Tür 18 –  Till Eulenspiegel

Hinter Tür 11 steckt ein Schelm - Till Eulenspiegel.

18. Dezember – Literarischer Adventskalender 2024

Hinter Türchen 18 steckt ein bekannter Tunichtgut – es ist Till Eulenspiegel: Till Eulenspiegel ist eine der bekanntesten literarischen Gestalten des deutschen Mittelalters. Die Geschichten um den schalkhaften Narren wurden von verschiedenen Autoren über die Jahrhunderte hinweg weitergegeben. Die bekannteste Ausgabe stammt von Hermann Bote aus dem 16. Jahrhundert.

Till Eulenspiegel: Handlung, Themen und Bedeutung

Till Eulenspiegel zeichnet sich durch eine Reihe von humorvollen, scharfsinnigen und oft satirischen Erzählungen aus, die ihn als eine Figur des Widerstands gegen Autoritäten und soziale Normen darstellen. Denn er ist nicht nur ein harmloser Spaßmacher, sondern ein exzellenter Beobachter. Durch seinen Humor und seine Streiche setzt er den Menschen einen Spiegel vor und stellt sie unter anderem vor die Frage, warum sie die Autoritäten und Normen akzeptieren und befolgen. Till Eulenspiegel ist gutes Beispiel für die Macht des Humors und der Satire als Mittel des Widerstands. Eben dies macht die Geschichten von Till Eulenspiegel zeitlos und universell – damit sind sie auch bestens für kurze Lektüren zwischendurch geeignet.

Till Eulenspiegel ist eine interessante Weihnachtslektüre, weil …

👉 die Mischung aus Wortspielen, Ironie und situativen Komik macht die Geschichten unterhaltsam, weil in den Humor und Tiefsinn verbunden werden.
👉 Eulenspiegel Autoritäten, gesellschaftliche Konventionen und die menschliche Dummheit infrage stellt, denn seine Streiche entlarven oft die Arroganz und Heuchelei der Mächtigen.
👉 er zeigt, wie man sich durch List und Humor gegen Ungerechtigkeiten oder soziale Hierarchien wehren kann.
👉 sein Schelmen-Dasein zum Lachen anregt, was in der oft hektischen Weihnachtszeit eine willkommene Abwechslung ist.
👉 in den Geschichten sind Redewendungen oder Sprichwörter verborgen, wobei es spannend sein kann, diese zu entdecken.

Till Eulenspiegel und das verschriftlichte Sprichwort »Wer Brot hat, dem gibt man Brot«

Die 18. Historie sagt, wie Eulenspiegel Brot kaufte nach dem Sprichwort: »Wer Brot hat, dem gibt man Brot«.

Treue gibt Brot. Als Eulenspiegel den Doktor betrogen hatte, kam er danach gen Halberstadt. Er ging auf dem Markt umher und sah, daß es ein harter und kalter Winter war. Da dachte er: der Winter ist hart, und der Wind weht dazu scharf; du hast doch oft gehört: Wer Brot hat, dem gibt man Brot. Und er kaufte für zwei Schillinge Brot, nahm einen Tisch und stellte sich vor dem Dom von Sankt Stephan auf. Er hielt sein Brot feil und trieb solange Gauklerei, bis ein Hund kam, ein Brot vom Tisch nahm und damit den Domhof hinauflief. Eulenspiegel lief dem Hund nach. Unterdessen kam eine Sau mit zehn jungen Ferkeln und stieß den Tisch um; ein jegliches Tier nahm ein Brot ins Maul und lief damit hinweg.
Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sagte: »Nun sehe ich klar, daß die Worte falsch sind, wenn man spricht: wer Brot hat, dem gibt man Brot. Ich hatte Brot, und das wurde mir genommen.« Und er sprach weiter: »O Halberstadt, Halberstadt, du führst deinen Namen mit Recht. Dein Bier und deine Kost schmecken wohl, aber deine Geldbeutel sind von Sauleder gemacht.« Und er zog wieder gen Braunschweig.

Die Geschichte ist auch online zu finden: https://www.projekt-gutenberg.org/bote/eulenspg/eulen18.html

Till Eulenspiegel und die verschriftlichte Redewendung »Die Katze im Sack kaufen«

Die 53. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Leipzig den Kürschnern eine lebende Katze in ein Hasenfell nähte und sie in einem Sack als lebendigen Hasen verkaufte.

Eulenspiegel konnte sich schnell einen guten Streich ausdenken, was er den Kürschnern in Leipzig am Fastnachtsabend bewies, als sie zusammen ihr Zechgelage abhielten. Diesmal hätten sie gern Wildbret dazu gehabt. Das vernahm Eulenspiegel und dachte in seinem Sinn: der Kürschner in Berlin hat dir nichts für deine Arbeit gegeben; das sollen dir diese Kürschner bezahlen. Also ging er in seine Herberge. Dort hatte sein Wirt eine schöne, fette Katze. Diese nahm Eulenspiegel unter seinen Rock und bat den Koch um ein Hasenfell, er wolle damit einen hübschen Schelmenstreich ausführen.
Der Koch gab ihm ein Hasenfell, darin nähte Eulenspiegel die Katze ein. Dann zog er Bauernkleider an, stellte sich vor das Rathaus und hielt sein Wildbret so lange unter der Joppe verborgen, bis einer der Kürschner daherkam. Den fragte Eulenspiegel, ob er nicht einen guten Hasen kaufen wolle und ließ ihn den Hasen unter der Joppe sehen. Da einigten sie sich, daß er ihm vier Silbergroschen für den Hasen gab und sechs Pfennige für den alten Sack, in dem der Hase steckte. Den trug der Kürschner in seines Zunftmeisters Haus, wo sie beieinander waren mit großem Lärmen und viel Fröhlichkeit, und sagte, daß er den schönsten lebendigen Hasen gekauft habe, den er seit Jahren gesehen habe. Alle betasteten ihn der Reihe nach.
Da sie nun den Hasen erst zur Fastnacht haben wollten, ließen sie ihn in einem eingezäunten Grasgarten umherlaufen, holten Jagdhunde und wollten Kurzweil bei der Hasenjagd haben.
Als nun die Kürschner zusammenkamen, ließen sie den Hasen los und die Hunde dem Hasen nachlaufen. Da der Hase nicht schnell laufen konnte, sprang er auf einen Baum, rief: »Miau!« und wäre gern wieder zu Hause gewesen. Als das die Kürschner vernahmen, riefen sie ungestüm: »Kommt, kommt! Lauft schnell, ihr lieben, guten Zunftgenossen! Der uns mit der Katze geäfft hat: schlagt ihn tot!«
Dabei blieb es aber. Denn Eulenspiegel hatte seine Kleider ausgezogen und sich so verändert, daß sie ihn nicht erkannten.

Auch hier online zum Lesern verfügbar

Überhaupt kann man Tills Abenteuer online direkt nachlesen

Was ist an den Geschichten von Till Eulenspiegel so gut?

Die Geschichte von Till Eulenspiegel ist spannend, unterhaltsam und bei eingehender Betrachtung komplex, da sie gesellschaftliche Themen wie soziale Ungerechtigkeit, die Korruption der Mächtigen und die Heuchelei der Institutionen humorvoll darstellt. Eulenspiegel wird dabei nicht nur als einfacher Narr und Spaßmacher inszeniert, sondern als eine vielschichtige und ambivalente Figur, die durch ihre Streiche die Gesellschaft zum Nachdenken anregen soll. Der Verschmelzung von Humor und Kritik kommt bei der Reflexion eine besondere Rolle zu und es ist auch gerade der Humor, der die Geschichten so interessant macht – er ist nämlich äußerst vielschichtig. Oft steckt in den Streichen eine intelligente, kritische Reflexion über die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Willkür der Macht. Humor und Spott als Form des Widerstands? Auf jeden Fall!

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