Michael Ende: Die unendliche Geschichte

Michael Ende: Die unendliche Geschichte. Das Original mit den Illustrationen von Roswitha Quadflieg. Nachwort von Roman Hocke. München 2009.

1. Dezember 2025 | Der Literarische Adventskalender 2025 startet in diesem Jahr mit einem Klassiker: Michael Endes Werk Die unendliche Geschichte gehört seit seiner Veröffentlichung 1979 zu den zeitlosen Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur und wirkt weit über das Genre hinaus. Bastian Balthasar Bux taucht durch ein geheimnisvolles Buch in die Welt Phantásiens ein und entwickelt sich dabei nicht nur zum Retter der fremden Welt, sondern begegnet sich selbst. Was den Roman besonders macht ist die Verbindung von Fantasie, Erzählreflexion und philosophischer Tiefe: Ende verwebt Geschichten innerhalb von Geschichten und nutzt das erzählerische Prinzip des Mise en abyme, wodurch die Metaebenen des Lesens und Schreibens selbst zum Gegenstand der Handlung werden. Gleichzeitig wird die Beziehung zwischen Leserschaft und Text thematisiert, denn Bastian wird aktiv Teil der Geschichte um Phantásien. Indem er das Buch nimmt und mit dem Lesen beginnt, entsteht ein Leser-Autor-Pakt, der ihn als Lesenden selbst in die narrative Verantwortung zieht – und uns als Leser und Leserinnen der Geschichte um Bastian gleich mit.

Inhaltsverzeichnis

Die unendliche Geschichte ist lesenswert, weil …

👉 die selbstreflexive Struktur des Romans uns als Leserinnen und Leser immer wieder zur Teilhabe und Reflexion über unser eigenes Erleben auffordert.
👉 sie das Lesen zu einer transformativen Erfahrung voller Erkenntnisse macht.
👉 das Buch zeitlose Themen wie Fantasie, Identität, Verantwortung und Mut spannend inszeniert.
👉 die Warnung vor einer phantasielosen, rein zweckorientierten Welt in unserer digitalisierten Gegenwart nichts an Dringlichkeit verloren hat.
👉 sie durch die bildhafte Sprache und fantasievolle Weltgestaltung die eigene Vorstellungskraft anregt und philosophische wie moralische Fragen in die Handlung integriert.
👉 man mit jedem Mal Lesen viele Passagen aufgrund der durch vergangene Lebensjahre hinzugewonnen Erfahrung anders verstehen kann.
👉 das Werk mit seinen zwei Farben (Rot für die Welt von Bastian, Grün für Phantásien) ein ästhetisches Lesevergnügen bietet, das zeigt, wie Form und Inhalt eine untrennbare Einheit bilden können.

Michael Ende: Die unendliche Geschichte. Das Original mit den Illustrationen von Roswitha Quadflieg. Nachwort von Roman Hocke. München 2009.
Michael Ende: Die unendliche Geschichte. Das Original mit den Illustrationen von Roswitha Quadflieg. Nachwort von Roman Hocke. München 2009.

Kleiner Vorgeschmack auf Die Unendliche Geschichte

Aus: Michael Ende: Die unendliche Geschichte. Das Original mit den Illustrationen von Roswitha Quadflieg. Nachwort von Roman Hocke. München 2009, S. 183-184.

Zum Leben und Wirken des Autors Michael Ende

Michael Andreas Helmuth Ende (1929-1995) war einer der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Er wurde in Garmisch-Partenkirchen als Sohn des surrealistischen Malers Edgar Ende geboren und wuchs in einem künstlerisch geprägten Umfeld auf. Zeitweise lebte er auch in Italien. Während der NS-Zeit galt sein die Kunst seines Vaters als „entartet“, was die Familie in wirtschaftliche Schwierigkeiten brachte. Michael Ende musste 1945 noch zum Volkssturm und erlebte das Kriegsende als Jugendlicher. Diese Erfahrungen prägten seine kritische Haltung gegenüber totalitären Systemen und seine Überzeugung von der Notwendigkeit der Phantasie als Gegenkraft.

Nach Kriegsende studierte er zunächst Schauspiel und arbeitete am Theater, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Sein Durchbruch gelang 1960 mit Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Michael Ende engagierte sich lebenslang gegen die Instrumentalisierung von Literatur und für die Bewahrung des Wunderbaren. Seine Werke wurde in über 40 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Mehr auf der zugehörigen Webseite von Michael Ende und seinen Werken.

Wichtigste Werke:

  • Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (1960)
  • Jim Knopf und die Wilde 13 (1962)
  • Momo (1973) – Gesellschaftskritik über den Verlust von Zeit
  • Die unendliche Geschichte (1979) – sein Hauptwerk
  • Der Spiegel im Spiegel (1984) – Märchen und Geschichten
  • Das Gauklermärchen (1982)
  • Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch (1989)

Zusammenfassung von Die unendliche Geschichte

Der schüchterne und pummelige Bastian Balthasar Bux entdeckt in einem Antiquariat das Buch Die unendliche Geschichte. Beim Lesen erkennt er, dass Phantásien von einer dunklen Macht bedroht wird – dem Nichts. Nur von ihm hängt das Schicksal der fantastischen Welt ab. Doch das erfährt er erst während er das Buch liest und an der Geschichte teilnimmt. Er begibt sich mit Figuren wie Atréju oder dem Glücksdrachen Fuchur auf Abenteuer und muss Prüfungen bestehen. Dabei lernt Bastian nicht nur Phantásien und seine Bewohner kennen, sondern auch sich selbst. Indem er selbst Prüfungen besteht, Verantwortung übernimmt, Mut beweist und Demut zugleich, erfährt sich Bastian als Gestalter seines eigenen Schicksals, das nicht nur im Fiktionalen liegt, sondern in der Realität. Ende verknüpft die die Geschichte Phantásiens mit Bastians innerer Entwicklung und seinem persönlichen Wachstum. Damit erzeugt er ein narratives Labyrinth, in dem Fiktion und Realität ineinanderfließen.

Der historische Kontext von Die unendliche Geschichte von Michael Ende

Die unendliche Geschichte erschien 1979 und wurde sofort ein weltweiter Erfolg. Das Werk entstand in einer Zeit, in der die Kinder- und Jugendliteratur zunehmend realistischer und problemorientiert wurde. Mit seinem Plädoyer für die Phantasie erschien Endes Unendliche Geschichte zu der Zeit wie ein dieser Entwicklung entgegenstehendes Werk.

Die späten 1970er Jahre waren geprägt von gesellschaftlichen Umbrüchen, Umweltbewusstsein und einer zunehmenden Technologisierung. Ende kritisierte die Rationalisierung aller Lebensbereiche und die Verdrängung des Imaginativen. Seine Kritik an den grauen Herren in Momo beispielsweise findet sich auch in der Unendlichen Geschichte im Antagonisten des Nichts wieder, das Phantásien bedroht. Die Grauen Herren in Momo verkörpern die Entmenschlichung durch Leistungsdenken und Effizienzwahn, indem sie den Menschen die Zeit stehlen und damit Fantasie, Freude und die Fähigkeit zu echten Beziehungen unterdrücken. Sie stehen als Symbol für gesellschaftliche Mechanismen, die das Leben auf Produktivität reduzieren und die persönliche Freiheit rauben. Das sind Themen, die sich seit der Industrialisierung bis heute vielfältig in literarischen Werken wiederfinden.

Insofern hat Endes Die Unendliche Geschichte auch einiges mit Saint-Exupérys Der Kleine Prinz gemein, der zwar in einem anderen Kontext verfasst wurde, doch im Kern ähnliche Botschaften enthält. Man könnte daher sagen, dass Michael Ende in der Tradition der deutschen Romantik (E.T.A. Hoffmann, Novalis) mit ihrer Betonung der Phantasie sowie der Durchdringung von Realität und Traum steht.

Wichtige Themen in Die Unendliche Geschichte

Die Kraft und Notwendigkeit der Phantasie

Das zentrale Thema in Endes Roman ist die Verteidigung oder Aufrechterhaltung der Vorstellungskraft gegen eine rein rationale, zweckorientierte Weltanschauung. Phantásien stirbt, wenn Menschen aufhören zu träumen und zu erzählen. Das ist das Nichts, das alles Leben auslöscht. Ohne Phantasie wird die Welt leer. Man könnte dies auch drastischer in den kulturellen Kontext stellen: Wenn Menschen aufhören zu erzählen, dann stirbt ihre Kultur aus, weil es nichts gibt, was von Generation zu Generation weitergegeben werden kann.

Selbstfindung und Identität

Wir alle definieren uns ein Leben lang über unser Handeln, unsere Identität bilden wir nicht nur in jungen Jahren aus – sie entwickelt sich und formt sich oftmals ebenfalls bis ins hohe Alter. Dabei begegnen wir Hindernissen und Herausforderungen, die uns wachsen lassen und unsere Identität schärfen und transformieren. So geht es auch Bastian. Durch die Lektüre des Buches und seinem Anteilnehmen an der Geschichte lernt er, wer er wirklich ist. Seine Reise durch Phantásien ist daher eine Reise zu sich selbst.

Die Gefahr der Selbstvergessenheit

Im zweitenHandlungsabschnitt von Die Unendliche Geschichte erhält Bastian mit AURYN ein machtvolles Werkzeug zur Wunscherfüllung. Mit jedem Wunsch verliert er eine seiner kostbaren Erinnerung an sein Leben in der Realität. Diese Metapher warnt vor der narzisstischen Selbstbespiegelung und Eskapismus. Phantasie darf nicht zur Realitätsflucht werden, sondern sollte die eigene Realität und die anderer bereichern.

Die Gefahr, der Bastian letztlich fast erliegt, besteht darin, sich in Wunschbildern zu verlieren und die eigene Herkunft zu vergessen. Vielleicht wollte Michael Ende mit dem Schluss andeuten, dass wahre Identität aus der Balance von Phantasie und Realitätssinn entsteht.

Lesen und Leseverantwortung

Die Unendliche Geschichte ist ein Buch, das den Akt des Lesens selbst reflektiert. Es zeigt, dass Geschichten uns verändern können und dass wir als Leserinnen und Leser Verantwortung für das tragen, was wir aus den Geschichten machen. Wir können aus Geschichten etwas lernen, etwas mitnehmen in unseren Alltag, wir können an Geschichten wachsen und unsere Erkenntnisse in die Kommunikation mit anderen einbringen.

Die Beziehung von Kunst und Leben

Michael Endes zentrales Anliegen im Roman ist die Versöhnung von Phantasie und Wirklichkeit. Beide bedingen sich gegenseitig, da Phantasie in der Welt wirkt und die Welt Phantasie braucht, um menschlich zu bleiben. Auch die Wechselwirkung zwischen Kunst und Realität wird reflektiert, immerhin handelt es sich bei der Unendlichen Geschichte selbst um einen Roman, ein schriftliches Kunstwerk, wenn man so will. Und sind es nicht Menschen, die Kunst erschaffen?!

Vater-Sohn-Beziehung in Die unendliche Geschichte

Nach dem Tod seiner Mutter hat Bastian eine gestörte Beziehung zu seinem Vater. Erst nach seiner Reise nach Phantásien versöhnt er sich mit ihm, auch, weil er viel dazugelernt hat und an seinen Abenteuern gereift ist. Die Heilung ihrer Beziehung bildet einen emotionalen Kern der Geschichte.

Die Ambivalenz der Wunscherfüllung in Endes Die unendliche Geschichte

AURYN erfüllt seinem Träger jeden Wunsch – doch hat dies einen Preis. Michael Ende zeigt mit diesem symbolischen Attribut, dass unbegrenzte Wunscherfüllung nicht zum Glück führt, sondern zur eher Entfremdung. Die an Wunscherfüllung anhaftenden negativen Konsequenzen kennt man bereits aus den Märchen aus 1001 Nacht, wo Djinns und Zauberlampen ebenfalls unangenehme Bedingungen an ihre Wunscherfüllungen knüpfen.

Ist Michael Endes Die Unendliche Geschichte heute noch aktuell?

Digitale Welten und Virtual Reality

Bastians Gefahr, sich in Phantásien zu verlieren, erinnert an die heutige Problematik der exzessiven Nutzung digitaler Welten zu denen etwa soziale Medien zählen. Die Warnung vor der Selbstvergessenheit in virtuellen Räumen ist hochaktuell.

Fake News und Post-Truth auch in Die unendliche Geschichte?

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen, mahnt Endes Werk zur kritischen Unterscheidung und Prüfung von Tatsachen. Viele Menschen setzen das Erscheinen von Informationen in den sozialen Medien oder anderen Online-Plattformen mit Fakten gleich, was oftmals nicht stimmt. Man sollte die Quellen prüfen und Informationen nicht leichtgläubig begegnen. Phantasie ist wertvoll, aber die Verleugnung der Realität gefährlich.

Verlust der Erzählkultur

Die Klage über das Sterben Phantásiens lässt sich auf den Verlust gemeinschaftsstiftender Narrative wie Mythen und Geschichten in auseinanderdriftenden Gesellschaften beziehen.

Achtsamkeit und Gegenwart in Die unendliche Geschichte

Bastians Weg zurück ins Leben erfordert, dass er den gegenwärtigen Moment und seine wirklichen Beziehungen anerkennt und wertschätzt – eine Botschaft, die in unserer ablenkungsreichen Zeit relevant ist.

Klimakrise und Verantwortung

Das „Nichts“ kann als Metapher für die Zerstörung der Umwelt gelesen werden. Nur durch aktives Handeln (wie Bastian es macht) kann die Katastrophe abgewendet werden.

Psychische Gesundheit in Endes Die unendliche Geschichte

Bastians Depression und Selbstwertprobleme, seine Flucht in literarische Welten, die auch als Eskapismus bezeichnet werden können sowie sein Weg zurück ins Leben berühren Themen, die heute offener diskutiert werden als zu Endes Zeiten. Insofern ist Die Unendliche Geschichte ein Buch, das auch im pädagogischen Rahmen interessante Erkenntnisse liefern kann.

Die zentrale Botschaft bleibt in Endes Die unendliche Geschichte

Phantasie und Realität müssen in Balance bleiben. Weder Eskapismus noch die Verleugnung der Vorstellungskraft führen zu einem sinnstiftenden und glücklichen Leben.

Figurenliste – Die unendliche Geschichte

Bastian Balthasar Bux

  • Protagonist, ca. 10 Jahre alt
  • Leser der Unendlichen Geschichte und später aktiver Held in Phantásien; zentrale Identifikationsfigur
  • Verkörpert uns Lesende als Ko-Autor der Geschichte
  • Entwickelt sich vom ausgegrenzten, unsicheren Kind zum selbstbewussten jungen Mann
  • Durchlebt zahlreiche Abenteuer, übernimmt Verantwortung und lernt Selbstbestimmung
  • Seine Reise in Phantásien spiegelt inneres Wachstum wider

Die Kindliche Kaiserin / Goldäugige Gebieterin der Wünsche (Mondenkind)

  • Herrscherin von Phantásien, ewig jung und wunderschön
  • Repräsentiert Phantásien selbst; benötigt einen neuen Namen vom jeweiligen Lesenden
  • Symbolisiert die menschliche Imagination und die Notwendigkeit der Phantasie für das Überleben der Welt
  • Verkörpert Reinheit, Unschuld und die zentrale Verbindung zwischen Realität und Phantasiewelt
  • Ihre Existenz hängt davon ab, dass Menschen kreativ denken

Atréju

  • Junger Krieger vom Volk der Grünhäute, ca. 10 Jahre alt
  • Held der Binnenerzählung, Bastians Alter Ego und später Freund
  • Verkörpert Mut, Treue, Selbstlosigkeit und Verantwortungsbewusstsein
  • Begibt sich auf gefährliche Missionen, um Phantásien zu retten
  • Seine Taten spiegeln Bastians innere Entwicklung wider und zeigen, wie Handeln und Phantasie zusammenhängen

Fuchur

  • Weißer Glücksdrache; treuer Begleiter Atréjus
  • Rettet Atréju mehrfach und begleitet ihn auf seiner Reise
  • Symbolisiert Hoffnung, Glück, Zuversicht und bedingungslose Freundschaft
  • Vermittelt Optimismus und die Kraft, schwierige Situationen zu überwinden
  • Stärkt die moralische und emotionale Entwicklung der Heldenfigur

Karl Konrad Koreander

  • Alter Antiquar und Schwellenhüter zwischen Realität und Phantásien
  • Bewahrer von Geschichten und Zugang zur Fantasiewelt für Bastian
  • Zeigt, dass auch Erwachsene einst in Phantásien waren
  • Symbolisiert die Verbindung zwischen Realität, literarischer Welt und Wissen
  • Seine Rolle macht deutlich, dass Fantasiegenerationen überdauert und weitergegeben werden muss

Engywuck & Urgl

  • Gnom und Gnomide
  • Helfer auf Atréjus Weg; bieten praktische Unterstützung und komische Entlastung
  • Verkörpern Wissensdurst, Rationalität, Erfahrung und Fürsorge
  • Engywuck: rationaler Wissenschaftler; Urgl: erfahrene Heilerin und pragmatische Problemlöserin
  • Tragen dazu bei, dass Atréju seine Mission erfüllt und Hindernisse überwindet

Gmork

  • Werwolf; Antagonist im Dienst der Macht hinter dem „Nichts“
  • Erklärt Atréju die Bedrohung Phantásiens
  • Verkörpert destruktive Kräfte, die Fantasie, Kreativität und Hoffnung zerstören wollen
  • Symbol für die zerstörerische Seite von Macht, Angst und Resignation
  • Seine Konfrontation mit Atréju verdeutlicht die Existenz des Bösen als Herausforderung für den Helden

Ygramul die Viele

  • Riesiges Insektenwesen und erste große Gefahr für Atréju
  • Ihr Gift ermöglicht Teleportation
  • Symbolisiert faszinierende, aber tödliche Gefahren
  • Steht für die Bedrohung, die Mut, Klugheit und Vorsicht erfordert
  • Verdeutlicht, dass Abenteuer und Fantasie Risiken beinhalten, die es zu überwinden gilt

Morla die Uralte

  • Riesige, uralte Schildkröte in den Sümpfen der Traurigkeit
  • Gibt entscheidende Hinweise und Informationen für Atréjus Mission
  • Verkörpert Apathie, Depression und Gleichgültigkeit
  • Warnt vor Resignation und zeigt, dass passives Verhalten das Weiterkommen blockiert
  • Symbolisiert die dunkle, träge Seite von Phantásien, die überwunden werden muss

Uyulála

  • Stimme in der Südlichen Orakelstätte, spricht nur in Reimen
  • Gibt die entscheidende Prophezeiung, bleibt aber rätselhaft
  • Symbolisiert Mysterium, Weisheit und die Grenzen menschlichen Verstehens
  • Ihre Botschaften führen den Helden, fordern ihn aber auch intellektuell heraus
  • Verdeutlicht, dass Wissen und Fantasie oft nur fragmentarisch zugänglich sind

Bastians Vater

  • Witwer, emotional verschlossen
  • Repräsentiert die reale Welt, familiäre Bindung und emotionale Stabilität
  • Versöhnung mit Bastian am Ende symbolisiert Rückkehr aus Phantásien in die Realität
  • Verdeutlicht, dass persönliche Beziehungen und familiäre Nähe ebenso wichtig sind wie Phantasie
  • Bringt die moralische und emotionale Dimension des Lesens ins Spiel

Xayíde

  • Schöne, böse Zauberin
  • Verführt Bastian und droht, ihn ins Verderben zu führen
  • Symbolisiert Narzissmus, Selbstsucht und Machtgier
  • Warnt vor der Gefahr, Fantasie egoistisch oder rücksichtslos einzusetzen
  • Ihre Manipulation testet Bastians Urteilsvermögen und innere Stärke

Argax

  • Scheinriese
  • Zeigt, dass Größe eine Frage der Perspektive ist
  • Metapher für relative Werte, Wahrnehmung und Perspektivwechsel
  • Verdeutlicht, dass Eindrücke oft täuschen und kritisches Denken notwendig ist
  • Unterstreicht, dass Fantasie subjektiv erlebt wird

Graógramán

  • Feuerlöwe, Herr der Wüste Goab
  • Erste große Begegnung Bastians in Phantásien
  • Symbolisiert Einsamkeit, innere Prüfung und Transformation
  • Stellt Bastians Mut und Standhaftigkeit auf die Probe
  • Verdeutlicht, dass Herausforderungen und Begegnungen persönliches Wachstum ermöglichen

Dame Aimee

  • Alte Frau in der Änderhaus-Gasse
  • Hilft Bastian, seinen wahren Wunsch zu erkennen
  • Verkörpert Weisheit, Selbsterkenntnis und die Bedeutung von Mentoren
  • Unterstützt den Helden in seiner inneren Entwicklung
  • Ihre Rolle zeigt, dass Führung und Rat entscheidend für die Reifung des Lesers / Helden sind

Artax

  • Atréjus treues Pferd
  • Stirbt in den Sümpfen der Traurigkeit
  • Symbol für Verlust, Trauer und emotionale Erschütterung
  • Verdeutlicht die Tiefe emotionaler Erfahrungen in Phantásien und den Preis von Verantwortung

Die Rolle der Kunst in Michael Endes Die unendliche Geschichte

Kunst und künstlerisches Schaffen durchziehen Die unendliche Geschichte als zentrales Motiv. Phantásien existiert allein durch die Geschichten, die für und über es erzählt werden, denn jede Erzählung ist selbst schöpferisch und bringt neue Welten hervor. Selbst das Heilmittel für die Kindliche Kaiserin ist ein Akt sprachlicher, kreativer Schöpfung: das Aussprechen eines neuen Namens.
Ende bricht zudem mit der Vorstellung von passiven Leserinnen und Lesern. Das kennen wir von uns selbst, wenn wir ein Buch „weiterspinnen“ uns vorstellen, wie es weitergeht, uns mit Figuren identifizieren und uns vorstellen, wie es wäre, wenn sie reale Menschen wären. Wie Bastian wird jede Leserin und jeder Leser zum aktiven Künstler, deren eigene Fantasie das Überleben und die Erneuerung Phantásiens ermöglicht. Wer hat nicht selbst einen neuen Namen für die Kindliche Kaiserin im Kopf, wenn Bastian dazu aufgefordert wird, ihn auszusprechen?

Die unendliche Geschichte ist somit selbst Ausdruck von Kunst, in Gestaltung und Symbolik, die zudem beweist, dass Form und Inhalt untrennbar miteinander verbunden sind. Phantásien steht sinnbildlich für die Welt der Kunst als Ausdruck unerschöpflicher Kreativität.
Bastian erkennt auf seiner Reise durch das Land, dass jede künstlerische Schöpfung Verantwortung mit sich bringt. So wie Wünsche Phantásien formen, bleibt die Kunst mit dem Leben verbunden. Auch die Selbstreflexivität des Romans und seine Betonung des eigenen Gemachtseins zählen zum künstlerischen Programm und Statement über die Natur der Fiktion.
Letztlich ist Kunst die heilende Kraft und hilft Bastian, sich selbst zu finden und sich mit seiner Realität zu versöhnen. Damit ist Die unendliche Geschichte nicht einfach nur ein Buch, sondern eine vielschichtige Reflexion über Kunst und das schöpferische Potenzial des Menschen.

Literaturwissenschaftliche Konzepte in Die unendliche Geschichte

Mise en abyme

Der zentrale Kunstgriff des Romans besteht in dem sogenannten mise en abyme (französisch: „ins Wappen gesetzt“, bildlich: „Spiegelung im Abgrund“). Im Reallexikon der Literaturwissenschaft werden drei Stufen des Mise en abyme unterschieden:

„–die ,Einfache Spiegelung (re’flexion simple, vgl. (1): die Schachtel in der Schachtel, der Fernseher im Fernsehen, die Binnenerzählung in der Rahmenerzählung); – die ,Unendliche Spiegelung (re’flexion a`L‘infini; vgl. (1a), (1b): die Puppe in der Puppe in der Puppe …, Tiecks Theater auf dem Theater auf dem Theater …); – die ,Ausweglose Spiegelung (re’flexion aporistique, vgl. (2): die einander zeichnenden Hände Eschers, die Romanfigur als Verfasser ebendieses Romans, die gegen ihre Darsteller rebellierenden Bühnenfiguren).“[1]

Es handelt sich dabei um eine sich wiederholende Erzählstruktur, bei der ein Werk sich selbst enthält oder spiegelt.

Dies zeigt sich in Endes Unendlicher Geschichte auf verschiedene Weisen:

  • Primäre Ebene: Bastian liest mit einem Buch, das Die unendliche Geschichte heißt, und das wir als Lesende ebenfalls in Händen halten
  • Spiegeleffekt: Bastian erkennt während des Lesens, dass die Geschichte, die er liest, von ihm selbst handelt – er wird Teil der Erzählung, was für uns Lesende ebenfalls gelten kann
  • Infinite Regression: Am Ende des Romans findet sich die Bemerkung, dass auch wirTeil einer größeren Geschichte sein könnten
  • Metaphorische Verdopplung: Die Bedrohung Phantásiens durch das „Nichts“ spiegelt Bastians eigene innere Leere und Phantasielosigkeit

Es ist das Mise en abyme, durch das eine Verunsicherung der Grenze zwischen Fiktion und Realität erzeugt wird. Wir fragen uns beim Lesen: Wenn Bastian durch das Lesen Teil der Geschichte wird, bin dann auch ich Teil einer übergeordneten Erzählung? Diese Infragestellung ontologischer Grenzen ist charakteristisch für metafiktionale Literatur. Daran angeknüpft sind auch Fragen zum Autor als Gott seiner Erzählung und insofern geht das Lesen und Verfassen auch mit philosophischen Aspekten einher.

Wissenschaftliche Perspektive: Metafiktion und mise en abyme

Die Unendliche Geschichte ist ein Werk der Metafiktion. Dazu zählen Werke, in denen das Erzählen selbst thematisiert wird, also die Künstlichkeit der Fiktion wird bewusst gemacht. In Die unendliche Geschichte wird dies zum Beispiel dann sichtbar, wenn die Handlung auf Bastian übergeht und die Lesenden auf die Mechanismen des Geschichtenerzählens aufmerksam gemacht werden (das ist zum Beispiel in der ausgewählten Textpassage der Fall). Das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft führt den Begriff der Metafiktion auch unter Potenzierung.

„Wörter können sich nicht nur auf andersartige Gegenstände beziehen (auf ,Sachen‘), sondern auch auf gleichartige Gegenstände (z. B. das Wort Wort) und sogar auf sich selbst als Gegenstand (der Ausdruck in dieser Klammer). Die Literatur macht sich diesen Umstand zunutze durch vielfältige Verfahren, für die man neben den unten erläuterten Alternativen wie Selbstbezüglichkeit, Autoreferenz, Rekursivität, Iteration oder Mise en abyme seit der Literatur der Romantik den Sammelnamen Potenzierung gefunden hat.“[2]

Fiktionsvertrag oder Leser-Autor-Pakt

Als Fiktionsvertrag oder Leser-Autor-Pakt wird die stillschweigende Übereinkunft zwischen Autor und Leser beim Umgang mit fiktionalen Texten bezeichnet.

Der „Fiktionsvertrag“ und der „Leser-Autor-Pakt“ bezeichnen im Wesentlichen dieselbe stillschweigende Übereinkunft zwischen dem Autor und dem Leser beim Umgang mit fiktionalen Texten. Dabei akzeptieren Lesende, dass die erschaffene Welt des Werkes ausgedacht ist, also fiktional und nicht in der Realität überprüfbar. Im Gegenzug erschafft der Autor plausible und stimmige Welten der Fiktion. Lesende nehmen die in einem Roman dargestellten Gegebenheiten somit hin, auch wenn sie unmöglich sind.

So gibt es zum Beispiel auf bestimmte Fiktionalitätssignale, etwa wenn ein Buch als „Roman“ gekennzeichnet ist. Gattungsmerkmale sind also entsprechende Signale oder auch sprachliche Mittel wie das epische Präteritum oder Hinweise im Inhalt.

Das Besondere an Endes Die Unendliche Geschichte ist nun, dass der Vertrag, der Pakt aufgehoben wird und Bastian vollkommen in die Fiktion eintritt. Aber für uns als reale Lesende bleibt der Vertrag bestehen, oder etwa nicht?!

FAQ: Die unendliche Geschichte von Michael Ende

Wann wurde Die unendliche Geschichte veröffentlicht?

Das Buch erschien 1979 beim Thienemann Verlag. Es wurde schnell zu einem der erfolgreichsten deutschen Jugendbücher aller Zeiten und in über 40 Sprachen übersetzt.

Für welches Alter ist das Buch geeignet?

Offiziell wird es ab 12 Jahren empfohlen, aber die Geschichte spricht Leser jeden Alters an. Kinder entdecken darin ein spannendes Abenteuer, während Erwachsene die tieferen philosophischen Ebenen erkennen.

Was macht das Buch so besonders?

Die unendliche Geschichte ist auf mehreren Ebenen außergewöhnlich: Sie erzählt zwei parallel verlaufende Handlungsstränge (Bastians Welt und Phantásien), die zunehmend miteinander verschmelzen. Das Buch selbst wird Teil der Geschichte, da Bastian ein Buch mit demselben Titel liest. Zudem ist die Originalausgabe zweifarbig gedruckt – die reale Welt in Rot, Phantásien in Grün.

Was ist das Nichts?

Das Nichts ist keine normale Bedrohung, sondern die Auflösung von allem – ein Vakuum, das entsteht, wenn Menschen aufhören zu träumen und zu fantasieren. Es symbolisiert den Verlust der Vorstellungskraft und Hoffnung.

Warum ist die Geschichte in zwei Teile gegliedert?

Der erste Teil (Kapitel 1-13) erzählt von Atréjus Suche und Bastians Rolle als Leser. Der zweite Teil (Kapitel 14-26) zeigt Bastian selbst in Phantásien und seine zunehmend gefährliche Reise durch eine Welt unbegrenzter Möglichkeiten, bei der er sich selbst zu verlieren droht.

Was bedeutet AURYN?

AURYN ist das Zeichen der Kindlichen Kaiserin – zwei Schlangen, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen (ein Ouroboros-Symbol). Es verleiht seinem Träger grenzenlose Macht, aber auch die Inschrift „Tu was du willst“ birgt eine Warnung: Jede Entscheidung hat Konsequenzen.

Was symbolisiert der Elfenbeinturm?

Der Elfenbeinturm ist der Wohnsitz der Kindlichen Kaiserin und das Zentrum Phantásiens. Er steht für Reinheit, aber auch für Isolation. Die endlosen Stufen zum Turm symbolisieren die Schwierigkeit, zur wahren Essenz der Fantasie vorzudringen.

Was sind die Tore in Atréjus Reise?

Atréju muss durch mehrere mystische Tore, die jeweils eine Prüfung darstellen: Das Erste Tor zeigt zwei Sphinxen, die jeden töten, der zweifelt. Das Zweite Tor ist der Magische Spiegel, der die wahre Natur eines Menschen zeigt. Das Dritte Tor ist ein Tor ohne Schlüssel, das sich nur durch puren Willen öffnet.

Was bedeutet es, dass Bastian seine Erinnerungen verliert?

Jedes Mal, wenn Bastian in Phantásien einen Wunsch äußert, verliert er eine Erinnerung an seine reale Welt. Dies symbolisiert die Gefahr, sich vollständig in Fantasien zu verlieren und den Bezug zur Realität zu verlieren. Es ist eine Warnung vor Eskapismus.

Was ist die zentrale Botschaft des Buches?

Die unendliche Geschichte zeigt, dass Fantasie und Realität einander brauchen. Fantasie ohne Bodenhaftung führt zum Selbstverlust, aber eine Welt ohne Fantasie wird leer und hoffnungslos. Die Geschichte ermutigt dazu, die eigene Vorstellungskraft zu nutzen, um die reale Welt zu bereichern – nicht um ihr zu entfliehen.

Warum ist die Geschichte "unendlich"?

Einerseits ist sie unendlich, weil Phantásien grenzenlos ist und sich ständig durch neue Geschichten erneuert. Andererseits endet das Buch damit, dass eine neue Geschichte beginnt – ein ewiger Kreislauf. Auch das Ouroboros-Symbol von AURYN steht für Unendlichkeit.

Wie steht Michael Ende zur Verfilmung von 1984?

Michael Ende war mit Wolfgang Petersens Film zutiefst unzufrieden. Er versuchte erfolglos, seinen Namen aus dem Vorspann entfernen zu lassen, und klagte gegen die Produktion. Ende kritisierte, dass der Film nur die erste Hälfte des Buches adaptierte und die tieferen philosophischen Ebenen ignorierte. Der Film konzentrierte sich auf Action und Spektakel, während Endes Botschaft über die Balance von Fantasie und Realität verloren ging.

Gibt es weitere Verfilmungen?

Ja, es gibt „Die unendliche Geschichte II“ (1990) und „Die unendliche Geschichte III“ (1994), die noch weiter vom Buch abweichen. Zudem gab es eine deutsche Zeichentrickserie und 2001 eine aufwendigere TV-Miniserie „Tales from the Neverending Story“.

Muss ich die Geschichte mehrmals lesen?

Viele Leser empfinden es so. Bei der ersten Lektüre erlebt man das Abenteuer, beim zweiten Mal entdeckt man die vielen Anspielungen, Symbole und tieferen Bedeutungen. Die Geschichte offenbart bei jeder Lektüre neue Ebenen.

Welche anderen Bücher von Michael Ende sollte ich lesen?

Michael Ende schrieb viele bemerkenswerte Bücher, darunter „Momo“ (über Zeit und Zeitdiebe), „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ und „Das Gauklermärchen“. Alle enthalten philosophische Tiefe in fantasievollen Geschichten.

Warum berührt das Buch so viele Menschen?

Die unendliche Geschichte spricht universelle Themen an: das Gefühl, nicht dazuzugehören, die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt, die Macht der Fantasie und die Notwendigkeit, den eigenen Weg zu finden. Fast jeder kann sich in Bastian oder Atréju wiedererkennen. Die Geschichte erinnert uns daran, dass unsere Träume und unsere Vorstellungskraft wertvoll und kraftvoll sind.

Katrin Beißner

[1] Fricke, Harald: Potenzierung. In: RLW 2. Hg. von Harald Fricke. Berlin/New York 2007, S. 144-147, hier S. 145. [2] Ebd., S. 144.

Worum geht es?

Dieser Blog dient dem Interpretieren von Literatur, Filmen und Kunst, individuellen Erfahrungen und der Realität. Die Analysen und Interpretationen erfolgen als Gedankenexperimente im Rahmen einer Beschäftigung mit dem Erzählen, literarischen Figuren, historischen Personen sowie realen Menschen unter Anwendung literaturwissenschaftlicher Theorien und Methoden.

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