotionen zu überwinden, um einfach durch etwas Schreckliches oder Verrücktes zu kommen. Es gibt einige Themen wie ‘Was ist Gewalt?’ Oder ‘Gibt es eine bessere Form von Gewalt?’ Aber das sind eher subtile Dinge. Der Kern dreht sich wahrscheinlich um Brüderlichkeit und Kameradschaft, aber es gibt einige subtile Fragen wie ‘Gibt es eine gute Form von Gewalt oder nicht?’, über die sicherlich viele Menschen unterschiedlicher Meinung sind, aber er versucht, zumindest einige dieser Fragen in den Raum zu stellen.

Die Relevanz von Kameradschaft im digitalen Zeitalter

Tatsächlich wäre eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Brüderlichkeit gerade mit Blick auf militärische Institutionen und Filmen wie Band of Brothers, Saving Private Ryan, Platoon, Full Metal Jacket, Black Hawk Down und anderen Filmen interessant, denen häufig biografische Berichte oder Bücher zugrunde liegen. Zum Thema Brüderlichkeit sind natürlich auch Ausbildungsmethoden des Militärs nützlich – diese umfassenden Themen hier aufzugreifen geht leider zu weit. Das Theaterstück A Few Good Men (ja, auch dazu gibt es einen Film, zu Deutsch Eine Frage der Ehre) ruft bezüglich des geforderten Kaderverhaltens interessante Thesen auf. Doch deutlich wird auch in der Aussage des Regisseurs – Brüderlichkeit und Kameradschaft sind Hauptthemen von Land of Bad. Der Krieg entmenschlicht und entindividualisiert, doch darum geht es hier nicht. Hier geht es um Kameradschaft und das Aufzeigen der Relevanz von Brüderlichkeit gerade im digitalen Zeitalter, in der sich Einsätze über technische Kontrollräume per Joystick entscheiden lassen und ein persönliches Kennenlernen zur Kommunikation nicht mehr nötig, doch notwendig ist.

Falsche Fährten, Finten der Digitalisierung

Nach der Gefangennahme von Kinney haben Branson und Reaper ein Auge auf das Gebiet und suchen nach ihm.

Branson: Ach du Scheiße.
Reaper: Irgend ne Spur?
Branson: Nein. Interne Nachrichten über den Agenten, der Grund der Operation.
Reaper: Wen?
Branson: Den Typen vom CIA oder JSOC. Es ist nicht bestätigt, aber er soll jetzt in Borneo sein oder im Yemen.
Reaper: Yemen? Das ist am anderen Ende der Welt. Was soll der Quatsch? Wer sagt das?
Branson: Das erfährt man nicht genau, aber wahrscheinlich CIA oder DIA.
Reaper: [Prustet abfällig] Verdammte Buchstabensuppe! Diesen Typen darf man kein Wort glauben.[4]

Der gesuchte Informant, wegen dem die Aktion gestartet wurde, befindet sich allerdings noch am anvisierten Zielort. Was hier im Dialog geschickt eingespielt wird, sind Falschmeldungen oder auch mögliche Übertragungsfehler, vielleicht Ablenkungsmanöver und dergleichen. Reaper besitzt genug Erfahrung, um die Relevanz der Nachrichten richtig einschätzen zu können, wohingegen die Informationen bei Branson zunächst eine Reaktion hervorrufen. Diese Passage ist für die Handlung nicht wichtig, sie demonstriert aber, wie schnell Informationen über wichtige Kommunikationskanäle transportiert werden können und wie fatal eine vorschnelle Reaktion auf derartig verbreitetes Wissen wäre. Eine mögliche Motivation oder Aufklärung bezüglich dieser falschen Daten gibt es nicht.

Konsum und Kommerzialisierung

Basketball ist in den USA nach American Football die zweitbeliebteste Sportart. Wenn die Soldatinnen und Soldaten also im Gemeinschaftsraum vor dem Fernseher Spiele anschauen, dann frönen Sie hier einer amerikanischen Tradition, pflegen einen Lebensstil oder man könnte auch sagen, sie genießen ihre Freizeit, als wären sie auf dem heimischen Sofa. Interessant, dass im Versteck der Terroristen auf nebeneinander gereihten Bildschirmen ebenfalls ein Sportkanal mit Fußballspielen läuft. Die Kommerzialisierung des Sports umspannt eben die gesamte Welt, das hatte man ja bereits 2022 live bei der WM in Katar beobachten können. Doch ist das Phänomen bereits älter, wird ja gerade der Sport zur Vermarktung von Sportartikeln und mittlerweile sogar Autos und Versicherungen genutzt, werden Spielerinnen und Spieler kommerzielle Zugpferde ganzer Modelinien und mehr. In der Verbindung des Konsumsports mit dem Kampfeinsatz wird zum einen wieder die Banalität aufgerufen, die allem innewohnt, zugleich aber werden auch die anfänglichen Zeilen intermedial ins Gedächtnis der Rezipienten gerufen. Denn irgendwo kämpfen verdeckte Einsatzkräfte im Dschungel, während andere auf dem Sofa sitzen, Sport gucken und sich ein Bier reinzischen.

Fazit zum Film Land of Bad und Überlegungen zur modernen Kriegsführung

Mich hat Land of Bad überrascht. Wie gesagt, es ist nicht die Art von Film, die ich mir für gewöhnlich ansehe. Aber ich habe schon des Öfteren feststellen dürfen, dass gerade die Dinge, die abseits meiner gewöhnlichen Pfade liegen, besonders interessant sind. Und das war auch bei Land of Bad der Fall. Natürlich, der Film zeigt Gewalt, ist brutal. Es gibt entsetzliche Szenen, auf die ich nicht weiter eingegangen bin, weil ich mich primär um die sich bedingenden Handlungsstränge rund um die Hauptfiguren bewegt habe sowie die Art der Inszenierung der modernen Kriegsführung und die damit einhergehenden Konsequenzen und Folgen. Doch gerade die Darstellung der Gewaltakte zeigt auch, welchen Umständen die verdeckten Spezialeinheiten ausgesetzt sind, die solche Operationen unter Einsatz ihres Lebens durchführen müssen. Der Gegensatz zu den daheimgebliebenen Drohnenpiloten, die gefahrenlos aus dem Kontrollraum die Unterstützung per Drohne aus der Luft darstellen, zeigt den krassen Gegensatz, der sich mit den Instrumenten der modernen Kriegführung auftut. Damit einher geht natürlich eine Entmenschlichung, es ist letztlich nicht zu leugnen, dass sich Menschenleben per Knopfdruck aus dem Leben klicken lassen, gerade wie in einem Videogame. Natürlich unterhält ein Film in erster Linie. Aber gute Filme eignen sich für Grundsatzdiskussionen zu aktuellen Diskursen. Und das leistet Land of Bad meiner Ansicht nach. Möglicherweise ist das aber der Grund, warum der Film bei einem Budget von 18,7 Millionen US-Dollar nur 6,5 Millionen US-Dollar einspielte.

[starbox]

Quelle

Eubank, William: Land of Bad [Film]. United States: R.U. Robot Studios, Highland Film Group, Volition Media Partners, Broken Open Pictures, 2024.


[1] Eubank, William: Land of Bad [Film]. United States: R.U. Robot Studios, Highland Film Group, Volition Media Partners, Broken Open Pictures, 2024, 0:00:10-0:00:26. [2] Eubank: Land of Bad: 0:56:23-0:56:34. [3] Suffil, Louis: Land of Bad – Interview with Film Director/Co-Writer William Eubank auf Borrowing Tape, vom 7. April 2024, online unter: https://borrowingtape.com/interviews/land-of-bad-interview-with-film-director-william-eubank (zuletzt abgerufen am 21.04.2024). [4] Eubank: Land of Bad: 1:04:18-1:04:48.

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