Hedwig Dohm – Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

Wer war Hedwig Dohm?

Hedwig Dohm (1831-1919) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der ersten radikalen Feministinnen in Deutschland. Geboren in Berlin als Tochter eines Tabakfabrikanten, wuchs sie in einfachen Verhältnissen auf. Trotz begrenzter Bildungsmöglichkeiten für Mädchen ihrer Zeit bildete sie sich autodidaktisch weiter und heiratete 1853 den Redakteur und Schriftsteller Ernst Dohm.

Hedwig Dohm begann ihre schriftstellerische Karriere in den 1870er Jahren und wurde schnell zu einer einflussreichen Stimme in der deutschen Frauenbewegung. Sie forderte umfassende Rechte für Frauen, darunter das Wahlrecht, Zugang zu höherer Bildung und berufliche Gleichberechtigung. Ihre Schriften, wie Der Jesuitismus im Hausstande (1873) und Die wissenschaftliche Emancipation der Frau (1874), waren bahnbrechend in ihrer Radikalität und ihrem Weitblick.

Besonders bemerkenswert war Dohms Forderung nach dem Frauenwahlrecht zu einer Zeit, als dies selbst in fortschrittlichen Kreisen noch als extremer Standpunkt galt. Sie argumentierte, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht nur ein Recht, sondern eine Notwendigkeit für eine gerechte Gesellschaft sei.

Dohm war auch eine scharfe Kritikerin der vorherrschenden Geschlechterrollen und der biologischen Argumentationen, die zur Rechtfertigung der Unterdrückung von Frauen herangezogen wurden. In Werken wie Die Antifeministen (1902) setzte sie sich mit den Gegnern der Frauenbewegung auseinander und widerlegte deren Argumente mit Scharfsinn und Humor.

Neben politischen Schriften verfasste Dohm auch Romane, Novellen und Theaterstücke, in denen sie oft feministische Themen verarbeitete. Ihr literarisches Werk trug dazu bei, feministische Ideen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Hedwig Dohm erlebte noch den Beginn der Weimarer Republik und die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland 1918, wofür sie jahrzehntelang gekämpft hatte. Sie starb 1919 in Berlin, hinterließ aber ein bedeutendes Erbe als Vordenkerin der deutschen Frauenbewegung. Ihre Schriften und Ideen beeinflussten nachfolgende Generationen von Feministinnen und trugen wesentlich zur Entwicklung der Frauenrechte in Deutschland bei.

Thesen der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm diskutieren

Die folgende Aufgabe stammt aus einem Arbeitsauftrag für eine Schularbeit der gymnasialen Oberstufe

Diskutiere die Thesen der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm aus zeitgenössischer und heutiger Sicht

„Ich meine: Die Frau soll studieren.

1. Sie soll studieren, weil jeglicher Mensch Anspruch hat auf die individuelle Freiheit, ein seiner Neigung entsprechendes Geschäft zu treiben. Jede Thätigkeit, wenn sie einen Menschen befriedigen soll, muß gewissermaßen ein „in Scene setzen“ seiner inneren Vorgänge sein. Freiheit in der Berufswahl ist die unerläßlichste Bedingung für individuelles Glück.

2. Sie soll studieren, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach eine vom Manne verschiedene geistige Organisation besitzt (verschieden, aber nicht von geringerer Qualität) und deshalb voraussichtlich neue Formen der Erkenntnis, neue Gedankenrichtungen der Wissenschaft zuzuführen imstande sein wird (…).

3. Medizin aber soll die Frau studieren, einmal im Interesse der Moral und zweitens, um dem weiblichen Geschlecht die verlorene Gesundheit wiederzugewinnen. Die Frau kennt das physische Wirken ihres eigenen Körpers besser als der Mann, und niemals wird Dieser das tiefe Mitgefühl, das die Forschung anspornt, und die scharfe und feine Beobachtung haben für die Leiden, die das Leben der Frau zerstören, und die er in ihren Ursachen- und Folgen aus Gründen, auf deren Erörterungen ich mich hier nicht einlassen will, nicht durchschaut.

4. Die Frau soll studieren, um ihrer Subsistenz willen. Niemand hat das Recht, eine Menschenklasse in ihren Subsistenzmitteln zu beschränken, es sei denn, Staat und Gesellschaft übernähmen die Verantwortung für die angemessene Versorgung dieser Klasse.

5. Die Frau soll studieren, weil Wissen und Erkenntnis das höchste und begehrenswerteste Gut der Erde ist, und weil die geeignetste Sphäre für jeden Menschen die höchste Sphäre ist, die zu erreichen der Menschheit überhaupt vergönnt ist.

Quelle: Aus Hedwig Dohm: Die wissenschaftliche Emancipation der Frau. Berlin 1874, S. 178-180. Online unter: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=hvd.32044035020262&seq=7 (zuletzt abgerufen am 14.08.2024)

Auch online unter: BYU ScholarsArchive Citation. Dohm, Hedwig, „Die wissenschaftliche Emancipation der Frau“ (1874). Essays. 6. https://scholarsarchive.byu.edu/sophnf_essay/6

Zur These 1 aus Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

1. Die erste These von Hedwig Dohm spricht etwas, wie ich finde, sehr Wichtiges an. Und zwar, dass jeder Mensch Anspruch auf individuelle Freiheit hat. Jeder, Mann oder Frau, hat das Recht den Beruf auszuüben, den er ausüben will. Eben weil dies einen erheblichen Beitrag zum Lebensgefühl desjenigen Menschen beiträgt. Die These finde ich persönlich für die damalige Zeit sehr fortschrittlich. Ich denke, sie gilt damals genau wie heute. Zur damaligen Zeit war es wohl angebracht explizit die Frau anzusprechen. Darum beginnt die These auch mit „Sie soll studieren“, denn Männer durften dies ja bereits. Heutzutage stehen jegliche Studiengänge jedoch Frauen wie auch Männern offen. Allerdings gibt es unterschwellige Strömungen im akademischen Betrieb, die darauf schließen lassen, dass strukturelle Gewalt gegen Frauen oder auch Anfeindung trotz der überall proklamierten Diversität nicht so gern gesehen sind, wie vielerorts behauptet wird. Es gibt einen großen Unterschied zwischen indirekter Handhabe und dem direkten Agieren in der Öffentlichkeit.

Zur These 2 ais Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

Während Frau Dohm zur damaligen Zeit noch die Wahrscheinlichkeit der verschiedenen geistigen Organisation von Mann und Frau anspricht, wissen wir heute schon sehr genau inwiefern sich die Konzentrations- oder Organisationsfähigkeit von beiden Geschlechtern unterscheidet und warum dies so ist. Nichtsdestotrotz hat Frau Dohm Recht. Nur weil Frauen anders planen oder gar denken bedeutet dies nicht, dass diese Strukturen von geringerer Qualität sind. Sie spricht etwas vorsichtig die Begründung aus, dass Frauen durch ihr Denken und Organisieren neue Erkenntnisse und Gedankenrichtungen in die Wissenschaft bringen können. Dies ist heute eine Tatsache.

Zur These 3 aus Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

3. Ich glaube Frau Dohm wollte mit dieser These deutlich machen, dass Frauen zur damaligen Zeit den Diagnosen der männlichen Ärzte ausgeliefert waren. Diese kannten den weiblichen Körper mit Sicherheit noch nicht so gut, wie dies heute der Fall ist. Mit „verlorene Gesundheit“ ist meines Erachtens das Wissen um die Weiblichkeit gemeint (Zusammenhang zwischen körperlichen und seelischen Beschwerden bei Frauen). Mit dem Interesse der Moral könnte sie gemeint haben, dass sich die Frauen damals den „unwissenden“ Männern mit ihren Beschwerden anvertrauen mussten, bzw. sich für Untersuchungen zu entkleiden hatten, was vielleicht ausgenutzt wurde. Eine Frau hätte die sensible Lage der Untersuchung im Vergleich eher nicht ausgenutzt und mehr Verständnis für gesundheitliche Beschwerden aufbringen können, weil sie selbst sich in spezifisch weibliche Beschwerden besser einfühlen kann. Tatsächlich erleben aber gerade viele Tabuthemen wie die Menopause oder hormonelle Beschwerden einen Aufschwung, werden öffentlich diskutiert, wird die früher diese Themen besetzende Schamhaftigkeit ersetzt durch den Wunsch des Wahrgenommenwerdens und des Ernstgenommenwerdens. Hier spielen sehr viel mehr Themen mit ein, die jetzt in dieser Konstellation erst einmal nicht weiter aufgegriffen werden können. Zur These zurückkommend könnte man auf Varianten eingehen und auch die Frage stellen, ob gerade Frauen weniger Mitgefühl für Frauen aufbringen, weil sie die Beschwerden kennen, und ob Männer, gerade weil sie eben nichts von den weiblichen Beschwerden wissen, verständnisvoller urteilen. Irgendwie ist man dann ja auch wieder beim Hysterie-Diskurs und Freud. Aber das ist jetzt auch zu weitreichend. Es Gibt jedenfalls heute viele Ärztinnen. Patienten steht es selbst frei zu entscheiden, ob sie eine Ärztin oder einen Arzt wählen. Frauen sind in ihrer Berufswahl Ärztin zu werden frei.

Zur These 4 aus Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

4. Hedwig Dohm ruft in dieser These indirekt die Frauen selbst auf, um ihrer Selbst willen einzustehen und sich in ihrer Berufswahl frei zu entscheiden. Sie schreibt, dass niemand mutwillig in seinen Mitteln niedergehalten werden sollte, solange er selbst für sich verantwortlich ist. Und da diese Niedergehaltenen keinerlei Berufsperspektiven hätten, müssten sie versorgt werden. Da sie es nicht selbst könnten, schreibt sie die Verantwortung dem Staat zu. Gerade in der heutigen Zeit möchten immer mehr Menschen ihre Perspektive voll ausschöpfen und im Beruf weiterkommen. Auch für Frauen ist dies, selbst mit Familie, möglich. In Deutschland besteht außerdem ein soziales Versorgungsnetz, so dass eine Grundversorgung besteht. Doch es gibt immer noch Lücken und es gib auch immer in der heutigen Zeit Personaler, die sich negativ gegenüber Elternzeiten und Schwangerschaften äußern und Unternehmen, die Vorurteile gegenüber Frauen haben. Es ist eine individuelle Entscheidung für Frauen, doch leider spielen auch immer noch kulturelle und strukturelle Mechanismen in diese Entscheidung mit ein und Frauen haben schließlich auch vielerorts geringere Gehälter als Männer.

Zur These 5 aus Die wissenschaftliche Emancipation der Frau

Frau Dohm schreibt vom Wissen als dem höchsten und begehrenswertesten Gut auf der Erde. Zur damaligen Zeit war es sicher wichtig für die Frauen Bildung und Wissen zu erlangen, welches nur Männern zugängig war und ihnen verweigert wurde. Heute ist es, denke ich Ansichtssache, wie jeder die Wichtigkeit von Wissen und Erkenntnis für sich selbst bewertet. Zur damaligen Zeit war Wissen und Bildung, das Studieren an sich, für die Frauen fremd und etwas Unerhörtes. Unter diesen widrigen Umständen schien es natürlich ein lebenswichtiges Gut zu sein und notwendig, um sich zu behaupten. Heute ist dies nicht nötig. Wir leben im Informationszeitalter. Jeder kann zu jeder Zeit an fast jede Information kommen, die er braucht. Egal ob Frau oder Mann. Jeder kann frei entscheiden, welches Wissen er sich aneignen möchte. Damals war dies nicht möglich, so dass es sehr wichtig erschien.

Fazit zu den Thesen aus Die wissenschaftliche Emancipation der Frau von Hedwig Dohm

Frau Dohms Ansichten sind meiner Meinung nach für die damalige Zeit fortschrittlich und mit ihren Thesen wird sie einiges zu den Rechten der Frauen wie wir sie heute kennen, beigetragen haben. Die meisten Thesen sind hinsichtlich einiger Aspekte überholt, doch einiges ist auch immer noch aktuell in variierter Form. Allerdings gibt es heute vieles, was damals noch Wunschdenken war. Die erste These jedoch gilt meines Erachtens noch immer.

1. Sie soll studieren, weil jeglicher Mensch Anspruch hat auf die individuelle Freiheit, ein seiner Neigung entsprechendes Geschäft zu treiben. Jede Thätigkeit, wenn sie einen Menschen befriedigen soll, muß gewissermaßen ein „in Scene setzen“ seiner inneren Vorgänge sein. Freiheit in der Berufswahl ist die unerläßlichste Bedingung für individuelles Glück.

Und zwar für Männer und Frauen.

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