Liebespaare der Weltliteratur – Artus und Guinevere – Herrschaft

Artus und Guinevere auf der Höhe ihrer Herrschaft ein machtvolles Herrscherpaar. Abbildung: Kris Waldherr: The Lover’s Path Tarot. Copyright © 2004, 2013 Kris Waldherr

Zuletzt bearbeitet am 2. Februar 2025

König Artus und Guinevere oder Ginover (der Name besitzt viele unterschiedliche Schreibweisen) sind mehr als nur ein Herrscherpaar – ihre Verbindung spielt in den Artuslegenden eine zentrale Rolle im Machtgefüge des Reiches. Aus diesem Grund befindet sich das Paar auch auf meinem literarischen Fundstück – einem Tarotkartenspiel, auf deren Karten literarische und historische Liebespaare mit spezifischen Symboliken abgebildet sind. Artus und Guinevere befinden sich der Karte Nummer 4, die normalerweise dem Herrscher zugeordnet ist. In meinem Spiel wird die Karte mit Power – Macht tituliert. Aber es gibt wie bei all diesen Karten signifikante Symboliken, die es sich lohnt, im Vergleich genauer zu betrachten. Doch zunächst folgen einige allgemeine Informationen, damit der Einstieg in die Thematik etwas leichter wird. Wie schon bei Merlin und Vivianne wird es auch einige Textpassagen im englischen Original und der deutschen Übersetzung geben.

König Artus und Guinevere – eine Zusammenfassung der Tradition

Die Legende von Artus und Guinevere erzählt von Liebe, Verrat und den tragischen Folgen menschlicher Schwächen. König Artus heiratet Guinevere, eine wunderschöne und edle Frau, die zur Königin von Camelot wird. Ihre Heirat markiert die Blütezeit seiner Herrschaft und den Höhepunkt seines Reiches. Doch die Harmonie wird gestört, als Guinevere und Sir Lancelot, Artus’ treuester Ritter und engster Freund, Gefühle füreinander entwickeln. Ihre verbotene Liebe bleibt zunächst verborgen, doch mit der Zeit wird sie entdeckt, was zu Spannungen innerhalb von Artus’ Hof führt. Der Verrat erschüttert das Vertrauen des Königs und schwächt die Einheit der Tafelrunde. Schließlich nutzen Artus’ Feinde, darunter sein unehelicher Sohn Mordred, die Situation aus, um das Reich zu destabilisieren. Der Konflikt gipfelt in einer finalen Schlacht, in der Artus tödlich verwundet wird. Die Liebe zwischen Guinevere und Lancelot endet tragisch, und Camelot, einst Symbol für Gerechtigkeit und Frieden, fällt auseinander. Die Geschichte zeigt die Zerbrechlichkeit von Herrschaft und Idealismus angesichts menschlicher Schwächen und bleibt ein zeitloses Mahnmal für Loyalität, Liebe und Ehre.

Herrschaftssymbolik und die Tarotkarte Der Herrscher

Die Tarotkarte Der Herrscher symbolisiert Autorität, Stabilität und Struktur. Sie steht für Kontrolle, Verantwortung und die Fähigkeit, durch klare Regeln und Logik Ordnung zu schaffen. Gleichzeitig erinnert sie daran, Stärke mit Weisheit und Fairness zu verbinden. Schauen wir uns die Symbolik des Herrschers genauer an, damit ein Vergleich möglich wird. Ganz allgemein steht die Karte des Herrschers für Machtpositionen und Führungsqualitäten und für jemanden, der im übertragenen Sinne das Szepter in die Hand nimmt. Auf der Karte abgebildet ist ein Herrscher mit einem langen weißen Bart, was einmal auf sein Alter und zum anderen auf seine Erfahrung hinweist. Er sitzt auf einem soliden Thron. Dieser ist mit Widderköpfen verziert – ein Symbol für den Kriegsgott Mars, Kraft und Durchsetzungskraft. Der Herrscher trägt ein königliches Gewand in Rot, das seine Leidenschaft und Energie symbolisiert. Purpur gilt seit jeher als Herrscherfarbe und wird mit Macht und Reichtum assoziiert. Der Herrscher trägt eine Rüstung unter dem roten Gewand, die auf seine Bereitschaft zur Verteidigung bzw. zum Kampf und auf die Fähigkeit zum Angriff hinweist. Dafür muss er aufstehen und reitet selbst in den Krieg. Überdies ist er mit den typischen Herrschaftsinsignien ausgestattet. Die Herrschaftsinsignien Krone, Reichsapfel und Zepter sind bedeutende Symbole der königlichen und kaiserlichen Macht im Mittelalter. Die Krone repräsentiert die weltliche Herrschaft und den göttlichen Auftrag des Herrschers, indem sie dessen Autorität über das Reich und das Volk symbolisiert. Sie wurde bei der Krönung feierlich aufgesetzt und galt als sichtbares Zeichen von Herrschaft. Der Reichsapfel, ein kugelförmiges Objekt, steht für universelle Macht. Oft ist er mit einem Kreuz versehen, das den göttlichen Schutz und die göttliche Ordnung darstellt. Der Zepter schließlich symbolisiert die Macht und das Recht des Herrschers, Gesetze zu erlassen und das Volk zu führen. Es wird als Zeichen der Autorität und des Führungsanspruchs getragen. Zusammen bilden diese Insignien eine sichtbare und kraftvolle Symbolik für die politische und religiöse Legitimation der Herrschaft. Hinter ihm erhebt sich eine karge Berglandschaft, die seine Standhaftigkeit, Disziplin und Unerschütterlichkeit symbolisiert. Im Kontrast dazu zeigt das Bild klare, geometrische Linien und Strukturen, die Ordnung, Stabilität und rationale Autorität ausdrücken – zentrale Themen der Karte. Das ist ein Unterschied zum weiblichen Pendant die Herrscherin, die im Kartenspiel der Liebespaare von Cleopatra verkörpert wird.

Bisher analysierte Tarotkarten aus dem Kartenspiel für berühmte Liebespaare:

  1. Tamino und Pamina aus Mozarts Zauberflöte – Der Narr
  2. Merlin und Vivianne als Figuren der Artussage – Der Magier
  3. Scheherazade und Scheherban aus Tausendundeine Nacht – Die Hohepriesterin
  4. Cleopatra und Caesar – Die Herrscherin
  5. Artus und Guinevere – Der Herrscher
Artus und Guinevere auf der Höhe ihrer Herrschaft ein machtvolles Herrscherpaar. Abbildung: Kris Waldherr: The Lover’s Path Tarot. Copyright © 2004, 2013 Kris Waldherr
Artus und Guinevere auf der Höhe ihrer Herrschaft ein machtvolles Herrscherpaar. Abbildung: Kris Waldherr: The Lover’s Path Tarot. Copyright © 2004, 2013 Kris Waldherr

Herrschaftssymbolik: Artus und Guinevere

Artus verkörpert auf der Abbildung der Karte den Herrscher und repräsentiert die klassischen Attribute: Macht und Autorität, Struktur und Stabilität, Verantwortung. Guinevere wird als seine Ergänzung oder auch Herausforderung betrachtet. In Harmonie ergänzt sie Artus‘ Macht mit ihren weiblichen Qualitäten der Anmut, Diplomatie und Empathie. Aufgrund des Zusammenwirkens von männlichen und weiblichen Energien wird die Herrschaft gefestigt, weil sich die Attribute von Artus und Guinevere perfekt ergänzen. Wenn ich jetzt »Herausforderung« geschrieben habe, dann ist das bezogen auf Guineveres Liebesaffäre mit Lancelot, einem Ritter der Tafelrunde, die für den Untergang von Camelot sorgt. Von diesem Blickwinkel aus stellt Guinevere Artus‘ verletzliche Seite dar, sie macht ihn verwundbar. Inwiefern hier die heute immer noch geltende Rolle des starken Mannes präsent ist, lässt sich hier nur erahnen. Jedenfalls ist das auf der Kartenabbildung nicht erkennbar, doch es schwingt mit. Denn im Allgemeinen kennt man die Geschichte. Hierzulande mag sie im Gegensatz zum anglophonen Raum weniger bekannt sein, doch König Artus und seine Tafelrunde, Lancelot und Guinevere sind uns ein Begriff. Insofern passt die gemeinschaftliche Darstellung von Artus und Guinevere als königliches Herrscherpaar ideal für die Kartensymbolik des Herrschers, weil mit ihnen eben die perfekte Herrschaft dargestellt wird – die Herrschaft, wie sie sein sollte. Es geht um Macht und Verantwortung, in die aber auch das Herz und Emotionen einbezogen werden. Insofern ist auch die Einheit von Verstand und Herz angedeutet, die ja so häufig in der Literatur inszeniert wird. Auf dem Bild sind beide glücklich, beide mit Krone, Artus trägt seine Rüstung unter dem Königsgewand, Guinevere lächelt, beide tragen Zobel, im Hintergrund erkennt man die Tafelrunde und die Männer, die darum herumstehen, dazu Säulen und ein Wandgemälde, das einen kämpfenden Ritter auf einem weißen Pferd darstellt (vielleicht Artus selbst). Gezeigt wird also eine stabile und auf soliden Säulen stehende Herrschaft mit einem glücklichen, einheitlich regierenden und sich ergänzenden Herrscherpaar. Und natürlich gibt es auch nur durch solch eine Verbindung Nachkommen, mit denen die Herrschaftslinie fortgeführt werden kann.

Wer ist eigentlich Ginover, Guinevere, Guinewere usw.?

Geschrieben wird ihr Name in den mittelhochdeutschen Roman häufig Ginover. Es gibt aber viele andere Schreibweisen: Guinievre, Guenevere, Ganievre, Guimart und viele mehr, wobei immer ein und dieselbe Person gemeint ist: Die Gattin von König Artus.[1] „Ginover/Guenievre gehört – zusammen mit Iseult/Isolde – in denjenigen Bereich epischer Mythen des Mittelalters, welche von den wohl am meisten in der gesamten Weltliteratur nach- und neuerzählten Geschichten handeln, nämlich von König Artus ( = frz.,dt.; eng!.: Arthur) und den Rittern seiner Tafelrunde.“[2] Es handelt sich um einen der beliebtesten Stoffkreise der Weltliteratur. Guinevere besitzt in der literarischen Geschichte häufig zwei Gesichter. So ist sie einerseits die repräsentative Artus-Gattin, die aber kaum in die Handlung eingreift und häufig auch keine eigene Geschichte hat. „In anderen Erzählwerken des Mittelalters hat sie aber durchaus (und hier verwendet man besser ihren verbreiteten französischen Namen: Guenievre) eine eigene Geschichte, nämlich als die Frau zwischen zwei Männern, die entscheidend daran beteiligt ist, eine gesamte Welt ins Unglück zu stürzen.[3] Das kennt man ja schon von Helena oder auch Kriemhild. Ihr kommt dabei eine ähnliche Rolle zu wie Isolde/Iseult, die mehr mit Tristan in Verbindung gebracht wird als mit ihrem eigentlichen Gatten König Marke. Beide Königinnen sind also Protagonistinnen in den wohl skandalösesten Geschichten der gesamten mittelalterlichen Literatur.

„Beide Male wird erzählt, daß das illegitime Liebesverhältnis einer Königin (Iseult – Tristan, Guenievre – Lancelot) die Grundwerte der damaligen Feudalgesellschaft und christlichen Moral ins Wanken bringt. Denn Guenievre und Iseult vergehen sich nicht nur gegen eines der von den Christen übernommenen zehn Gebote, sondern sie tun dies mit einem hohen Vasallen ihres königlichen Gemahls, der dessen bester Freund (Lancelot), ja sogar ein naher Verwandter (Tristan) ist. Lancelot und Tristan beeinträchtigen damit zum einen das absolute patriarchalische Besitzrecht der Könige Artus und Marke, das einem Ehemann (damals) zustand, und zum anderen handeln sie mit ihrem Verhalten (das zumindest aus der Sicht von Anus und Marke als Verrat und Treuebruch angesehen werden muß) gegen eines der Grundprinzipien der mittelalterlichen Adelsgesellschaft, nämlich den Grundsatz der wechselseitigen Treueverpflichtung zwischen den jeweiligen Lehensherren und Lehensmännern.“[4] Man weiß auch wie die Geschichte endet: Isolde und Tristan sind ein Leben lang durch den Liebestrank aneinandergefesselt, durch den sie ohne persönliche Schuld lieben müssen, doch letztlich sterben, auch weil sie an den unüberwindlichen Regeln und moralischen Konstanten der Gesellschaft zugrunde gehen. „Guenievre und Lancelot, in offensichtlich freier gegenseitiger Entscheidung, scheitern letztendlich ebenso mit ihrer Liebe, aber sie reißen gleichzeitig ihre gesamte Umgebung mit ins Verderben: das alle gesellschaftlichen Regeln in Frage stellende Verhältnis zwischen Guenievre und Lancelot bewirkt den Untergang des Artus-Reiches und damit der arthurischen Utopie einer adligen Friedens-Gesellschaft und eines elitären Männerbundes von mehr oder minder gleichberechtigten Mitgliedern.“[5]

Wer sich mehr für die Figur der Guinevere interessiert, der sei auf die zahlreichen Lexika verwiesen und auch auf das Camelot Project der University of Rochester.

König Artus und die Ritter der Tafelrunde

Er ist der sagenhafte König Britanniens, die sogenannten matière de Bretagne werden auch die mittelalterlichen Sagenstoffe um die Artuslegenden genannt.[6] Ralf Simek teilt die Erläuterungen zu Artus in die drei Abschnitte der Namensherkunft, Artus‘ historische Herkunft und Artus als literarische Figur, von denen hier nur die beiden letztgenannten Bereiche interessant sind. Der bereits erwähnte Verfasser der Historia Regum Brittaniae Geoffrey von Monmouth hat sich 1140 bezüglich der Figur wohl an frühmittelalterlichen Quellen über einen keltisch-britischen Kleinkönig aus dem 6. Jahrhundert orientiert, der „durch die zwölf gewonnenen Schlachten gegen die angelsächsischen Einwanderer als Heerführer (dux bellorum bei Gildas) zu bleibendem Ruhm gelangte und den die älteste der lat. Quellen, nämlich Gildes, Aurelius Augustinus nennt.“ Wagen wir also einen Blick in die Tradition und beginnen möglichst nahe am Ursprung, bei Geoffrey von Monmouths Historia. „Geoffrey of Monmouth (Galfridus Monemutensis, ca. 1100-1154, nannte sich selbst auch Geoffrey Arthur) ist der Verfasser der lat. Historia Regum Britanniae (»Geschichte der Könige Britanniens«), des mit Abstand einflussreichsten Geschichtswerks für die Sage um König Artus.“[7] Neben der Historia Regum Britanniae hat Geoffrey zwei weitere Werke verfasst. Es handelt sich um das 1135 verfasste Prophetiae Merlini (Weissagungen des Merlin), das auf der Tradition des walisischen Sehers Myrddin beruht, zu Merlin wird dieser erst bei Geoffrey. Dieses Werk wird in die Historia integriert. Geoffrey schuf mit der Verschriftlichung dieses sagenhaften Schlachtenführers, der bis dato vereinzelt in Heiligenviten und andere Quellen genannt war, „einen nationalen Mythos der Briten, der er in die Heilsgeschichte und die gelehrte europäische Geschichte (wie die Herkunft der Briten von den Trojanern) einbettete.“[8]

Die Basis der Artus-Legende, wie sie auf Geoffreys Historia basierenden volkssprachliche Übersetzungen durch Wace und Layamon zustande kommt, ist bis heute gleichgeblieben:

„A. ist der nachgeborene Sohn Utherpendragons, der mit 15 Jahren an die Herrschaft kommt, sich mit Hilfe des anderweltlichen Schwerts Excalibur in zahlreichen Schlachten die umgebenden Länder unterwirft und Ginover heiratet, mit der er einen prunkvollen Hof in Carduel führt.“[9] Im Kampf gegen seinen untreuen Neffen Mordred wird Artus schließlich so schwer verwundet, dass er nach Avalon versetzt wird.[10]

Eine Erinnerung an König Artus an der Küste von Cornwall. king-3879305_1920_Greg-Montani-auf-Pixabay

Artus als literarische Gestalt

Mit Artus und seiner Herrschaft sind Fragen nach dem idealen Königreich verbunden sowie Gründen für Aufstieg und Fall es idealen Königtums. Wenn er als Vorbild für herrschaftliches Verhalten dient, dann lässt sich mit so einer Figur in literarischen Werken einiges anstellen, etwa vorbildliches Verhalten eines Herrschers darstellen oder aber zeigen, was gar nicht geht. Der französische Dichter Chrétien de Troyes führte ab 1170 neue Elemente in die literarische Tradition ein, in der König Artus zum Brennpunkt der Handlungen wird, der Fokus allerdings auf die Ritter der Tafelrunde und ihrer Handlungen gerichtet ist.[11] In seinen fünf Romanen Erec et Enide (dt. Erec und Enite), Cligès, Lancelot ou Li Chevalier de la charette (dt. Der Karrenritter), Yvain le chevalier au Lion (Iwein oder der Löwenritter) und Perceval ou Le Conte du Graal(Perceval oder die Erzählung vom Gral) sind die jeweiligen Artusritter im Zentrum der Handlung, die Aventiuren (ritterliche Bewährungsproben) vom Artushof unternehmen und zurückkehren. Chretiens Werke wurden von namhaften deutschsprachigen Dichtern wie Hartmann von Aue und Gottfried von Straßburg übersetzt und verformt. Tatsächlich wird auch Tristan während seiner Verbannung als Ritter in die Tafelrunde aufgenommen. Artus jedenfalls hält während der Zeit, in der seine Ritter Aventiuren bestreiten mit seiner Königin als schwacher König Hof unter anderem in Kardiol und anderorts.[12] Tugenden und Ideale, die auch die Ritter der Tafelrunde auf ihren Aventiuren verkörpern müssen sind stæte (Beständigkeit), dienest (Dienstbereitschaft), êre (Ehre), Ansehen, Geltung, Würde, manheit (Mannhaftigkeit), mâze (Maßhaltung), milte (Freigiebigkeit, Großzügigkeit), zuht (Anstand, Wohlerzogenheit) und andere.

Ist Guinevere eine Femme Fatale?

Der französische Begriff »femme fatale« beinhaltet verschiedene Attribute zu einem bestimmten Typ von Frau, nämlich die verführerische, verderbenbringende und möglicherweise auch intrigante Frau. Der Begriff wurde durch die Formulierung »donna fatale« von dem italienischen Kunsthistoriker Mario Praz geprägt. Wenn heute jemand von einer Femme Fatale redet, dann weiß eigentlich jeder, was damit gemeint ist. Es handelt sich hier um Bild, das breit kulturell tradierte und weiterhin rezipierte Wissenselemente enthält.

„Prototypen von solchen»»femmes fatales« sind etwa Carmen, Nana, Salome, Lulu oder der ›Blaue Engel‹ In säkularisierter Form wird hier die alte (seit Paulus und Augustin verfestigte) christliche Vorstellung wieder aufgenommen, daß es eine Frau bzw. ›die Frau an sich‹ wäre, welche die Welt in Unglück brachte und bringe. Dem Mittelalter war ein fester Katalog von sog. ›Minnesklaven‹ bekannt, also von männlichen Opfern solcher »femmes fatales«, z.B.: Samson, Salomon, Alexander, Aristoteles, Virgil, Johannes der Täufer- und natürlich an ihrer Spitze Adam. Daß Guenievre, zusammen mit Isolde, in diese Reihe zu stellen wäre, dies ist keine moderne Interpretation, sondern diese Meinung vertritt bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts im französischen Prosa-Zyklus (siehe oben) Lancelots Cousin Bohort in einem vorwurfsvollen Gespräch mit der Königin (VI, 245). Guenievre und Isolde sind demgemäß – in christlich-mittelalterlicher Perspektive – extreme Ausprägungen von verderbenbringenden Verführerinnen – nicht wegen einer bewußten und absichtlichen Sünde (für die sie, wie Guenievre, verantwortlich sind oder auch, wie Isolde, eher nicht), sondern vor allem deswegen, weil sie Frauen waren, und zwar Frauen von hoher Attraktivität, und dies noch verstärkt durch ihre gesellschaftliche Stellung als Königinnen.“[13]

Abschließend zu Artus und Guinevere

Ich bin ziemlich sicher, dass es hierzu viele verschiedene Ausarbeitungen gibt, immerhin werden die Figuren weiterhin rezipiert. Die Essenzen werden ständig neu inszeniert und verhandelt. So gab es schließlich auch eine filmische Neuinszenierung der Ophelia aus einer neuen Perspektive. Im Rahmen dieses Beitrags jedenfalls sollte die Abbildung von Artus und Guinevere als Herrscherpaar auf der dem Herrscher im Tarotkartenspiel zugehörigen Symbolik erläutert werden. Das Bild zeigt das Königspaar in seinen Blütejahren, in einer festen und etablierten Ordnung. Wer sich genauer mit der Literatur beschäftigen will, der wird früher oder später auf die eben zuletzt angedeuteten Abgründe stoßen.

Lektüreempfehlungen für alle, die gerne Rittergeschichten lesen

Auch George R. R. Martin hat sich seine Inspirationen für Game of Thrones nicht aus der Luft gegriffen. Die Karte im Buch sieht auch verdächtig stark nach Großbritannien aus und auch vor der fabulierenden Weiterentwicklung historischer Racheakte hat er nicht Halt gemacht. Jedenfalls bieten auch die mittelalterlichen Werke großes Unterhaltungspotenzial – man sollte sich vor vermeintlich alteritären, also einer mit der zeitlichen Entfernung einhergehenden Fremdartigkeit, nicht abschrecken lassen. Viele der Klassiker sind auch als Reclam-Heftchen erhältlich, die passen sogar ins Handtäschchen oder die Brusttasche, wenn‘s mal wieder irgendwo länger dauern sollte.

Germanistikstudierende kennen das eine oder andere, Historiker sicher auch. Viele Werke sind auch online einsehbar.

Parzival – Wolfram von Eschenbach (1200-1210):

Der junge Parzival macht sich auf der Suche nach dem rechten Weg und sucht Ritterschaft und Christenrum durch das Finden des heiligen Grals zu vereinen. König Artus und seine Ritter der Tafelrunde, insbesondere Gawein, sind wichtige Nebenfiguren.

Lanzelet – Ulrich von Zatzikhoven (um 1200):

Dieses Epos erzählt die Abenteuer des Ritters Lanzelet, der mit König Artus und seinen Rittern verbunden ist. Es ist eine der ältesten literarischen Darstellungen der Artus-Legende in mittelhochdeutscher Literatur.

Wigalois – Wirnt von Grafenberg (1210/1220):

Ritter Wigalois lebt als Neffe von König Artus an seinem Hof. Es handelt sich hier um Fortsetzung der Artus-Legende, wobei verschiedene Aspekte des höfischen Lebens und der ritterlichen Tugendhaftigkeit gezeigt werden.

Iwein – Hartmann von Aue (um 1200):

Obwohl König Artus hier keine direkte Rolle spielt, ist die Geschichte des Ritters Iwein stark von den Idealen und Normen der höfischen Welt beeinflusst, die mit der Artus-Legende verbunden sind. Felicitas Hoppe hat den Stoff mit Iwein Löwenritter für Kinder erzählt.

Zitiert: Wie haben Artus und Guinevere sich kennengelernt?

Zum Abschluss möchte ich noch das Kennenlernen von Artus und Guinevere zitieren. Als Quelle liegt mir der ins Englische übersetzte altfranzösische Lancelot-Gral-Zyklus vor. Artus und seine Männer haben gerade erfolgreich die Sachsen geschlagen und kommen siegreich nach Hause. Das Kapitel heißt:

THE VICTORIOUS ARTHUR FALLS IN LOVE WITH GUENEVERE

Then Merlin came to the three kings and told them to take their winnings, and they took them and gave them out where Merlin told them to, keeping nothing for themselves worth a single penny, and they praised Merlin and held him in greater esteem. And they stayed in the land for so long that thanks to their generosity and Merlin’s urgings-people throughout the countryside spoke of no one else but them. And Arthur gave his host and his host’s wife riding horses and palfreys, rohes, and so many goods that for all the days of their lives they were wealthier and more powerful thanks to him. King Leodagan would not allow them to take Iodging anywhere but with him, and thereafter he would never Iet them be without companionship, above ail with the knights of the Round Table.

And when their armor had been taken off, King Leodagan had his daughter brought in arrayed in the richest clothing she owned, and he had her take the hot water in silver basins, bring it before the kings, and serve them. But Arthur would not allow her to serve him until King Leodagan and Merlin bade him to. Then the young Iady herself washed his face and neck and very gently dried him with a towel, and then she did the same to the two kings; afterwards, King Leodagan had the other Guenevere, daughter ofthe seneschal’s wife, and the rest of the maidens serve the other companions.

When King Leodagan’s daughter had served the three kings, she served her father; and when they had all washed, the young Iady dressed each of them in a mantle tied at the neck. King Arthur was filled with great beauty, and the maiden stared at him and he at her. And she said softy to herself that a Iady had reason to star happy if such a good and handsome knight as he asked her for her Iove, and shame on her who refused him.

No sooner had the tables been set up than the food was ready, and the knights all sat down. But the knights of the Round Table sat side by side at a table off to themselves with the knights whom the king had engaged, and King Bors and King Ban seated Arthur between themselves, for they did him the highest honors they Could. And King Leodagan took notice of who was sitting beside whom at that table, and in his heart he thought, from the honor they bore Arthur and the service they did him, that he was Iord over them all, and he wondered mightily who he could be; he would have given anything to know who he was. „And may it please you now, Lord God,“ he said, „that he should wed my daughter! In truth, I would got have believed that such a young lad could have the worthy knighthood there is in him, and he could not have it at all unless he were a very highborn man indeed!

And I might just as well believe that he is a spiritual being whom Our Lord has sent to me to fight for this kingdom and keep it safe, not for Iove of me, but to raise up Christendom and Holy Church and keep them, and that is how they were able to leave this cityagairrst the gatekeeper’s will.

[…]

King Leodagan’s daughter served King Artbur wine in her father’s goblet, and King Arthur looked at her long and hard, and he very much liked what he saw before him. For she was the most beautiful woman in all Britain at that time, and she was endowed with a very fine body. On her head she wore a gold coronet with precious stones. Her face was bright and so naturally made up with white and red that she needed not more nor less. Her shoulders were straight, and the skin lustrous, and her body was very well put together, for her waist was slender and her hips low, and they suited her wonderfully. Her feet were pale and well arched, her arms were long and rounded, and her hands were white and plump. Why should I go on tellmg you about the maiden‘s great beauty? If she was indeed beautiful, then she was endowed with even greater goodness, generosity, courtesy sense, worthiness, sweetness, and nobility.

When King Arthur saw the maiden, who was of such great beauty, kneeling before him, he was very eager to Iook at her, first of all because her breasts were firm and hard like little apples, and herskinwas whiter than new-fallen snow, and she was neither too plump nor too thin. And King Arthur so yeamed for her that he lost hirnself in thought and stopped eating, and he tumed his face away because he did not want the two kings or anyone eise to notice anything. And the maiden bade him drink and said to him, „Young Iord, sir, drink up! And please don’t be bothered if I do not call you by your right name, for I don’t know what eise to call you. You should not be shy at table, for you indeed are not on the battlefield, and that was clear today when you were being watched by five thousand people who did not know you except by sight.“

And he turned toward her and said to her, „Dear maiden, I was glad to do that. Many thanks for your fair service, and God give me the strength and the ability to reward you.“

„Sir,“ she said, „you have already given me back a hundredfold, more than I could ever deserve; you gave it to me when you and your companions rescued my father when they were taking him away as their prisoner.“ And the king fell silent.

„There’s still more,“ she said. „Before the gate, at the foot of the bridge, you showed that you were sorry for his troubles when he was struckdown in the midst of his enemies and his horse was slain under him, for you killed the one who had brought him down. You risked your life to save him, and you did everything to get him back on his way.“

This is how King Leodagan’s daughter spoke to King Arthur, but not a word came out of his mouth. Instead, he took the goblet and drank very gladly. And he told the young Iady to sit, for she had been kneeling for a very long time, but her father the king would not allow it; rather, they were served in all the ways tongue could teiL When it was time to take away the tablecloths, King Ban asked King Leodagan, who was sitting beside him, „Sir, I am quite amazed that you, whom everyone takes to be such a worthy man, have not wed your daughter a long time since to some highbom man. She is well brought up, and clever, and you have no other children your land could go to after your death; yet you could have given yourselfheirs long before now wherever you put her.“

„In truth, sir,“ said King Leodagan, „I have put it off only because of the war, which has Iasted so long and done me so much harm. King Rion of Denmark and Ireland has not stopped waging war against me for more than seven years, and never since then has any man come into my land to whom I might give her, and no one has sent me word asking for her. But, God help me, if I could find a worthy knight who could stand toil and hardship, and who would keep up my war form me, I would give him my daughter and all my land, if he wanted to have it after my death, and I would not care about his birth or his birth or his wealth. Please God, if such a man as I have in mind, and in my heart, were here right now, in truth not three days would go by before she would be wed to a young knight, handsome and worthy, and I truly believe that he is of higher birth than I.“

And Merlin began to smile, and he looked at King Bors and gave him a sign that he had said these things about King Arthur, and indeed he had. Then they all began to speak about many things, but steered their talk away from what King Leodagan had said, for they did not wish to speak further of it at that time. King Leodagan understood that they were unwilling to hear about it, although he would very much have liked them to draw him out on the subject, so he fell silent and tried to see if he could learn, from anything in their Iooks and behavior, where they came from. And he was heedful of their merriment and the joy they took in Arthur, and this was what bothered him the most, and the two worthy gentleman and their companions were so happy to be with him that all who saw them were amazed and bewildered.

And Arthur loved and yearned for the daughter of King Leodagan, and he was daydreaming so about her that he forgot where he was; he very much wanted to have her as his wife and helpmeet, if he could. And the story says that she was the wisest woman in Great Britain, the fairest and best loved who was in that whole land, excepting only Elaine the Peerless, wife of Persides the Red of the Castle of Gazevilte and daughter of King Pelles of Listenais of the Castle of Corbenic; she was the niece of the Fisher King and the king ailing from his wounds. The first was called Alan of the Isle in Listenois. The second was ill and had been wounded with the Avenging Lance, which is why he was called the Maimed King, and he had been wounded through both his thighs; his right name was King Pellinor of Listenois. King Alan and Pellinor were brothers. The maiden I told you about was their niece and the daughter of King Pelles, who was the brother of the two I have just named for you. That maiden was the most beautiful woman who had ever been in any land, and the noblest, and she kept the Most Holy Grail until Galahad was conceived.

Aus: Lancelot-Grail. The Old French Arthurian Vulgate and Post-Vulgate in Translation. Volume II. Hg. von Norris J. Lacy. The Story of Merlin translated by Rupert T. Pickens. Cambridge/Brewer, 2010, S. 168-171.

Die deutsche Übersetzung zum Kapitel, in dem Artus sich in Ginover verliebt

DER SIEGREICHE ARTHUR VERLIEBT SICH IN GUENEVERE

Dann kam Merlin zu den drei Königen und sagte ihnen, sie sollten ihren Gewinn nehmen, und sie nahmen ihn und gaben ihn dort aus, wo Merlin es ihnen sagte, ohne sich auch nur einen einzigen Penny zu behalten, und sie priesen Merlin und hielten ihn in noch höherem Ansehen. Sie blieben so lange im Land, dass dank ihrer Großzügigkeit und Merlins Ermahnungen die Menschen in der ganzen Umgebung von niemand anderem sprachen als von ihnen. Und Arthur schenkte seinem Gastgeber und seiner Gastgeberin Reitpferde und Palfreys, Rösser und so viele Güter, dass sie für alle Tage ihres Lebens dank ihm wohlhabender und mächtiger wurden. König Leodagan ließ sie nirgendwo anders Unterkunft nehmen als bei ihm, und fortan ließ er sie nie ohne Gesellschaft, vor allem nicht mit den Rittern der Tafelrunde.

Und als ihre Rüstungen abgelegt waren, ließ König Leodagan seine Tochter in ihren prächtigsten Kleidern herbeibringen, und er ließ sie heißes Wasser in silbernen Becken holen, es vor den Königen hinstellen und ihnen dienen. Aber Arthur wollte nicht, dass sie ihm diente, bis König Leodagan und Merlin es ihm befahlen. Dann wusch die junge Dame ihm selbst das Gesicht und den Hals und trocknete ihn sehr behutsam mit einem Handtuch ab, und dann tat sie dasselbe für die beiden Könige. Danach ließ König Leodagan die andere Guenevere, die Tochter der Frau des Seneschalls, und die restlichen Mägde die anderen Gefährten bedienen.

Als König Leodagans Tochter die drei Könige bedient hatte, bediente sie ihren Vater, und als sie alle gewaschen waren, kleidete die junge Dame jeden von ihnen in einen Mantel, der am Hals gebunden war. König Arthur war von großer Schönheit erfüllt, und die Jungfrau starrte ihn an und er sie. Und sie sagte leise zu sich selbst, dass eine Dame wirklich glücklich sein musste, wenn ein so guter und schöner Ritter wie er um ihre Liebe bat, und es schämte sich jeder, die ihn ablehnte.

Kaum waren die Tische gedeckt, war das Essen bereit, und die Ritter setzten sich alle. Aber die Ritter der Tafelrunde setzten sich nebeneinander an einen Tisch für sich, zusammen mit den Rittern, die der König engagiert hatte, und König Bors sowie König Ban setzten Arthur zwischen sich, um ihm die höchsten Ehren zu erweisen, die sie ihm erweisen konnten. Und König Leodagan nahm wahr, wer neben wem an diesem Tisch saß, und in seinem Herzen dachte er, aus der Ehre, die sie Arthur zollten, und dem Dienst, den sie ihm erwiesen, dass er Herr über sie alle sei, und er wunderte sich gewaltig, wer er wohl sein konnte; er hätte alles gegeben, um zu erfahren, wer er war. „Und möge es Euch nun gefallen, Herr Gott“, sagte er, „dass er meine Tochter heiratet! Wahrlich, ich hätte nie geglaubt, dass ein so junger Mann den edlen Ritterstand in sich haben könnte, und er könnte ihn gar nicht haben, es sei denn, er wäre ein sehr hochgeborener Mann!“

Und ich könnte ebenso gut glauben, dass er ein geistliches Wesen ist, das unser Herr mir gesandt hat, um für dieses Königreich zu kämpfen und es zu bewahren, nicht aus Liebe zu mir, sondern um das Christentum und die Heilige Kirche zu erheben und zu bewahren, und deshalb konnten sie diese Stadt gegen den Willen des Torwächters verlassen.
[…]
Die Tochter von König Leodagan servierte König Arthur Wein aus dem Kelch ihres Vaters, und König Arthur schaute sie lange und intensiv an, und er mochte sehr, was er vor sich sah. Denn sie war die schönste Frau in ganz Großbritannien zu dieser Zeit, und sie war mit einem sehr schönen Körper ausgestattet. Auf ihrem Kopf trug sie eine goldene Krone mit Edelsteinen. Ihr Gesicht war strahlend und so natürlich mit Weiß und Rot geschminkt, dass sie weder mehr noch weniger brauchte. Ihre Schultern waren gerade, und ihre Haut glänzte, und ihr Körper war sehr gut gebaut, denn ihre Taille war schmal und ihre Hüften tief, und das passte wunderbar zu ihr. Ihre Füße waren blass und gut gewölbt, ihre Arme waren lang und rund, und ihre Hände waren weiß und rundlich. Warum sollte ich weiter über die große Schönheit der Jungfrau erzählen? Wenn sie wirklich schön war, dann war sie noch mit viel größerer Güte, Großzügigkeit, Höflichkeit, Sinn, Würde, Süße und Noblesse ausgestattet.
Als König Arthur die Jungfrau sah, die von solcher Schönheit war, und vor ihm niederkniete, sehnte er sich sehr danach, sie zu betrachten, vor allem weil ihre Brüste fest und hart wie kleine Äpfel waren und ihre Haut weißer als frisch gefallener Schnee war, und sie war weder zu pummelig noch zu dünn. Und König Arthur sehnte sich so sehr nach ihr, dass er sich in Gedanken verlor und aufhörte zu essen, und er drehte sein Gesicht weg, weil er nicht wollte, dass die beiden Könige oder jemand anderes etwas bemerkten. Und die Jungfrau bat ihn, zu trinken, und sagte zu ihm: „Junger Herr, mein Herr, trink auf! Und bitte sei nicht beleidigt, wenn ich dich nicht bei deinem richtigen Namen nenne, denn ich weiß nicht, wie ich dich anders nennen soll. Du solltest nicht schüchtern sein am Tisch, denn du bist nicht auf dem Schlachtfeld, und das war heute deutlich, als du von fünftausend Menschen beobachtet wurdest, die dich nur vom Anblick her kannten.“
Und er wandte sich ihr zu und sagte zu ihr: „Liebe Jungfrau, ich war froh, das zu tun. Vielen Dank für deinen schönen Dienst, und möge Gott mir die Stärke und die Fähigkeit geben, dich zu belohnen.“
„Mein Herr“, sagte sie, „du hast mir bereits hundertfach mehr zurückgegeben, als ich je verdienen könnte; du hast es mir gegeben, als du und deine Gefährten meinen Vater gerettet habt, als sie ihn als Gefangenen mitnehmen wollten.“ Und der König fiel in Schweigen.
„Es gibt noch mehr“, sagte sie. „Vor dem Tor, am Fuß der Brücke, hast du gezeigt, dass du Mitleid mit seinen Nöten hattest, als er inmitten seiner Feinde niedergeschlagen wurde und sein Pferd unter ihm erschlagen wurde, denn du hast denjenigen getötet, der ihn zu Fall gebracht hatte. Du hast dein Leben riskiert, um ihn zu retten, und du hast alles getan, um ihn wieder auf den richtigen Weg zu bringen.“

So sprach die Tochter von König Leodagan zu König Arthur, aber kein Wort kam aus seinem Mund. Stattdessen nahm er den Becher und trank sehr gern. Und er sagte der jungen Dame, sie solle sich setzen, denn sie hatte schon sehr lange gekniet, aber ihr Vater, der König, wollte es nicht zulassen; stattdessen wurden sie auf alle erdenklichen Weisen bedient. Als es Zeit war, die Tischtücher zu entfernen, fragte König Ban König Leodagan, der neben ihm saß: „Sir, ich bin ganz erstaunt, dass du, der von allen als so würdiger Mann angesehen wird, deine Tochter nicht schon längst einem hochgeborenen Mann vermählt hast. Sie ist gut erzogen, klug, und du hast keine anderen Kinder, denen nach deinem Tod dein Land zukommen könnte; dennoch hättest du ihr längst Erben verschaffen können, wo immer du sie auch untergebracht hättest.“

„Wahrlich, Sir“, sagte König Leodagan, „ich habe es nur wegen des Krieges hinausgezögert, der so lange dauert und mir so viel Schaden zugefügt hat. König Rion von Dänemark und Irland führt seit über sieben Jahren Krieg gegen mich, und seitdem ist kein Mann in mein Land gekommen, dem ich sie geben könnte, und niemand hat mich um sie gebeten. Aber, Gott hilf mir, wenn ich einen würdigen Ritter finden könnte, der Arbeit und Mühe ertragen kann und der meinen Krieg für mich weiterführen würde, würde ich ihm meine Tochter und all mein Land geben, wenn er es nach meinem Tod haben möchte, und ich würde nichts über seine Geburt oder seinen Reichtum sagen. Gott sei Dank, wenn so ein Mann wie der, den ich im Sinn und im Herzen habe, jetzt hier wäre, dann glaube ich wahrhaftig, dass nicht einmal drei Tage vergehen würden, bevor sie einem jungen Ritter, der schön und würdig ist, vermählt würde, und ich glaube wirklich, dass er höher geboren ist als ich.“

Und Merlin begann zu lächeln und schaute King Bors an und gab ihm ein Zeichen, dass er diese Worte über König Arthur gesagt hatte, und in der Tat hatte er das. Dann begannen sie alle, über viele Dinge zu sprechen, lenkten aber ihr Gespräch von dem ab, was König Leodagan gesagt hatte, da sie nicht weiter darüber sprechen wollten. König Leodagan verstand, dass sie nicht darüber hören wollten, obwohl er es sehr gerne gehabt hätte, wenn sie ihn weiter über dieses Thema ausgefragt hätten, also fiel er in Schweigen und versuchte herauszufinden, aus allem, was er in ihren Blicken und ihrem Verhalten las, woher sie kamen. Und er achtete sehr auf ihre Fröhlichkeit und die Freude, die sie an Arthur fanden, und das war das, was ihn am meisten beunruhigte, denn die zwei würdigen Herren und ihre Gefährten waren so glücklich, bei ihm zu sein, dass alle, die sie sahen, erstaunt und verwirrt waren.

Und Arthur liebte und sehnte sich nach der Tochter von König Leodagan, und er träumte so sehr von ihr, dass er vergaß, wo er war; er wollte sie sehr gerne als seine Frau und Gefährtin haben, wenn er es könnte. Und die Geschichte sagt, dass sie die klügste Frau in Großbritannien war, die schönste und am meisten geliebte in ganzem Land, mit Ausnahme von Elaine der Unvergleichlichen, der Frau von Persides dem Roten aus der Burg Gazevilte und Tochter von König Pelles aus Listenais von der Burg Corbenic; sie war die Nichte des Fischer-Königs und des Königs, der an seinen Wunden litt. Der erste wurde Alan von der Insel in Listenois genannt. Der zweite war krank und war mit der Rächenden Lanze verwundet worden, weshalb er der Versehrte König genannt wurde, und er war durch beide Oberschenkel verwundet worden; sein richtiger Name war König Pellinor von Listenois. König Alan und Pellinor waren Brüder. Das Mädchen, von dem ich dir erzählte, war ihre Nichte und die Tochter von König Pelles, der der Bruder der beiden war, die ich dir gerade genannt habe. Diese Maid war die schönste Frau, die jemals in einem Land gewesen war, und die edelste, und sie bewahrte den Heiligen Gral, bis Galahad gezeugt wurde.

Abbildung

Kris Waldherr: The Lover’s Path Tarot. Herausgegeben von U.S. Games Systems INC. Stamford 2004.
https://kriswaldherrbooks.com/home
Copyright © 2004, 2013 Kris Waldherr

Literatur

Lancelot-Grail. The Old French Arthurian Vulgate and Post-Vulgate in Translation. Volume II. Hg. von Norris J. Lacy. The Story of Merlin translated by Rupert T. Pickens. Cambridge/Brewer, 2010.

Müller, Ulrich und Springeth, Margarete: Guenievre/Ginover – eine »femme fatale« des Mittelalters? In: Verführer, Schurken, Magier. Mittelalter Mythen Band 3. Hg. von Ulrich Müller und Werner Wunderlich. 2001, St. Gallen, S. 343-363.

Artus. In: Artus-Lexikon. Mythos und Geschichte, Werke und Personen der europäischen Artusdichtung. Von Rudolf Simek. Mit 32 Abbildungen. Stuttgart 2012, S. 25-27.


[1] Müller, Ulrich und Springeth, Margarete: Guenievre/Ginover – eine »femme fatale« des Mittelalters? In: Verführer, Schurken, Magier. Mittelalter Mythen Band 3. Hg. von Ulrich Müller und Werner Wunderlich. 2001, St. Gallen, S. 343-363, hier S. 343. [2] Ebd. [3] Ebd. [4] Ebd., S. 343-344. [5] Ebd., S. 344-345. [6] Artus. In: Artus-Lexikon. Mythos und Geschichte, Werke und Personen der europäischen Artusdichtung. Von Rudolf Simek. Mit 32 Abbildungen. Stuttgart 2012, S. 25-27, hier S. 25. [7] Geoffrey of Monmouth. In: Artus-Lexikon. Mythos und Geschichte, Werke und Personen der europäischen Artusdichtung. Von Rudolf Simek. Mit 32 Abbildungen. Stuttgart 2012, S. 135-136, hier S. 135. [8] Ebd., S. 26. [9] Ebd., S. 27. [10] Ebd., S. 26. [11] Ebd., S. 27. [12] Ebd. [13] Müller, Ulrich und Springeth, Margarete: Guenievre/Ginover – eine »femme fatale« des Mittelalters, S. 362.

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